„Hart aber fair“ zu Corona-ImpfstoffenSchräger Zombie-Zwischenruf von Boris Palmer

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Haf Boris Palmer

Boris Palmer bei „Hart aber fair“

Fast ein Jahr leben wir nun in einer Pandemie. Zeit, dass sich die Lage verbessert. Und Hoffnung ist tatsächlich auf dem Weg: Mit den ersten Meldungen über erfolgreiche Impfstoffstudien. Ein Impfstoff könnte die Pandemie ein weites Stück aus dem Rampenlicht verdrängen, in dem sie gerade unser Leben bestimmt.

Doch es gibt noch Fragen. Viele offene Fragen. Mit seinen Gästen versuchte Moderator Frank Plasberg am Montagabend in seiner Sendung „hart aber fair“, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Die Gäste

Die Politik ist in der Runde durch zwei Personen vertreten. Auf der einen Seite durch Karl-Josef Laumann. Der CDU-Politiker ist Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales in Nordrhein-Westfalen.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, steht derweil für die Grünen im Studio. Das Verb ist in diesem Fall sogar wörtlich zu nehmen, liegt laut Palmers Aussage aber an Rückenproblemen. Und nicht an den Nebenwirkungen einer Impfstoffstudie, an der er teilgenommen hat.

Gegen Ende steht auch Laumann auf. Ob der Rücken, eine Studie oder etwas anderes Schuld ist, bleibt an diesem Abend offen.

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Zu Gast bei Frank Plasberg: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Prof. Dr. Eva Hummers, Mitglied der Ständigen Impfkommission, Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und Prof. Dr. Monika Sieverding, Gesundheitspsychologin an der Uni Heidelberg (v.l.)

Auf der Seite der Wissenschaft sitzen Prof. Dr. Eva Hummers, Allgemeinmedizinerin und Mitglied der Ständigen Impfkommission, sowie Gesundheitspsychologin Prof. Dr. Monika Sieverding.

Die Runde wird komplettiert durch Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, bekannt unter anderem durch die langjährige Moderation der WDR-Sendung „Quarks & Co“. Dass er das eine lange Zeit getan hat, blitzt kurz durch, wenn Yogeshwar weit ausholt und in gestikulierend in die Kamera schaut. Seine stoische Ruhe täte sicher jeder Talkrunde gut.

Listen mit Impfprioritäten sind noch weit entfernt

In genau dieser Ruhe nimmt Yogeshwar dann auch gleich zu Beginn der Sendung die ganz große Hoffnung auf eine schnelle Bewältigung der Pandemie durch eine ebenso schnelle Impfung. Das werde noch dauern. Karl-Josef Laumann spricht von einer „großen logistischen Aufgabe“. Der Minister stapelt tief. Hoffnung ja, schnelle Lösung nein.

Vieles ist noch in der Schwebe. Zum Beispiel, wer überhaupt zuerst geimpft werden darf. Dass bislang ausreichend Zeit war, sich in dieser Hinsicht um Prioritäten zu kümmern, behauptet Plasberg nicht zu Unrecht. Laumann verdribbelt sich als Antwort darauf in Gedankenspielen, man könne „mal ganz realistisch da ran gehen“, Risikogruppen könne man über Krankenkassen identifizieren, Listen von Lehrern lägen vor.

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Viel Konjunktiv. Wobei Boris Palmer zurecht einwirft, dass eine Erstellung von konkreten Listen, wer denn zuerst geimpft werden dürfe, noch gar nicht möglich sei, da die Auswirkung auf zum Beispiel alte Leute noch gar nicht weitreichend genug erforscht sei.

Sicher ist nur: Um die Pandemie vollständig in den Griff zu bekommen, müssen „deutlich über 60, vielleicht sogar 80 Prozent“ der Bevölkerung geimpft sein, sagt Eva Hummers.

Überzeugung gegen krude Social-Media-Meldungen

Einig sind sich soweit alle: Wenn es möglich ist, sollten die Risikogruppen zuerst geimpft werden. Doch wer zählt eigentlich zu dieser Risikogruppe? Das lässt sich eben nicht genau sagen, betont Hummers. Ebenfalls nicht ganz durchsichtig: Die Maßnahmen der Politik.

Yogeshwar konfrontiert Laumann direkt mit dieser Kritik, wollte vor kurzem nach Luxemburg, wurde aber aus Dokumenten der Landesregierung nicht schlau, ob und wie das nun erlaubt sei.

Noch bevor der CDU-Politiker antworten kann, würgt Plasberg diese Diskussion aber im Keim ab. Es geht wohl zu weit weg vom Sendungsthema Impfstoff. Redaktionell verständlich, dramaturgisch nicht.

Ein großes Thema der 75 Minuten sind auch diejenigen, die sich gegen eine Impfung stellen. Monika Sieverding zitiert Studien, laut denen Impfgegner nicht sehr viele seien – auch wenn sie sehr laut seien. Boris Palmer spricht von Überzeugung, vereinfacht stark.

So wollten die sich selbst Querdenker nennenden Gegner von Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus doch auch nicht mehr mit Maske herumlaufen. Ob die Maske aber im Schrank oder im Müll landet, sobald der Großteil der Menschen geimpft ist, da sind sich Eva Hummers und auch Ranga Yogeshwar gar nicht so sicher.

Und auch in die andere Richtung könnte es Entwicklungen in der Stimmung geben, warnt Yogeshwar. Sobald die Impfung da sei, sei er sich sicher, dass es in Sozialen Medien zu krummen Meldungen über beispielsweise Nebenwirkungen kommen werde.

Gesundheitspsychologin Sieverding nimmt hier vor allem die Medien in die Pflicht. Im Kern sicherlich richtig, auch wenn sie sich bei diesem Thema zugespitzt etwas verrennt und von Plasberg ausgebremst werden muss.

„Jedes Medikament hat ein Risiko“

Dann lässt Plasberg Ranga Yogeshwar kurz zurück auf seine altbekannte Spielwiese, er darf erklären, wie ein Impfstoff funktionieren könnte. Das tut er in gewohnt logischer „Quarks & Co“-Manier. Ob es Boris Palmers Erklärung danach, dass Menschen durch den Impfstoff nicht zu Zombies mutieren würden, noch gebraucht hätte, ist eine Frage für Horrorfilm-Regisseure.

Unbegründet ist die Skepsis gegenüber einem Impfstoff aber nicht, wie „Hart aber fair“ mit einem Einspieler über die Schweinegrippe-Impfung erinnert. Damals hatten Geimpfte immer wieder Nebenwirkungen, schliefen unter anderem immer wieder ein. „Ich finde, wir müssen mit Menschen ehrlich sein“, sagt Yogeshwar.

Plasbergs Problem mit dem Gender-Sternchen

„Jedes Medikament hat ein Risiko, selbst eine Kopfschmerztablette.“ Wichtig sei, darüber offen zu sprechen. „Wahrhafte Kommunikation gegen Zweifel.“ Das widerspricht allen Aussagen, die einen Impfstoff mit einem erfolgreichen Ende der Pandemie gleichsetzen. Und jedweden Verkürzungen in diese Richtung. Durchaus eine kleine Spitze gegen die Politik – auch gegen Laumann.

Dass beim Thema „Angst vor der Impfung“ auch wieder die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Gestalt von einer Mischung aus Fakten und Vorurteilen beurteilt werden müssen, sagt leider weniger über die Corona-Pandemie und Impfstoffe und mehr über den Status Quo von deutschen Talkshows aus. Plasbergs Gender-Stolperer („Wie sagt man heute?“) beim Gang zu den Zuschauerfragen festigt dieses Bild.

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