Letzte Spielzeit im SchauspielSo verabschiedet sich Stefan Bachmann von Köln

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21.04.2023, Offenbach im Carlswerk, Köln-Mülheim: Der Intendant des Schaupiels Köln, Stefan BAchmann stellt den Spielplan 2023/2024 vor. Auf dem Bild (vlnr) Richard Siegal, Künstlerischer Leiter, Thomas Jonigk, Chefdramaturg, Hanna Koller, Kuratorin Tanz und Stefan Bachmann, Intendant. Foto: Christian Festag

Choreograf Richard Siegal ((v.l.), Chefdramaturg Thomas Jonigk, Tanzkuratorin Hanna Koller und Intendant Stefan Bachmann

Schauspiel-Chef Stefan Bachmann stellte in Köln-Mülheim das Programm seiner letzten Spielzeit vor. Es gibt jede Menge Aktuelles, Hochpolitisches – und eine neue, riesige Regentonne.

Es ist das letzte Mal, dass Stefan Bachmann eine neue Spielzeit am Schauspiel Köln vorstellt. Da kann man schon mal sentimental werden. Selbstredend freut er sich auf seine neue Aufgabe als Direktor des Wiener Burgtheaters. Aber der Abschied fällt schwer. Es sei nicht lange her gewesen, sagt Bachmann, dass er mit dem im Februar verstorbenen Jürgen Flimm vor dem Depot stand und auf den Carlsgarten blickte. „So ein Theater, Stefan, wirst du nie mehr im Leben kriegen“, sagte Flimm. 

Ausgerechnet der geplatzte Umzug an den Offenbachplatz im Jahr 2015 erwies sich als Katalysator: Die Zukunft war verbaut, umso besser konnte man sich auf die Gegenwart in Mülheim konzentrieren: „Wir haben hier in einem großen Gefühl von Freiheit gearbeitet“, fasst Bachmann seine Kölner Dekade zusammen.

Diese Gegenwärtigkeit bilde sich auch im neuen Spielplan ab, für den hauptsächlich Chefdramaturg Thomas Jonigk verantwortlich zeichne. Er wird Bachmann nach Wien folgen.

Das sind die Höhepunkte der kommenden Spielzeit:

Für Neugierige

Zum Saisonauftakt setzt sich die chilenisch-palästinensische Regisseurin María F. Giacaman zusammen mit ihrem Kollektiv what about: fuego mit Grenzen, Zäunen und Mauern auseinander. Also mit allem, was uns schützt oder trennt: „Am Anfang war der Zaun“, 1.9., Depot 2.

Tags darauf inszeniert Mina Salehpour – deren Agota-Kristof-Abend „Das große Heft/Der Beweis/Die dritte Lüge“ gerade gefeiert wurde – im Depot 1 „Yazdgerds Tod“. Das Stück des iranischen Dramatikers Bahram Beyzaie um einen toten König und verschiedenen Theorien zu dessen Ableben stammt von aus dem Revolutionsjahr 1979. Jetzt wird es zum ersten Mal auf einer deutschen Bühne gespielt, zum Teil auf Farsi (mit deutschen Übertiteln).

Zu den Uraufführungen gehören auch Werke, die das Schauspiel Köln eigens in Auftrag gegeben hat. Marie Bues führt Regie beim neuen Werk des österreichischen Autors Thomas Köck „Eigentum (Let’s face it, we’re fucked)“ (29.9., Depot 1). Köck hat bereits mehrfach den Mülheimer Dramatikerpreis – die wichtigste Auszeichnung für neue deutschsprachige Stück, gewonnen. Der Intendant selbst inszeniert „Akins Traum“ von Akın Emanuel Şipal (23.2., Depot 1). Der Autor aus Essen erzähle darin mit Witz und Leichtigkeit die Geschichte des Osmanischen Reiches.

Für Lesefreunde

Marie Schleef bringt Cho Nam-Joos Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ auf die Bühne (14.10., Depot 2), der internationale Bestseller erzählt von einem ‚schmerzhaft normalen Frauenleben‘. Pınar Karabulut adaptiert nun endlich Franz Kafkas „Der Prozess“, die Produktion musste aufgrund einer Erkrankung von dieser in die nächste Spielzeit wandern (30.11., Depot 1). Bastian Kraft nimmt sich Heinrich Bölls Klassiker „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ an, übrigens die ideale Ergänzung zu Benjamin von Stuckrad-Barres „Noch wach?“ (26.1., Depot 1).

Für sein Buch „Die letzten Männer des Westens“ hat Autor Tobias Ginsburg rechte Männerbünde nach Art von Günter Wallraff unterwandert. Für Köln hat Ginsburg zusammen mit Sibylle Dudek eine Spielfassung erstellt, Hausregisseur Rafael Sanchez inszeniert (22.3., Depot 2).

2022 wurde Emine Sevgi Özdamar mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt. Angefangen hat die Autorin aber als Schauspielerin. In ihrem autobiografischen Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ hat sie ihren Lebensweg von Istanbul nach Berlin, von der Diktatur ins Exil, nachgezeichnet. Nuran David Calis („Die Lücke“, „Mölln 92/22“) führt Regie (8. Mai, Depot 2).

Für Krimifans

„19 Stunden täglich“, heißt es im, Programmheft, „werden im deutschen Fernsehen Morde verübt und Verdächtige verhört.“ Die Autorin Nele Stuhler ermittelt unter dem sehr lustigen Titel „Soko Tatort“ direkt im Krimisuchtmilieu der Zuschauer. Die Regie übernimmt sie selbst, das Schauspiel Köln stellt „Tatort“-erfahrene Schauspieler (7. 12., Depot 2).

Und die Klassiker?

Sind in der Tat rar gesät. Thomas Jonigk setzt mit Henrik Ibsens „Gespenster“ die Auslotung menschlicher Beziehungsabgründe fort, die er in dieser Spielzeit mit Martin Crimps „Wenn wir einander ausreichend gequält“ haben begonnen hat (1.2., Depot 2). Der große publikumsfreundliche Hammer kommt aber zum Schluss: Jan Bosse inszeniert unter Beteiligung großer Teile des Ensembles Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. Gespielt wird ab dem 17. Mai en suite, das heißt am Stück. Durch die ausbleibenden täglichen Umbauten sollen die Gewerke Zeit für den Umzug an den Offenbachplatz gewinnen.

Und der Tanz?

Glänzt einmal mehr mit großartigen Gastspielen, unter anderem kehren Guy Nader und Maria Campos, Peeping Tom und Wim Vandekeybus’ Company Ultima Vez nach Köln zurück. Hanna Koller hat aber auch hierzulande noch unbekannte Talente ausgemacht, etwa Botis Seva, einen jungen Londoner Choreografen mit angolanischen Wurzeln, oder Oona Doherty, Tanzshootingstar aus Belfast.

Richard Siegal, Chef des ans Schauspiel angedockten Ballet of Difference wird mit „Noise Signal Silence“ einen Abend aus drei Schlüsselstücken präsentieren, die er zur Musik Alva Notos für das Bayerische Staatsballett und das Staatsballett Berlin kreiert hat (27.10., Depot 1).

Wie wird die Ära Bachmann enden?

Mit einem Abschiedsreigen bis zum 9. Juni. Dessen Details werden erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Mit dabei ist das junge Festival Britney, auch sollen ganz neue Orte auf dem Carlswerk bespielt werden. Zuletzt wurde am Haus ein Tank aufgebaut, der 12 000 Liter Regenwasser fasst. Über eine Sprinkler-Anlage kann sich so der Carlsgarten selbst begießen. „Damit“, sagt Stefan Bachmann, „einer Nachnutzung des Geländes nichts im Wege steht.“

In einer früheren Version hatten wir behauptet, dass sich Richard Siegal mit seiner Arbeit „Noise Signal Silence“ aus Köln verabschieden wird. Das ist nicht der Fall.

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