Kölner Professor bei „Hart aber fair“„Corona-Warn-App ist eine Investitionsruine“

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Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther

Köln – Neuer Montag, neue Corona-Maßnahmen. Da lässt es sich Frank Plasberg pünktlich zum Start der Ausgangssperre in manchen Kommunen und Bundesländern nicht nehmen, bei „Hart aber fair“ mit seinen Gästen über den Sinn hinter der Lockdown-Verlängerung und den verschärften Maßnahmen zu sprechen. Alles unter dem Titel: „Länger, härter, einfallsloser: Wie sinnvoll ist der Dauerlockdown?“.

Die Gäste

  • Malu Dreyer (SPD), 
  • Prof. Alexander Kekulé, 
  • Susanne Gaschke, 
  • Dr. Cihan Çelik, 
  • Prof. Michael Hüther, 

Das Thema

Im Prinzip reicht der erste Einspieler der Sendung, um den Grundton des Abends zu setzen. Es werden O-Töne von Menschen aus Essen eingespielt, die sich alle einig sind: Die Maßnahmen drücken spürbar aufs Gemüt. „Mein Highlight ist der tägliche Besuch bei Aldi“, sagt ein Mann, „Der Glascontainer ist voller als sonst, ich habe das Gefühl die Leute trinken mehr“, sagt eine weitere befragte Frau. Da kann selbst SPD-Politikerin Malu Dreyer, die noch am ehesten die Maßnahmen verteidigt, nicht widersprechen: „Ich kenne kaum jemanden, der keine negative Assoziationen zur derzeitigen Situation hat.“

Dr. Cihan Çelik, selbst schwer von einer Covid-19-Erkrankung betroffen, kann die Stimmung nicht wirklich aufhellen und erklärt, auf seiner Station sei es bei den Patienten noch immer nicht sicher, wie sie sich angesteckt hätten und wie genau die Infektionsketten aussähen. Moderator Plasberg und seine Gäste sind sich also grundsätzlich einig: Die Maßnahmen sind nervig, der Sinn dahinter ist nicht in allen Fällen zwingend nachvollziehbar. Eigentlich keine gute Grundlage zur Diskussion.

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Aber gut, die Sendung geht ja zum Glück nicht nur 15 Minuten und Journalistin Susanne Gaschke hat es sich zur Aufgabe gemacht, das aus ihrer Sicht wahre Problem auf die Agenda des Abends zu schreiben: Das Versagen bei der Impfstrategie. Malu Dreyer widerspricht prompt: „Wir impfen so gut es geht und die Ansteckungsraten in Alten- und Pflegeheimen sind beispielsweise sehr niedrig“, sagt sie, angesprochen auf die vielen Todesfälle, die es nach wie vor bei älteren Patienten und Patientinnen gibt. Virologe Kekulé nickt zustimmend, auch Oberarzt Dr. Çelik sieht durch das Impfen die einzige Möglichkeit, „die Krankenhäuser wieder auf einen Normalbetrieb zu bekommen“.

Der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Prof. Michael Hüther springt ein wenig auf Gaschkes Seite, hinterfragt die Maßnahmen deutlich und wundert sich, inwiefern man den nachvollziehen könne, welche Maßnahmen wirken und welche nicht. „Man muss doch mal die Modelle überprüfen und hinterfragen, warum diese nach drei Wochen nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben.“ Auch die Corona-Warn-App hält er nicht für einen Erfolg, bezeichnet sie als „Investitionsruine.“ „Sie hat null Wert. Sie erleichtert uns die Nachverfolgung nicht, weil uns der Datenschutz wichtiger ist als alles andere. Was bringt es, wenn ich den ganzen Tag zuhause sitze? Dann ist es doch logisch, dass sich in der App nichts ändert.“

Nachdem sich die ersten kleinen Lager in der Fünfer-Runde gebildet haben, bleibt die Diskussion beim Inzidenzwert hängen. Wann sollte es wieder Lockerungen geben? Wie sollten diese aussehen. Susanne Gaschke, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen die Bundesregierung zu schießen, wirft dieser vor „sich manchmal nur von den Leuten beraten zu lassen, die ihre Ansichten teilen. Man kann nicht das eigene Versagen immer auf die Gesellschaft abwälzen.“

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Bei „Hart aber fair“ ging es um den Corona-Lockdown.

Virologe Kekulé glaubt, dass uns die „Corona-Viren und etwaige Mutationen noch lange beschäftigen werden. Aber er sehe keinen Grund darin, „das Land langfristig herunterzufahren.“ Auch rechne er mit keiner schweren Welle im Herbst und beruhigt damit Hüther, der sich angesichts der aktuellen Maßnahmen ein wenig in Rage redet und von Plasberg mehrmals unterbrochen werden muss. Auch Malu Dreyer findet deutliche Worte für den Kölner Wirtschaftswissenschaftler: „Es ist ja nicht so, dass irgendein Wissenschaftler irgendeine Zahl nennt und wir uns blind daran halten.“

Letzter Punkt des Abends: Die Impfstrategie und der Sinn dahinter. Hüther verteidigt ausnahmsweise mal die Strategie der Bundesregierung, findet es gut, dass zuerst die Älteren geimpft werden. Journalistin Gaschke dagegen stört es, dass es keine Diskussion zum Thema im Bundestag gab. „Die Parlamente entmächtigen sich ein Stück weit selbst. Ich hätte es gut gefunden, wenn man den aktuellen Stand in der Gesellschaft mal abgefragt hätte.“

Das Einzelgespräch

Anschließend bittet Plasberg Dr. Çelik zum Einzelgespräch. Çelik lag mit einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation, er reagiert empört auf einen Einspieler einer Anti-Corona-Demo aus Berlin: „Ich empfinde das als respektlos gegenüber den Menschen, die schwer mit der Krankheit zu kämpfen haben. Aber ich möchte mich darüber eigentlich nicht aufregen.“ Çelik macht einen ruhigen Eindruck, versucht immer, zwischen den emotional diskutierenden Gaschke und Hüther und den ruhigeren Dreyer und Kekulé zu moderieren.

Der Moderator

Plasberg gibt sich am Montagabend für seine Verhältnisse ruhig, lässt seinen Gästen an den richtigen Stellen Raum zur Diskussion und bremst Hüther, wenn dieser zu seinen Monologen ansetzt und droht sich in Rage zu reden. Einziger Minuspunkt: Im Einzelgespräch mit Dr. Çelik wird er ein wenig boulevardesk, drückt das Gespräch immer wieder in Richtung persönliche Erkrankung des Oberarztes statt mit ihm über die Maßnahmen zu diskutieren.

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