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Kölner Initiative „And She Was like: BÄM!“Feministische Kulturarbeit als Widerstand

7 min
Wall of BÄM!, And She Was Like: BÄM!, Art Cologne 2024, Messe Köln

„And She Was Like: BÄM!“ zeigten 2024 bei der Art Cologne 60 Werke von Künstlerinnen und queeren Personen für jeweils 400 Euro. Erst am Ende erfuhren Käufer, wessen Arbeit sie erworben haben. Nicht wer, sondern was gekauft wird, sollte so im Mittelpunkt stehen.

Seit zehn Jahren setzt sich die Kölner Initiative „And She Was Like: BÄM!“ für Gleichberechtigung in der Kulturbranche ein. Die Gründerinnen Luise Pilz und Leonie Pfennig im Gespräch.

Frau Pilz, Frau Pfennig, Sie haben vor zehn Jahren hier in Köln gemeinsam mit drei weiteren Frauen eine queer-feministische Initiative im Kunst- und Kulturbereich gegründet. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür?

Luise Pilz: Wir beide haben uns bei unserer Arbeit im Museum Ludwig kennengelernt. Dort waren damals viele Frauen in wichtigen Schlüsselpositionen, was mich sehr beeindruckt hat. Wir haben uns darüber ausgetauscht, was Frauen in der Kulturarbeit leisten und festgestellt, dass es eine strukturelle Benachteiligung gibt: ein Defizit an Räumen, Plattformen, Möglichkeiten, wie Frauen sich gegenseitig unterstützen und miteinander arbeiten können.

Leonie Pfennig: Die Männer, die mit uns studiert haben – und es waren sehr wenige in Kunstgeschichte – sind beispielsweise auf einmal Direktor an einem Kunstverein geworden oder in kuratorischen Positionen an uns vorbeigezogen. Kolleginnen, die Design studiert haben, stellten irgendwann fest: hier gibt es ja nur männliche Professoren und damit gar keine Vorbilder an der Hochschule. Einmal wurde eine von uns gefragt, ob sie Künstlerinnen und Künstler für einen Preis vorschlagen kann und ihr sind nur Männer eingefallen. In dem Moment dachten wir, das kann doch nicht sein, daran müssen wir arbeiten.

Und daraufhin ist dann „And She Was Like: BÄM!“ entstanden?

Pfennig: Gemeinsam mit drei Kolleginnen haben wir ein erstes Treffen organisiert, das sich an Frauen richtete, die in der Kunst- und Designszene im Rheinland arbeiten. Es kamen 20 bis 30 Frauen und da wurde ganz schnell klar: Es gibt eine Nachfrage dafür. So haben wir mit einem Stammtisch angefangen.

Pilz: Wir waren selbst extrem überrascht, wie hoch die Resonanz und das Bedürfnis war. Alle Formate, die wir entwickeln – Newsletter, Online-Magazin, Abendschulen – entstehen aus der Gemeinschaft heraus, aus dem, was sich organisch ergibt, wo die Bedürfnisse und Expertisen liegen.

Vom Stammtisch zum Verein

Wie sieht Ihre Struktur heute aus?

Pfennig: Zwei Jahre nach der Gründung haben wir einen gemeinnützigen Verein eingetragen. So konnten wir auch Mitglieder aufnehmen und Beiträge einnehmen. Inzwischen haben wir über 200 Mitglieder, was uns sehr freut und damals überhaupt nicht abzusehen war. Wir haben sehr regional gestartet, aber inzwischen hat es sich herumgesprochen, sodass wir Anfragen aus München, Berlin, oder Hamburg bekommen, weil es so etwas dort nicht gibt. Das ist auf jeden Fall ein schöner Erfolg.

Leonie Pfennig / And She Was Like Bäm

Leonie Pfennig ist Kunstwissenschaftlerin, Autorin und Mitgründerin der Initiative „And She Was Like: BÄM!“

Vor zehn Jahren war Feminismus noch eine Art heiße Kartoffel, die man nicht gerne anfassen wollte.
Leonie Pfennig

Wie ist das Thema Feminismus denn damals angekommen?

Pfennig: Vor zehn Jahren war Feminismus noch eine Art heiße Kartoffel, die man nicht gerne anfassen wollte. Wir haben uns anfangs selbst schwergetan, uns damit zu identifizieren. Es gab viele Diskussionen, ob wir uns wirklich feministische Initiative nennen wollen. Viele von uns waren vorgeprägt von den Klischees des Zweite-Welle-Feminismus aus den 1970er Jahren. Aber als wir viel darüber gesprochen haben, warum wir das machen und was wir wollen, kamen wir zu dem Schluss: Das ist natürlich feministisch, Punkt. Heute ist der Begriff, gerade auch bei jüngeren Menschen, viel klarer besetzt.

Das heißt, Ihre Auffassung des Begriffs hat sich im Laufe der Zeit auch verändert?

Pilz: Ja, wir mussten überlegen: Treten wir für die Rechte von Frauen ein? Oder für eine freie, demokratische Welt, in der jeder, der strukturell benachteiligt wird, der Diskriminierung erfährt, gleiche Rechte und Zugang haben soll zu Wissen und Ressourcen? Da mussten wir auch erst lernen, uns weiter zu öffnen. Es ist uns sehr wichtig, dass eine feministische Perspektive immer eine antirassistische und antikoloniale ist, die sich für alle öffnet, die sich freiheitlich verbinden und austauschen wollen.

Pfennig: Bei der älteren Generation von Feministinnen geht es oft stark um ein binäres „Frauen gegenüber Männern stärken“. Wenn wir aber von Frauen reden, meinen wir alle, die keine Cis-Männer sind. Das ist der Begriff von „FLINTA“, der noch nicht so richtig in der Breite angekommen ist. Das steht für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, Trans und Agender Personen. Daran zeigt sich auch, dass es innerhalb der feministischen Bewegung immer noch verschiedene Herangehensweisen gibt.

Sichtbarkeit von Frauen in Kunst und Kultur ist stärker ins Bewusstsein gerückt

Hat sich die Situation von Frauen im Kunst- und Kulturbereich denn in den vergangenen Jahren aus Ihrer Sicht gebessert?

Pfennig: Seit wir angefangen haben, ist das Thema Sichtbarkeit von Frauen in Kunst und Kultur viel stärker ins Bewusstsein gerückt – Frauen in Führungspositionen, aber auch die Sichtbarkeit von Künstlerinnen mit vielen Ausstellungen. Da gab es eine Art Welle. Wir wurden recht schnell auch von Institutionen und Museen gefragt, ob wir an öffentlichen Formaten zu Gleichberechtigung und Sichtbarkeit in der Kultur teilnehmen wollen. Irgendwann kam dann aber ein Punkt, an dem wir dachten: Das haben wir doch jetzt wirklich schon oft genug erzählt.

Pilz: Nicht, weil wir es nicht mehr wichtig fanden, darüber zu sprechen, sondern weil es natürlich einen Schritt weitergehen muss, von dieser reinen Repräsentation in die Institutionen und Strukturen der Gesellschaft. Ein sehr wichtiger Schritt war, dass wir irgendwann auch eingeladen wurden, in Gremien zu sitzen, die über Förderrichtlinien beraten und wir als Interessenvertreterinnen in eine politische Lobbyarbeit übergegangen sind. Dieser positive Trendmoment, den es gab, kippt allerdings gerade in eine ganz andere, sehr gefährliche Richtung, die nicht nur antifeministisch, sondern auch antidemokratisch ist.

Es werden immer mehr diskriminierende Dynamiken spürbar, gegen die Kulturarbeit als Widerstand ein wichtiges Instrument ist
Luise Pilz

Ihre Arbeit ist also noch nicht überflüssig geworden?

Pilz: Im Gegenteil. Die Rechte erstarkt zunehmend, es werden immer mehr diskriminierende Dynamiken spürbar, gegen die Kulturarbeit als Widerstand ein wichtiges Instrument ist. In unserer Initiative fühlt es sich normal an, wenn Menschen sich austauschen, auf Dinge treffen, die sie nicht gewohnt sind und die Möglichkeit bekommen, laut Missstände zu benennen. Das ist eine aktive, konkrete Arbeit an demokratischen Prozessen. Es gibt mehr als genug Anlässe, warum Initiativen wie unsere relevant sind.

Luise Pilz / And She Was Like Bäm

Luise Pilz ist Kunstwissenschaftlerin, Kuratorin, Redakteurin und Mitgründerin der Initiative „And She Was Like: BÄM!“

Zum Beispiel?

Pilz: Allein das Foto vom Investitionsgipfel neulich, auf dem nur zwei Frauen zu sehen sind. Oder wenn Friedrich Merz bei der Initiative „Chefinnen-Sache“ sagt: „Ich kenne das natürlich aus meiner Welt, wir Männer haben eine bessere Begabung und Befähigung, Netzwerke zu bilden und uns gegenseitig zu unterstützen.“ Das impliziert, solche Kompetenzen zu haben, sei etwas Biologisches – das ist sehr gefährlich, denn es verkennt eine strukturelle Ungleichheit. Natürlich können Männer besser Netzwerke bilden, weil die Strukturen dafür schon immer gegeben waren. Es geht nicht darum, dass Frauen selbst die Verantwortung haben, sich gegenseitig voranzubringen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Problematik, keine individuelle.

Raum für Verletzlichkeit

Ist es nicht das, was Sie auch tun – feministische Netzwerke bilden?

Pilz: Dieser Begriff ist sehr männlich und neoliberal geprägt. Die Strukturen dafür müssen aber andere sein. Unsere Form von Austausch hat viel mit Reflexion, Weiterentwicklung, Ressourcen und Bedürfnissen zu tun.

Pfennig: Es geht nicht darum, sich von seiner besten Seite zu zeigen, wie auf einem Networking-Event, sondern an die Substanz zu gehen: Was sind meine Schwierigkeiten und wieso finde ich keinen Job? Wie soll ich das alles hinkriegen, mit Kindern und vielleicht noch alleinerziehend? So läuft unser „Netzwerken“ oft ab – mit viel Raum für Verletzlichkeit und Unsicherheit.

Pilz: Dabei wenden wir uns auch explizit gegen das Gespräch an der Bar, um den Job zu bekommen. Wir haben Formate, bei denen beispielsweise eine Museumsdirektorin eingeladen ist, damit die Menschen diese Frau dort kennenlernen können und eben nicht auf solche Strukturen zurückgreifen müssen.

Die Chancen sind in der Kultur von Beginn an sehr ungleich
Leonie Pfennig

Warum sind gerade Menschen in der Kulturbranche so oft auf die Gunst anderer angewiesen?

Pfennig: Die Chancen sind in der Kultur von Beginn an sehr ungleich, weil die Jobs so rar und begehrt sind. Das schafft in Verbindung mit der schlechten Bezahlung und prekären Verhältnissen sehr schnell große Machtgefälle. Es bewerben sich zum Beispiel 200 Menschen auf ein Volontariat am Museum, von dem man gerade so leben kann.

Pilz: Der Verwaltungsaufwand für eine freischaffende Künstlerin, um relativ kleine Projektbudgets und Stipendien zu bekommen, ist enorm und angesichts der aktuellen politischen Situation, in der viele Fördermittel nicht mehr an Frauen vergeben werden, sondern wieder sehr regressive Juryentscheidungen getroffen werden, wird es immer schwieriger.

Pfennig: Genau deshalb ist unsere Arbeit so wichtig, weil wir selbst an diese Stellen wollen, um in die Jurys zu gehen, wo wir solche Positionen vergeben können und darauf achten, wer die Jobs bekommt.

Was würden Sie jungen Frauen raten, die heute eine Karriere im Kunst- und Kulturbereich anstreben?

Pfennig: Traut euch, andere um Rat zu fragen: Wie komme ich weiter? Wie viel darf ich für einen Job verlangen? So oft kriegen wir beigebracht, wir müssen das alles allein schaffen, es ist nur was wert, wenn man sich allein hochgekämpft hat. Das ist aber Quatsch. Tut euch zusammen, gründet selbst Zusammenschlüsse, wenn es noch keine gibt. Schaut, wo ihr Gleichgesinnte findet, mit denen ihr euch austauschen könnt.

Pilz: Offensiv sein mit allem, auch mit den eigenen Schwächen. Weg von dieser Idee, aus den 90ern, nur Stärke zu präsentieren und offensiv mit der Palette umgehen, die Frau zu bieten hat.


Die Kunstwissenschaftlerinnen Leonie Pfennig und Luise Pilz gründeten 2015 mit drei anderen Frauen „And She Was Like: BÄM!“. Der Kölner Verein setzt sich seit zehn Jahren für Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Frauen im Kulturbereich ein – mit regelmäßigen Veranstaltungen, Talks, Ausstellungen und Publikationen. Im letzten Jahr war „BÄM!“ zum Beispiel mit einem Stand auf der Art Cologne vertreten, 2022 erschien das Magazin „Work In Progress“ über Arbeitsbedingungen von Frauen im Kunstbereich. Ab September geht es weiter mit dem BÄM!-Newsletter, der unter www.andshewaslikebam.de abonniert werden kann.