Negativ-Preis für Jan BöhmermannWie Alice Schwarzer ihr Geschlecht in Geiselhaft nimmt

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11.09.2023, Nordrhein-Westfalen, Köln: Jan Böhmermann, Moderator und Journalist, spricht während eines Interviews mit der dpa in seinem Büro in den Räumen von Studio Ehrenfeld.

Jan Böhmermann ist von der „Emma“ zum „Sexist Man Alive“ ernannt worden.

Die „Emma“ hat den ZDF-Moderator zum „Sexist Man Alive“ erklärt. Das ist bei der großen Auswahl realer Sexisten läppisch und rachsüchtig.

Als Alice Schwarzers feministisches Magazin „Emma“ 2019 den Negativpreis „Sexist Man Alive“ ins Leben hob, schien das zunächst einmal eine sehr gute Idee, einen solchen konnte man ja ruhig einmal klar und deutlich benennen. Der zum Verlesen einladende Titel war ein Glücksgriff, ebenso wie der erste Preisträger: Der männerbündlerische, frauenverachtende und homophobe Rapper Kollegah hatte gewissermaßen seine gesamte Karriere lang auf diese Auszeichnung hingearbeitet.

Seitdem ist die Preisvergabe jedoch gewaltig ins Trudeln geraten. Jetzt darf sich Jan Böhmermann in die Liste der Gedissten einreihen und befindet sich neben früheren „Sexist Man“ wie Sascha Lobo und Papst Franziskus eigentlich in bester Gesellschaft. Ob mit Böhmermann jedoch bereits der „Gipfel aufgeblasener Männlichkeit“ erreicht ist, wie die „Emma“ konstatiert, das erscheint doch sehr fraglich. Rechthaberisch, klar, das mag er sein, das gehört zum Berufsbild des Satirikers dazu und manchmal kommt er auch ein wenig arg selbstgefällig daher. Aber mit seinem Männlichkeitsbild hat das doch eher wenig zu tun. Und sexistisch?

Ist Jan Böhmermann wirklich schon der „Gipfel aufgeblasener Männlichkeit“?

In ihrer „Laudatio“ arbeitet sich die „Emma“ mit einer derart überdrehten Häme an dem ZDF-Moderator ab, dass man sich fragt, was noch übrig bleibt, wenn das Magazin einmal Mohammed bin Salman, Andrew Tate oder Wladimir Putin zum „Sexist Man Alive“ ernennen sollte. Ach nein, mit dem müssen ja noch ganz dringend Friedensgespräche geführt werden.

Jan Böhmermanns berüchtigtes „Schmähgedicht“ – auch das wird noch einmal aus der Mottenkiste gezogen und absichtsvoll missverstanden – ist dagegen sachliche Kritik. Was soll's. Jan Böhmermann hat die „Emma“ mit dieser Laudatio sicherlich eine große Freude bereitet: Ein „Demagoge“ sei er, ein „Biedermann und Brandstifter, der von den Gebühren der Öffentlich-Rechtlichen fett gefüttert wird“. Das ist der Sound der AfD.

Böhmermanns eigentliches Verbrechen? Er hatte es gewagt, in einer seiner Sendungen zu behaupten: „Transfrauen sind Frauen. Basta!“ Und Alice Schwarzer, die da ganz anderer Ansicht ist, als „eine ganz normale 80-Jährige, die auf ihren letzten Metern gerne hätte, dass alles so bleibt, wie es nie war“ bezeichnet.

Nur darum geht es. Sexist ist, wer Alice Schwarzer widerspricht. Sehr souverän übrigens, wenn man — kaum, dass jemand mal eine Ansicht äußert, die man nicht teilt — gleich ein ganzes Geschlecht für seine privaten Rachefeldzüge in Geiselhaft nimmt. Von dem Schwarzer zuvor genau bestimmt hat, wer überhaupt dazu gehören darf.

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