Museen wieder offenWo Frauen Philosophen auspeitschen dürfen

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„Aristoteles und Phyllis“ (1588-92) von Pieter de Jode d. Ä.

Köln – In Albrecht Dürers Kupferstich „Der Sündenfall“ aus dem Jahr 1504 trennt noch der Baum der Erkenntnis Adam und Eva. Zielgenau gewachsene Blätter bedecken ihre jeweilige Scham. Für die sie sich noch gar nicht schämen müssten: Eva nimmt eben erst den Apfel von der um Stamm und Ast gewundenen Schlange entgegen.

Im Wallraf-Richartz-Museum gibt es nun – in der neuen Kabinett-Ausstellung „Eros, Macht und Ohnmacht: Judith, Omphale & Co.“ – ein ganz anderes Dürer-Blatt zu entdecken. Dieser sechs Jahre später entstandene Holzschnitt-Sündenfall zeigt die Paradiesbewohner als eng umschlungenes Liebespaar.  Zärtlichkeiten, erzählt Kuratorin  Anne Buschoff, die eigentlich weltlichen  Darstellungen vorbehalten waren.

In Hans Sebald Behams kleinformatigen Kupferstich (1543) daneben greifen Adam und Eva gar gleichzeitig nach der verbotenen Frucht: Die Schuld verteilt sich gendergerecht.

Lust aufs lockende Weib

Das bleibt die Ausnahme: Das Gros bildender Künstler  schloss sich der misogynen Interpretation des Kirchenvaters Augustinus an: Weniger um die Unterscheidung zwischen Gut und Böse geht es in der Genesis-Geschichte, als um den Willen des Mannes, der von der Lust aufs lockende Weib gebrochen wird.

Im Stich „Die Buße des hl. Johannes Chrysostomos“ (1509) von Lucas Cranach d. Ä. sehen wir den späteren Erzbischof von Konstantinopel im rechten Mittelgrund des Bildes auf allen vieren davon kriechen: Eine schöne Kaiserstocher hat ihn aus seinem keuschen Eremitenleben aufgeschreckt. Er vergewaltigt sie und  wirft sie anschließend einen Felsen hinab. Seine selbst auferlegte Buße sieht vor, des aufrechten Ganges zu entsagen und wie ein Tier zu leben.

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Der vom eigenen Begehren erniedrigte Mann begegnet uns im Kupferstich „Aristoteles und Phyllis“ (1588-92) von Pieter de Jode d. Ä. wieder:  Die schöne Phyllis rächt sich am Philosophen, der ihre Liebschaft mit seinem Schüler Alexander  (der Große) unterbunden hat,  in dem   sie den Mann des Geistes verführt. Schlafen will sie nur mit ihm, wenn er sich von ihr satteln und reiten lasse.

De Jode zeigt diesen Vorfahren von Heinrich Manns Professor Unrat, wie er hochnotpeinlich zwischen Studiertisch und -stube robbt, während die nackte Schöne auf seinem Rücken die Peitsche schwingt. Der Flame hat den Stich mit allerlei Anspielungen auf Sirenengesänge und ähnliches ergänzt – nur damit klar ist, dass das Blatt der Warnung dient, und nicht etwa der Feier der starken Frau.

Barocke Drastik

Etwas komplizierter liegt der Fall bei den wehrhaften Frauen des Alten Testaments, Judith, Jaël und Delila. Auch hier erliegen mächtige Männer weiblicher Verführungskunst, doch handelt etwa Judith, die den feindlichen Feldherrn Holofernes betrunken macht, um ihn mit seinem Schwert zu enthaupten, im Auftrag des Herrn.

Das macht Cornelius Galles Kupferstich nach einem verschollenen Gemälde Peter Paul Rubens’ überdeutlich. Mit verschworenen Schutzengeln, die die Szenerie umkreisen,  und göttlichen Strahlen, die auf die Rächerin ihres Volkes fallen. Die führt das Schwert mit der Ungerührtheit des Metzgers. In barocker Drastik spritzt das Blut aus dem schon halb durchtrennten Feldherrenhals.

Schöne Witwe

Hans Sebald Beham zeigt Judith in seinem Stich (1531/35) dagegen nach vollbrachter Tat, den Kopf in der linken Hand hochhaltend, das Gesicht hat sie mit angewidertem Ausdruck abgewandt. Doch Behams schöne Witwe ist unbekleidet,  ein klarer Hinweis darauf, was dem Akt vorangegangen war  (in der Bibel ist davon keine Rede). In einer späteren Kopie   ist jeder Grimm aus ihrem Gesicht gewichen: Aus der Heldin ist ein  – scheinbar! – harmloses Pin-up geworden.

Auch die profanen Motive der Schau zeugen von tiefer männlicher Verunsicherung. Der Stich „Die Umarmung“ (1503) zeigt auf den ersten Blick einen  heimgekehrten Mann, der seine Frau umarmt. Auf den zweiten aber, sagt Anne Buschoff, wirkt der Mann allzu galant, die Frau zu aufreizend gekleidet, deuten einige Gegenstände des Interieurs auf eine Verführungsszene hin, andere gar auf Hexenkunst.

Panik vor der Frau

Die Umarmte ist nicht ganz geheuer und der Weg zur Fin-de-Siècle-Panik vor der totalen Vereinnahmung durch die Frau nicht weit. Ihr hatte sich der zweite Teil der Liebestrilogie mit einer Gegenüberstellung von Edward Munch und Max Klinger gewidmet.

Selbst der die Ausstellung abschließende Pantoffelheld aus Honoré Daumiers humoriger Lithographie-Serie „Ehesitten“ von 1843 warnt noch ganz ernst vor der Entmachtung durch die blaustrümpfigen Töchter Evas. Irgendwie können sie einem auch leid tun, diese Männer mit ihren Apfelneurosen.

„Eros, Macht und Ohnmacht – Trilogie III: Judith, Omphale & Co.“ ist bis zum 30. Mai im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen. Katalog 14 Euro

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