Ab 3. Oktober ist die große Ausstellung mit spektakulären Leihgaben auch aus New York in Köln zu sehen.
Johns, Rauschenberg Co.Mit „Fünf Freunde“ hofft das Kölner Museum Ludwig auf einen Blockbuster

Ausschnitt aus Robert Rauschenbergs Siebdruck „Axle“ (1964), zu sehen in der Ausstellung „Fünf Freunde“ im Kölner Museum Ludwig
Copyright: VG Bild-Kunst
Im deutschen Sprachraum sind die „Fünf Freunde“ als stehender Begriff für eine abenteuerlustige Kinderbande reserviert, die sich in den Büchern der englischen Autorin Enid Blyton auf Schatzinseln tummelt oder an der Küste Schmuggler jagt; der Fünfte im Freundschaftsbund ist übrigens, Sie werden sich vielleicht erinnern, ein aufgeweckter Mischlingshund. Gegen diese selige Reminiszenz an Kindertage konkurriert ab 3. Oktober eine große Ausstellung im Kölner Museum Ludwig. Auch diese führt „Fünf Freunde“ im Titel, meint aber ohne Hund miteinander verbandelte Helden der US-amerikanischen Nachkriegskunst.
Jeder der „Fünf Freunde“ wäre für sich genommen geeignet, Kunstliebhaber auf eine Blyton’sche Felseninsel oder sogar ins Burgverlies zu locken: Jasper Johns, Schöpfer gemalter Flaggen und Zielscheiben, Robert Rauschenberg, Erfinder des „Combine Paintings“, Cy Twombly, Großmeister der Kritzelei, John Cage, Komponist des Zufalls, und Merce Cunningham, maßgeblicher Neuerer des modernen Tanzes.
Bislang wurden lediglich die Pärchen Johns/Rauschenberg und Cage/Cunningham in einem Atemzug genannt, teils, weil sie auch privat liiert waren. Aber wie Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig, in der Ausstellung zeigen möchte, ging der künstlerische Einfluss über diese Zweierbindungen weit hinaus. So fertigten Rauschenberg und Johns Bühnenbilder für Tanzabende Cunninghams, und manche „weiße“, nur andeutungsweise bemalte Leinwand von Twombly, Johns oder Rauschenberg erinnert an Cages Kompositionen, in denen das Hintergrundrauschen der Welt an die Stelle der Musik tritt.
Jasper Johns erhob Banalitäten zu Symbolen einer negativen Welterfahrung
Begründet wurde die künstlerische Freundschaft Anfang der 1950er Jahre am legendären Black Mountain College in North Carolina. Cage lehrte dort, Twombly und Rauschenberg, damals ein Paar, kamen als Studenten an diese entlegene Kunstschule, die heute als eine Geburtsstätte der Nachkriegsmoderne gilt. 1954 lernte Johns seinen späteren Lebensgefährten Rauschenberg kennen, ungefähr zu der Zeit, als er begann, seine ikonischen Werke zu schaffen, von denen einige auch zu den Hauptstücken der Ludwig-Sammlung gehören.
Lange vor Andy Warhol suchte Johns nach Bildern, die nichts Erhabenes mehr hatten, die im Grunde nichts mehr aussagten, weil wir uns an ihren Motiven sattgesehen hatten: das Sternenbanner, eine Zielscheibe oder eine Weltkarte. Er erhob Banalitäten, die man eher an Häuserwänden vermuten würde, zu Symbolen einer negativen, sinnentleerten Welterfahrung – und bereitete die Pop-Art maßgeblich mit vor.
Daneben wirkte Rauschenberg mit seiner Fortschreibung der dadaistischen Montagetechnik beinahe konventionell. Aber er entwertete die Dinge nicht nur, indem er sie scheinbar zufällig miteinander kombinierte, sondern kreuzte auch so konsequent wie niemand zuvor die verfeindeten Gattungen Gemälde und Skulptur. Bei seinem „Bett“, das als spektakuläre Leihgabe aus New York nach Köln kommt, fällt die Materialbeschreibung mit der Bildbeschreibung in eins: „Öl und Grafit auf Kissen, Steppdecke und Laken auf Holzunterlagen“. Auch die Maße passen exakt auf jene harte Pritsche, auf der Rauschenberg zu dieser Zeit in seinem New Yorker Atelier schlief.
Dank solcher Leihgaben hofft Dziewior auf lange Schlangen vor seinem Museum, obwohl oder gerade weil man hier ähnlich prominente Werke tagtäglich in der Sammlung sehen kann. Peter Ludwig schenkte dem Haus mehrere Hauptwerke von Johns und Rauschenberg, darunter mit „Soundings“ eine Arbeit, die so groß ist, dass sie im Münchner Museum Brandhorst, der ersten Station der Ausstellung, nicht gezeigt werden konnte. Gemeinsam mit Mitgliedern der Eat-Gruppe (Experiments in Arts and Technology) entwarf Rauschenberg eine elf Meter breite und 2,44 Meter hohe Spiegelwand, die für Sekunden zum lichtdurchlässigen Schaufenster wird, sobald der Lärmpegel hoch genug steigt.

John Cage, Merce Cunningham und Robert Rauschenberg in London 1964
Copyright: Victoria and Albert Museum, L; Douglas H. Jeffery
Möglich machen diesen Effekt baumelnde Mikrofone, die bei ausreichendem Krach etliche Leuchten hinter der Plexiglasscheibe aufblitzen und Stuhlreihen sichtbar werden lassen. Gerade bei diesem Werk ist das Erbe von John Cage kaum zu übersehen, auch wenn dieser wohl weniger Aufwand betrieben hätte, um die Geräusche des Alltags in ein anderes Medium zu übertragen.
„Soundings“ ist in Köln gemeinsam mit anderen Großformaten im „Heldensaal“ zu sehen. In dessen Mitte steht eine Bühne, auf der (außerhalb des regulären Ausstellungsbetriebs) eine Hommage an Cunningham aufgeführt wird – mit „Soundings“ und einer riesigen, von Johns in 22 Teile aufgefalteten Weltkugel als Bühnenbild. Auf diese Weise findet auch der Tanz prominent in die Ausstellung. Ansonsten muss sich Cunningham im Ludwig (wie auch Cage) mit einer Nebenrolle begnügen.
Aus München kommen etliche Arbeiten von Cy Twombly
Aus München kommen etliche Arbeiten von Cy Twombly. Er öffnete den abstrakten Expressionismus für die Kritzelei und spaltete mit seinen von schmutzigen Hauswänden mitunter kaum zu unterscheidenden Gemälden lange Zeit die Kunstwelt. Heute taugt er weiterhin zum Bürgerschreck für konservative Besucher, die ansonsten mit vielem, das mal avantgardistisch war, ihren Frieden gemacht haben.
Aber unter welchen Begriff will man diese künstlerische Freundschaft fassen? Die wenigen Übereinstimmungen scheinen die vielen Unterschiede eher zu betonen. In seinem Katalogbeitrag widmet sich Yilmaz Dziewior der in der Kunstgeschichte lange verdrängten oder verschwiegenen Homosexualität der fünf Freunde. Belege dafür findet er vor allem in den USA, aber auch in Karl Ruhrbergs 1998 neu aufgelegter „Malerei des 20. Jahrhunderts“ steht lediglich der verschämt anmutende Hinweis, Johns und Rauschenberg hätten eine Zeitlang im selben Haus gewohnt. Beide Künstler legten allerdings selbst großen Wert darauf, ihre Liebe geheim zu halten. In einem späten Interview, das Dziewior zitiert, meinte Rauschenberg, der Ruhm habe ihre Beziehung zerstört, weil er zu viel Aufmerksamkeit auf ihn und Johns gelenkt habe.
Dziewior stellt hier die naheliegende Frage, wie sich die in der Nachkriegszeit geächtete Homosexualität von Johns und Rauschenberg in deren Werken zeigte – entweder offen oder versteckt. Da sich beide Künstler dazu niemals geäußert haben, bleibt es bei Mutmaßungen und Indizien. So sieht Dziewior in sexuell aufgeladenen Bildtiteln, die mit der Doppeldeutigkeit von „cock“ und „balls“ spielen, eine ironische Aneignung des machohaften Mal- und Lebensstils, den etwa Jackson Pollock, Großmeister des Abstrakten Expressionismus, in der New Yorker Kunstszene etablierte. Vielleicht ist auch Rauschenbergs ungemachtes „Bett“ mehr als es auf den ersten Blick erscheint: eine heimliche Liebeserklärung an den Hausgenossen Johns.