Nachruf auf den Comedian Carl ReinerDas Pokerface im Angesicht des Absurden

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Carl Reiner

Carl Reiner

„Wenn du im dramatischen Fach versagst“, sagt Carl Reiner, „ist dir das oft noch nicht einmal bewusst. Aber wenn du Komödie spielst und niemand lacht, dann weißt du, dass du versagt hast.“

Reiner hat den größten Teil seiner 98 Erdenjahre damit verbracht, Komödie zu spielen, schreiben und filmen. Versagt hat er selten. In Deutschland kennt man eher seinen Sohn Rob, Regisseur von „Stand by Me“ und „Harry und Sally“, man kennt sogar eher Estelle, die Liebe seines Lebens, mit der Reiner 64 Jahre lang, bis zu ihrem Tod 2008, verheiratet war – weil ihr Sohn ihr die beste Dialogzeile in „Harry und Sally“ geschenkt hat, als sie nach Sallys vorgetäuschtem Orgasmus im Restaurant den Kellner instruiert: „Ich will genau das, was sie hatte.“

Doch das Gefühl für das richtige Timing hatten sich Sohn und Ehefrau von Carl abgeschaut, den sein erster TV-Comedy-Partner Sid Caesar als den besten „straight man“ bezeichnete, mit dem er jemals gearbeitet habe. Der „straight man“ fungiert als Stichwortgeber für die Kapriolen seines Partners, je unberechenbarer dessen Verrücktheiten, desto unverrückbarer muss sein Gesicht bleiben.

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Seine Erfahrungen an der Seite Caesars verarbeitet Reiner Anfang der 1960er in einer Sitcom. In der Pilotfolge spielt er sich noch selbst, doch erst als man den Filmstar Dick van Dyke für die Hauptrolle verpflichtet, wird die Serie zu einer der prägenden ihres Genres. Reiner gastiert fortan als schikanöser Boss in der „Dick van Dyke Show“.

Zur gleichen Zeit bildet er ein Comedy-Duo mit Mel Brooks. Auch hier als „straight man“, der dem angeblich 2000 Jahre alten Brooks die absurdesten Fragen stellt, zu denen dieser dann improvisiert. Das Duo bleibt befreundet, trifft sich bis zuletzt jeden Abend in Reiners Villa in Beverly Hills, schaut fern und reißt Witze. In Hollywood ist Reiner ein gefragter Nebendarsteller, in Soderberghs „Ocean’s“-Trilogie ist er als alternder Betrüger Saul Bloom zu sehen, im vierten „Toy Story“ hört man ihn als „Carl Reineroceros“. Doch der Höhepunkt seines komödiantischen Schaffens gelingt ihm als Regisseur: Seine vier Filme mit Steve Martin, darunter „Reichtum ist keine Schande“ und die Film-noir-Hommage „Tote tragen keine Karos“ gehören zu den wunderbar absurdesten Werken, die je auf Zelluloid gebannt wurden, auch hier lieferte er den perfekten Pokerface-Kontrast zu Martins Wahnsinn. Carl Reiner ist in der Nacht auf Dienstag im Alter von 98 Jahren gestorben.

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