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Oper „Béatrice et Bénédict“Kölner Erstaufführung am Samstag

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Christof Cremer und Jean Renshaw 

Köln – Eine abschüssige Bühne im Saal 2 des Deutzer Staatenhauses – deutet das etwa auf eine schiefe Ebene, auf „Abschüssigkeit“ in der Handlung hin? „Nein, nein“, antwortet der Bühnen- und Kostümbildner Christof Cremer auf diese Frage: „Aus Sicht des Zuschauers steigt die Bühne ja an – und aufgrund der Raumarchitektur des Staatenhauses sind für ihn die Darsteller sehr präsent.“

Auch Regisseurin Jean Renshaw lobt zunächst und in erster Linie die technischen Vorzüge: „Das  funktioniert akustisch super, in der hintersten Reihe hört man alles ohne Mikrofon.“

Dann kommt sie aber doch rasch auf die interpretative Dimension ihrer Inszenierung von Berlioz' Oper „Béatrice et Bénédict“, die, 1862 in Baden-Baden uraufgeführt, unter dem Dirigat von GMD François-Xavier Roth erst an diesem Samstag ihre Kölner Erstaufführung erlebt (womit Roth nach „Benvenuto Cellini“ seinen Berlioz-Zyklus fortsetzt):

„Es handelt sich um die versuchte Abstraktion eines italienischen Dorfes, in dem wir die Geschichte dann  realistisch erzählen.“ Tatsächlich: Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass  besagter Dorfplatz durch die „Flachlegung“  dreier sozial „abgestufter“ Häuser  entsteht (eines eher ärmlichen Anwesens, eines Geschäftshauses und   des Gouverneurspalastes), die an der Rückseite der Bühne wie in einer Quarterpipe wieder  hochgezogen werden.

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Ein italienischer Dorfplatz als Handlungsort also – aber was begibt sich dort?  Der lebenslange Shakespeare-Fan Berlioz  schrieb sich für dieses sein letztes Bühnenwerk selbst das Libretto entlang der Komödie „Viel Lärm um nichts“, aus der er auch die örtliche und zeitliche Situierung übernahm: Messina im frühen 17. Jahrhundert. Eine wahrhaft europäische Konstellation: Ein französischer Komponist verarbeitet das italienische Sujet eines englischen Dichters.

Im Bühnenstück gibt  es  zwei Liebespaare,  von denen  das eine – Béatrice et Bénédict –  sich nicht nur gegen die konventionelle und von der Community  angemahnte  eheliche Verbindung wehrt, sondern vor allem seine Liebe vorzugsweise hinter gehässiger wechselseitiger Anmache verbirgt.

Das klingt auf Anhieb nach einer Opernfrivolität  weniger aus dem 19. als vielmehr aus dem 18. Jahrhundert  – eine Assoziation, die insofern naheliegen mag, als das Regieduo Renshaw/Cremer  in Köln bislang in der Tat sehr erfolgreich mit dem einschlägigen Repertoire hervorgetreten ist: mit Gassmanns „Gli uccellatori“ und Salieris „La scuola de' gelosi“.

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Christof Cremer und Jean Renshaw

Cremer wehrt das mit Blick auf Kollegin allerdings lachend ab: „Es steckt viel Renshaw im 18. Jahrhundert, nicht 18. Jahrhundert in Berlioz.“

Auch die Regisseurin selbst betont den Unterschied: „Berlioz war schon ein anderer Geist.“ „Béatrice et Bénédict“ sei eine „wahnsinnig gelungene Komödie“ mit zugleich „großer und ernster Tiefe“. 

Diese bestehe in der Liebesauffassung: Liebe in dieser Oper erinnert Renshaw zum einen an einen „Militäreinsatz“, zum anderen sei der zentrale Gedanke nach wie vor  brisant und alles andere als veraltet: „Liebe kann nur in der Gleichberechtigung von Mann und Frau erfahren werden“.

Handlung in die 1940er Jahre verlegt

Die Partner – Renshaw nennt sie „sprachbegabte Rebellen“ gegen eine konventionelle Sozialmoral und Geschlechterrollenverteilung  – seien „mündig“: „Weshalb sie sich auch streiten.“ Dieser Aspekt funktioniere in der Renaissance genauso wie im 20. Jahrhundert.

„20. Jahrhundert“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn Renshaw und Cremer situieren die Handlung nicht im 17. Jahrhundert, sondern in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Cremer: „Damals mussten die Frauen, die sich im Krieg emanzipiert hatten, wieder zurück an den Herd, wurden in eine neue Weiblichkeit gezwungen. An dieser Konstellation setzen wir an.“

"Schlaflose Nächte"

Schwierig für die Regie bleibt das Stück so oder so – was ein Grund dafür sein mag, dass es so selten und noch seltener  erfolgreich aufgeführt wird. Renshaw hat es nach eigenen Worten „schlaflose Nächte bereitet“.

Warum? Die Oper besteht aus grandiosen Arien und Duetten – auch aus zwischengeschalteten Sprech-Dialogen, weshalb es dem Genre der „Opéra comique“ und nicht der „Grand Opéra“ zuzurechnen ist – die aber von Haus keine packende Bühnenhandlung und -wirkung generieren. Was tun?

Renshaw will die Reflexionen der Titelfiguren als „Charakterverwandlung“ darstellen – „das ist ein genuin dramatischer Vorgang“. Und sie  stellt in dessen Interesse die Rolle des Chores stark heraus. Und noch mehr: Cremer hat jedem der 60 Choristen ein individuelles Profil mit eigener Lebensgeschichte verpasst.  Dadurch entstehe eine sehr „filmische Wirkung“, vergleichbar einem Brueghel’schen Wimmelbild.

"Hier wird Kunst möglich"

Stark gemacht wird auch die burleske Nebenhandlung um den vergrätzten, sich unverstanden fühlenden Dorfmusiker Somarono, in dem Berlioz ein Stück weit ein Selbstporträt entwarf. Dieser Handlungsstrang ist  auch auf eine Erfindung des  Komponisten, der dafür  etliche von Shakespeares Intrigen wegließ.

Voll des Lobes sind Regisseurin und Bühnenbildner über die Probensituation am Staatenhaus und die Atmosphäre an der Kölner Oper: „Hier wird Kunst möglich, das ist der Spirit des Hauses“, sagt Renshaw. Und Cremer lobt die Mitarbeiter, „die einem jeden Wunsch erfüllen“. Sehr angetan ist er auch vom „installativen Charakter“ der Produktion unter den Bedingungen der Interimsspielstätte: „Das ist schon sehr spannend.“

Nur Schönes sagt das Duo schließlich übereinander: „Christof ist  eine der exaktesten Persönlichkeiten, die ich kenne – wir haben da einen ganz ähnlichen Ehrgeiz“, gibt Renshaw zu Protokoll.  Cremer revanchiert sich: „Jean schafft es, bei den Personenkonstellationen aus dem Kleinen was ganz Großes, aus dem Alltäglichen das Besondere und Humorvolle zu machen.“