Im Buchladen Neusser Straße lasen drei Nominierte des Preises der Leipziger Buchmesse. Wer kommen wird, wusste das Publikum vorher nicht.
Preis der Leipziger BuchmesseDiese Übersetzerinnen und Comicautorin lesen im Buchladen Neusser Straße
Literarische Texte ins Deutsche zu übersetzen und dabei die Kunst, die schriftlichen Eigenheiten der Autorin, des Autors beizubehalten, ist eine eigene Herausforderung der Literatur. Ihr wird jedoch häufig wenig Beachtung geschenkt – zumindest, wenn es um Preise und Stipendien geht. Ähnlich steht es um Erzählungen, die in einen Comic verpackt sind. Die Kunstform ist zwar beliebt bei Fans, von Kritikerinnen und Kritikern wird sie jedoch nicht immer ernst genommen.
Dass bei dem „Blinddate mit Buch“ im Buchladen Neusser Strasse genau diese Gattungen einen Raum bekommen, ist deshalb erfreulich. Die Veranstaltung am Donnerstagabend ist Teil der Eventreihe „Your Place To Read – die Leipziger Buchmesse on Tour“. Im Vorhinein wussten Besucherinnen und Besucher nur, dass drei Nominierte des Preises der Leipziger Buchmesse lesen werden. Wer kommen wird, war ein Geheimnis, bis sie sich auf die Stühle vor dem Publikum setzten - ein Blinddate eben.
Und so sitzen in der kleinen, ausverkauften Buchhandlung dann die Comiczeichnerin Birgit Weyhe, die Übersetzerinnen Johanna Schwering und Antje Rávik Strubel und lesen aus ihren nominierten Büchern, die erst an diesem Donnerstag bekannt gegeben wurden. Durch den Abend führt die Moderatorin Mona Ameziane und stellt Fragen zu den Geschichten, aber vor allem zu ihrer Arbeit und den Herausforderungen eben dieser.
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Antje Rávik Strubel hat „Wer hat Bambi getötet“ übersetzt
„Ich versuche, einen zweiten Weg neben dem ersten zu bauen“, erzählt Antje Rávik Strubel. Das heiße, nicht eins zu eins zu übersetzen, sondern Elemente des Originals zu nutzen und zu verarbeiten, schön zu verpacken. Der 48-Jährigen ist es wichtig, das, was sie selbst toll an einem Buch findet, zu vermitteln. Bei dem nominierten Roman „Wer hat Bambi getötet“ von Monika Fageholm, den sie aus dem Finnlandschwedischen übersetzt hat, sei das die „kunstvolle Mündlichkeit“, der Rhythmus gewesen.
Rávik Strubel übersetzt aus dem Schwedischen und Englischen und schreibt auch selbst Romane – für „Blaue Frau“ hat sie 2021 den Deutschen Buchpreis bekommen. Vormittags nimmt sie sich für die eigenen Werke Zeit, nachmittags übersetze sie dann. Diese zeitliche Trennung unterstreicht die inhaltliche.
Johanna Schwering liest aus „Die Cousinen“
Johanna Schwering hingegen übersetzt hauptberuflich. Sie ist mit ihrer Übersetzung von „Die Cousinen“ aus dem Argentinischen für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Der Roman von Aurora Venturini strotzt vor Begriffen aus den 40er Jahren, aber auch Wortneuschöpfungen. „Da musste ich herumfragen, ob man das früher so gesagt hat oder Venturini es sich ausgedacht hat“, erzählt Schwering. Wenn es Neuschöpfungen waren, musste dann eine deutsche Variante erfunden werden.
Eine Übersetzung ist also ebenso Eigenarbeit wie das Verfassen eines eigenen Textes, das würde selten wertgeschätzt, so die 42-Jährige. Mit dem Übersetzenden-Verband versucht sie deshalb momentan Verlage zu motivieren, neben den Namen der Autorinnen und Autoren auch die der Übersetzerinnen und Übersetzer aufs Cover zu drucken. Nun sei es erst einmal wertvoll, dass die Leipziger Buchmesse eine eigene Kategorie dafür hat.
Birgit Weyhe ist mit dem Sachbuch-Comic „Rude Girl“ nominiert
In einer anderen Kategorie ist Birgit Weyhe nominiert. In ihrem Comic „Rude Girl“ erzählt sie die Biografie der afroamerikanischen Germanistik-Professorin Priscilla Layne, „die in so gar keine Schublade passt“, so Weyhe. Die weiße Comicautorin sah sich kurz vor der Bekanntschaft mit Layne mit Vorwürfen der kulturellen Aneignung konfrontiert, weil sie über die Leben von schwarzen Menschen schreibt. Das Sachbuch ist deshalb neben der Biografie auch eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Vorwürfen – mit Anmerkungen von Layne.
All das schreibt Weyhe nicht nur, sondern sie zeichnet auch - „wie ein analoger Dinosaurier mit Tusche und Feder“ - hat also doppelte Arbeit. In der Branche würde das jedoch meistens belächelt, so die 54-Jährige. Die Nominierung in der Kategorie Sachbuch hat für sie deshalb eine ganz große Bedeutung. „Als ich den Anruf bekommen habe, dachte ich, sie haben sich verwählt“, sagt Weyhe.
Die Nominierten des Preises der Leipziger Buchmesse
Belletristik:
- Ulrike Draesner: „Die Verwandelten“ (Penguin Verlag)
- Joshua Groß: „Prana Extrem“ (Matthes & Seitz Berlin)
- Dinçer Güçyeter: „Unser Deutschlandmärchen“ (mikrotext)
- Clemens J. Setz: „Monde vor der Landung“ (Suhrkamp Verlag)
- Angela Steidele: „Aufklärung. Ein Roman“ (Insel Verlag)
Sachbuch/Essayistik:
- Carolin Amlinger, Oliver Nachtwey: „Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus“ (Suhrkamp Verlag)
- Jan Philipp Reemtsma in Zusammenarbeit mit Fanny Esterházy: „Christoph Martin Wieland. Die Erfindung der modernen deutschen Literatur“ (C.H. Beck)
- Regina Scheer: „Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“ (Penguin Verlag)
- Simone Schlindwein: „Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird - und was der Westen damit zu tun hat“ (Ch. Links Verlag)
- Birgit Weyhe: „Rude Girl“ (avant-verlag)
Übersetzung:
- Aus dem Lettischen von Nicole Nau: Zigmunds Skujiņš: „Das Bett mit dem goldenen Bein. Legende einer Familie“ (mare Verlag)
- Aus dem Arabischen von Brigitte Oleschinski und Osman Yousufi: Lina Atfah: „Grabtuch aus Schmetterlingen“ (Pendragon)
- Aus dem Schwedischen von Antje Rávik Strubel: Monika Fagerholm: „Wer hat Bambi getötet?“ (Residenz Verlag)
- Aus dem argentinischen Spanisch von Johanna Schwering: Aurora Venturini: „Die Cousinen“ (dtv)
- Aus dem Französischen von Katharina Triebner-Cabald: Max Lobe: „Vertraulichkeiten“ (akono Verlag)