„Wish for a Baby“ in Köln stößt auf Kritik. Beim Verwaltungsgericht liegt ein Eilantrag gegen die Veranstaltung vor. Sie verstoße gegen deutsches Recht.
Werbung für Leihmutterschaft?Kritiker wollen „Kinderwunschmesse“ in Köln vor Gericht kippen

Schon 2023 gab es Protest gegen eine Kinderwunschmesse in den Kölner Sartory-Sälen.
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„Wir wissen, dass die Kosten für eine Leihmutterschaft in den USA ziemlich abschreckend sein können. Das Fertility Institute of San Diego bietet aber eine einzigartige Hybrid-Lösung. Embryonen können in den USA erstellt und dann in ein Land geschickt werden, im dem Leihmutterschaft legal und deutlich günstiger ist.“ So bewirbt ein kalifornisches Fruchtbarkeitszentrum in Newslettern an deutsche Kunden die Leihmutterschaft. Das Institut gehört zu einer Riege von Ausstellern, die an diesem Wochenende in den Sartory-Sälen zur Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“ einladen und Leihmutterschaft anbieten. Weitere darauf spezialisierte Kliniken und Agenturen kommen neben den USA auch aus Spanien, der Türkei, Zypern, Griechenland, Georgien und der Ukraine.
Die Messe gastiert seit fünf Jahren in Köln, in Berlin findet sie immer im Frühjahr statt. Seit 2023 wird sie an beiden Orten von Protesten begleitet. Denn: Leihmutterschaft und auch die Werbung dafür sind in Deutschland gesetzlich untersagt.
Die Vermittlung von Leihmüttern ist in Deutschland verboten
„Wie kann es sein, dass in Deutschland etwas beworben wird, was hier ausdrücklich verboten ist? Es dürfte hier doch auch keine Messe für Organhandel stattfinden, oder?“, fragt Ina Wagner von der Initiative „Lasst Frauen sprechen“. Auch von dem Verein „Frauenheldinnen“ kommt Protest. Der Vorwurf: Die Messe unterlaufe eindeutig das Verbot der Vermittlung von Leihmüttern. „Die Messe ist eine reine Informationsplattform“, entgegnet Robert Baumanns vom städtischen Presseamt.
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Das Ordnungsamt ist für die Genehmigung zuständig und hat diese – wie in den Vorjahren – nach rechtlicher Prüfung erteilt. Zulässig ist laut Gesetz „eine neutrale, sachliche Information und Diskussion“ über Leihmutterschaft, „insbesondere zu gesellschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Aspekten.
In den Vorjahren hätten der Gewerbeabteilung der Behörde keine Hinweise auf Verstöße gegen die erteilten Auflagen vorgelegen. Sowohl das Verbot einer Vermittlung als auch von Werbung für eine Leihmutterschaft wäre demzufolge eingehalten worden.
Verhaltenskodex erlaubt Kontaktanbahnung
Die Website der Messe, ihr Programm, die Aussteller und der vom britischen Veranstalter „FiveSensesMedia“ vorgelegte „Code of Conduct“ sprechen eine andere Sprache. Der Verhaltenskodex, den alle Aussteller unterzeichnen sollen, erlaubt ausdrücklich die Kontaktanbahnung mit potenziellen Käufern eines Kindes.
Aktivistinnen, die bereits 2023 und 2024 die Messe „Wish for a Baby“ besuchten, schildern allesamt den werblichen Charakter. „Selbstverständlich wird dort in hohem Maße für Leihmutterschaft geworben. Man kann sich Kataloge mit Leihmüttern anschauen, Kostenvoranschläge einholen und auch gleich abklären, wie man rechtlich agieren muss, um das Kind in Deutschland anerkennen zu lassen. Es ist die reinste Werbeveranstaltung für Leihmutterschaft“, erklärt Monika Glöcklhofer, stellvertretende Vorsitzende der Frauenheldinnen.
Werbung für Selektion von Embryonen nach Geschlecht
Sogar für die in Deutschland verbotene Geschlechtsselektion wird explizit geworben. Im Messe-Newsletter heißt es: „Erfüllen Sie Ihren Familientraum: Geschlechtsauswahl in Kalifornien – Treffen Sie uns in Köln – wir sprechen Deutsch!“ Auf YouTube bieten Ärzte Beratungstermine auf der Messe an. „Das als reine Information zu bezeichnen, ist doch lebensfremd“, sagt Rechtsanwalt Jonas Jacob, der die Frauenheldinnen juristisch vertritt.
Mehrere Frauen beider Initiativen haben Strafanzeige gestellt. Dem Verwaltungsgericht Köln liegt ein Eilantrag auf Verbot der Messe oder Verschärfung der Auflagen vor, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Mit einer Entscheidung sei rechtzeitig vor Beginn der Messe zu rechnen. Ginge der Antrag durch, dürfte die Messe nicht öffnen oder müsste zumindest alle Leihmutterschafts-Dienstleister nach Hause schicken.
So ist es in Paris gelaufen. „Wish for a Baby“ findet dort nicht mehr statt. Auch in Mailand wurde 2023 das Aus der Messe erkämpft. Nach Jacobs Angaben hat sich ein Vertreter des Veranstalters bei ihm gemeldet, um Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung auszuloten.
Sozialdienst katholischer Frauen sieht Messe „sehr kritisch“
Ute Theisen, Vorstandsvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Köln, sieht die Messe nach eigenen Worten mit gemischten Gefühlen. Bisher, räumt Theisen ein, habe der SkF die Veranstaltung „nicht auf dem Radar“ gehabt. „Auch unsere Mitarbeiterinnen aus dem Arbeitsgebiet Adoption und Pflege kennen sie nicht.“ In Deutschland seien bestimmte Formen der Reproduktionsmedizin und die Leihmutterschaft aus guten ethischen Gründen verboten, betont Theisen.
Schärfere Auflagen würde sie daher „durchaus begrüßen, um den in Deutschland geltenden Rechtsrahmen abzusichern. Mehr als bedenklich finde ich es, wenn der unerfüllte Kinderwunsch von Menschen zum Geschäft wird, das unter Umgehung deutschen Rechts ins Ausland verlagert wird und hier unter Umständen die Notlagen von Frauen ausnutzt, die dann mit einer Eizellspende oder der Leihmutterschaft ihren Lebensunterhalt verdienen.“
Deshalb und weil sich zahlreiche Seminare mit der Umgehung des in Deutschland geltenden Rechtsrahmens beschäftigten, „sehe ich diese Messe sehr kritisch“, sagte Theisen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Andererseits „kennen wir aus unserer Zusammenarbeit mit kinderlosen Paaren, die sich für eine Adoption oder die Aufnahme eines Pflegekindes interessieren, den Schmerz von Menschen, die sich vergeblich ein Kind wünschen.“ Im besten Fall biete eine Messe wie die in Köln die Möglichkeit zum Austausch „und damit auch die Erfahrung, mit dem eigenen Schicksal nicht allein zu sein“.
UN-Sonderberichterstatterin prangert Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen an
Während in Deutschland die Leihmutterschaft untersagt ist, haben andere Staaten sie erlaubt und rechtlich geregelt. Doch die Kritik am globalen Markt Leihmutterschaft wächst weltweit. Vor wenigen Tagen erst, am 10. Oktober, legte die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen“, Reem Alsalem, einen Bericht vor, in dem es heißt: „Leihmutterschaft ist geprägt von Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen und Kinder. Sie macht den Körper von Frauen zur Ware. Leihmutterschaft ist Sklaverei. Sie muss weltweit verboten und abgeschafft werden.“
Der Bericht kritisiert insbesondere die rechtliche Entmündigung der Leihmütter. Diese unterschreiben Verträge, die den Verzicht auf medizinische Selbstbestimmung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vorschreiben. Zeigt der Embryo etwa eine Behinderung, muss die Leihmutter ihn abtreiben. Will eine Leihmutter das Kind nach der Geburt doch behalten, hat sie kein Recht darauf. Leihmütter haben höhere medizinische Risiken als konventionell Schwangere, wie Frühgeburten und Komplikationen wegen vorausgehender Hormonbehandlungen. Langzeitstudien zur Entstehung von Krebs infolge der Hormonbehandlungen gibt es bislang keine.
Fokus auf den Bedürfnissen der Wunscheltern
Auch das Frauen-Netzwerk „BPW Germany“ in Köln prangert die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Leihmutterschaft für Frauen an. „Zur medizinischen oder rechtlichen Seite können wir nicht Stellung beziehen, aber Leihmutterschaft, auch in altruistischer Form, verlagert den Fokus auf die Bedürfnisse der Wunscheltern und blendet die ökonomischen, gesundheitlichen udn rechtlichen Folgen für die Leihmütter weitgehend aus“, sagte BPW-Präsidentin Nyelete S. Goncalves Chilenge.
Mit Blick auf die Kölner Messe dränge sich angesichts des Verbots der Leihmutterschaft in Deutschland die Frage auf, warum Werbung für weitestgehend ausländische Kliniken angeboten werden könne. „Statt Leihmutterschaft im Ausland zu fördern, braucht es hier faire Strukturen: gerechten Zugang zu Adoption und In-Vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung) für alle, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Rahmenbedingungen, die Frauen wirtschaftlich eigenständig bleiben lassen.“ Neun von zehn Leihmutterschaften weltweit seien kommerziell. Mit Gleichstellung und Parität habe das wenig zu tun, so die Kölner BPW-Präsiden tin.
Umsatz soll bis 2033 weltweit 100 Milliarden Dollar erreichen
Der globale Markt für Leihmutterschaft wurde 2023 auf fast 15 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2033 sollen 100 Milliarden Dollar erreicht sein. Leihmütter erhalten in der Regel zwischen zehn und 25 Prozent der Gesamtzahlung. Die kann in der Ukraine bei 30.000 Euro liegen oder in den USA bei 120.000 bis 250.000 Dollar. Der größte Teil des Geldes geht an Agenturen, Kliniken und Anwälte. Messen wie „Wish for a Baby“ bewerben also eine Ware im Wert eines Neuwagens oder eines Einfamilienhauses.
Auch für die Veranstalter dürfte die Messe lukrativ sein. Marcus Sartory, Geschäftsführer der Sartory-Säle, sagte auf Anfrage: „Wir meinen, dass in diesem Themenkreis vor allem gesellschaftliche Sensibilität, Hilfe und Unterstützung gefragt sind. Demonstrative Anfeindungen gegenüber den Hilfesuchenden halten wir in diesem Zusammenhang für besonders pietätlos.“
Vertreter der Messe, wie Event Director Christine Schmidt von „FiveSensesMedia“ oder Aussteller wie das San Diego Fertility Center, haben auf die Bitte um Stellungnahme nicht reagiert.
Die „Frauenheldinnen“ und „Lasst Frauen sprechen“ sowie Männer der Initiative „Just Gay Germany“ wollen am Samstag vor den Sartory-Sälen gegen die Messe demonstrieren – sofern sie noch stattfindet.