Ralf Kabelka im Interview„Diese Typen sind das unlustigste Volk unter der Sonne“

Lesezeit 7 Minuten
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Ralf Kabelka

  • Ralf Kabelka, 55, wurde einem breiten Publikum ab 2000 durch seine Rolle als Dr. Udo Brömme in der „Harald Schmidt Show“ bekannt.
  • Für die Sendung „Schmidt & Pocher“ von 2007 an erneut im Team, war er von 2008 bis 2012 Redaktionsleiter der Sendung „Harald Schmidt“. 2012 trat er erstmals als Außenreporter in der „heute-show“ auf, für die er bis heute auch als Autor arbeitet.
  • Neben Jan Böhmermann war er im „Neo Magazin Royale“ zu sehen. Im Interview spricht er über Corona-Leugner, Hitler-Dokus und die reinigende Kraft des Kärcherns.

Herr Kabelka, 2020 wird sicher nicht als Jahr der guten Schlagzeilen ins kollektive Gedächtnis eingehen. Aber gibt es etwas,  das Ihnen in letzter Zeit richtig gute Laune gemacht hat? Natürlich, dass Trump abgewählt wurde. Aber wirklich komisch daran finde ich die Vorstellung, du hast gerade erfahren, dass du deinen Job verloren hast. Und dann sitzt du auf dem Sofa, machst zum Runterkommen die Glotze an und siehst im Fernsehen, wie die ganze Welt mit Feuerwerk, Tanz und Autokorsos frenetisch feiert, dass Du deinen Job los bist. Aber dass Trump weg ist, ist gut für die Welt, aber schlecht für unsere Zunft.

Ist Humor in Krisenzeiten noch wichtiger als sonst? Oder ist das für Sie nur eine Phrase?

Humor ist ja nicht so ein Krisenbewältigungsverfahren, das man bei Bedarf anknipst. Sondern Humor ist eine Haltung, mit der man durch die Welt geht. Humor braucht man, um für sich den Wahnsinn der Welt erträglicher zu machen. Eine gern gewählte Begründung. Natürlich gibt es auch andere Wege, mit dem Irrsinn fertig zu werden. Aber Selbstmord ist deutlich ungesünder.

„Bad news are good news“ sagt man manchmal im Journalismus. Gilt das auch für Satiriker? Macht Ihnen Ihr Job gerade besonders viel Spaß?

Die Quote zeigt, wir sind Krisengewinner. Aber bei einer wochenaktuellen Show können Megathemen wie Trump und Corona eben auch ein Fluch sein. Jede verdammte Woche ist halt was zum Thema zu machen. Jetzt ist Weihnachten wegen Corona in Gefahr. Was sagt man da? Leise rieselt das Aerosol? Advent, Advent, der Rachen brennt? Drei Corona-Tests für Aschenbrödel? Es wird ohne Rücksicht auf Verluste rausgehauen.

Welchen Themen widmen Sie sich zurzeit am liebsten in Ihrer Arbeit?

In der wöchentlichen Humorfabrikation stehe ich quasi am Band. Die Themen rauschen rein und dann wird gemacht. In der Fertigungsstraße bei Ford fragt man ja auch nicht, welches Auto schraubst Du am liebsten zusammen?

Hilft es, Scherze über Corona zu machen, um besser damit umgehen zu können?

Das passiert ja ganz von selbst. Das kann man ja keinem als Medizin verordnen. Der eine findet sein Seelenheil, indem er Maskensünder beim Ordnungsamt oder der „Bild“-Zeitung verpetzt. Der andere gewinnt mit der Maske tiefe philosophische Erkenntnisse. Wie intensiv erfahrbar dieses „Zurückgeworfensein auf sich selbst“ sein kann. Vor allem, wenn der eigene Atem unter der Maske nach Lammdöner mit doppelt Zwiebeln riecht.

Wie hoch ist das Scherzpotenzial bei Corona-Leugnern?

Diese Typen sind mit Abstand das unlustigste Volk unter der Sonne. Deswegen natürlich bestens comedygeeignet. Aber bei Demos von Corona-Gegnern zu drehen, ist die Hölle. Man wird von unerträglichen Besserwissern stundenlang zugequatscht. Ich sage nur „Pensionierte Studienräte gone wild“.

Gibt es Grenzen der guten Laune? Können Sie sich einen Punkt vorstellen, ab dem sie keine Gags mehr über dieses Virus machen könnten?

Ich zitiere da einen Philosophen: „Aber der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann ... Es zählt bloß, wie viele Schläge man einstecken kann und ob man trotzdem weitermacht.“

Von wem stammt das doch gleich?

Einer der Spätsokratiker. Rocky Balboa.

Kann Lachen uns in diesen Zeiten verbinden – auch wenn wir es momentan nicht in größeren Gruppen tun können?

Da haben es die, die soziale Netzwerke nutzen, wahrscheinlich einfacher. Social Media ist ja nicht nur Streit oder Hass. Man kann da ja auch sehr viel Spaß haben und wahnsinnig viel lachen. Und wenn Oma Kasuppke keine Lust auf Twitter und Instagram hat, kann sie ja einfach den neuen „Borat“ bei Amazon streamen.

Läuft man als Satiriker in Krisenzeiten nicht auch Gefahr, nur noch sarkastisch oder zynisch zu werden?

Ich sehe es als Verpflichtung an, auch in Friedenszeiten sarkastisch zu sein. Also der Welt generell mit Sarkasmus zu begegnen ist ja aus meiner Sicht nichts Schlechtes. Zynismus ist allerdings was anderes und selten lustig.

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Ralf Kabelka

Gibt es Mahner in Ihrer Umgebung, die sagen: Ralf, jetzt hör mal mit den Witzen auf. Die Lage ist ernst!

Nein. Weil aber die Deutschen in der Mehrheit bei Corona gar nicht so wahnsinnig ernst drauf sind. Der zweite Lockdown läuft momentan ziemlich unaufgeregt ab. Auch, wenn jeder Fuzzisender es in der Berichterstattung gerne hätte, aber es gibt jetzt keine Klopapier-Krise, Mehl ist im Regal und keiner steht Schlange vor dem Baumarkt. Die Leute sind zwar genervt, aber ansonsten ziemlich cool. Und selbst die verpeiltesten Typen haben inzwischen eine Maske in der Tasche.

Dieses Jahr macht es uns, um ehrlich zu sein, nicht so leicht, es zu mögen. Aber nennen sie uns doch mal drei Dinge, die gut sind an 2020?

Jeder Video-Call-Nutzer im Homeoffice weiß inzwischen, was mit dem schönen deutschen Wort „Gemütlichkeitshose“ gemeint ist. Einige haben im Lockdown zum Beispiel Spanisch gelernt. Aber bis sie wieder nach Spanien dürfen, haben es die meisten wieder vergessen. Keiner hat den Satz gesagt: „Ich muss zum Business-Meeting nach Pirmasens fliegen“. Ich habe tatsächlich meinen Sommerurlaub im Sauerland verbracht – und es war, tja, gar nicht mal soo schlecht.

Wir Menschen sind ja leider so gepolt, dass wir den Wert von Dingen erst erkennen, wenn wir sie nicht mehr haben. Lehrt uns 2020 da Demut, weil wir erkennen, dass ins Restaurant, ins Kino oder Theater zu gehen, eben gar nicht so selbstverständlich ist, sondern ein großes Geschenk?

Ja.

Allein sein mit einem Minimum an sozialen Kontakten ist ja das Gebot der Stunde. Können Sie das ganz gut, allein sein?

Ich halte mich da an die weisen Worte unseres Gesundheitsministers. Jens Spahn hat gesagt, dieser November ist der Monat der Entschleunigung. Ich ziehe mich in meine Kemenate zurück und werde in der stillen Abgeschiedenheit über diesen Schwurbel nachdenken.

Macht Alleinsein vielleicht auch kreativ?

Wir arbeiten beim Fernsehen in der Regel im Teamwork. Momentan sind wir von morgens zehn bis abends sieben im Videocall.  Wir denken uns da die Sachen aus, schreiben zusammen. Zwischendurch guckt man sich beim Essen zu oder die Kinder kommen rein. Übrigens, ist Ihnen das auch schon aufgefallen bei den Videokonferenzen? Am Anfang fanden es alle noch total süß, wenn der kleine Racker bei der Videokonferenz ins Bild kam. Da wurde dann gewunken und so. Inzwischen denkt man nur noch: Ja, ja, putzig, aber kann dieses nervige Blag endlich mal wieder verduften?!

Viele Menschen haben in den vergangenen Monaten neue Hobbys begonnen. Kochen, Klavier spielen, Wandern, Fahrrad fahren. Geht es Ihnen auch so? Haben Sie sich vielleicht sogar ganz neue Seiten an sich entdeckt?

Ich hatte das große Glück, dass ich im Prinzip zu 100 Prozent so weiterarbeiten konnte wie vor Corona. Deswegen blieb da wenig Zeit für neue Hobbys. Obwohl, stimmt nicht, ich habe im ersten Lockdown das Kärchern für mich entdeckt. So sauber war unsere Terrasse noch nie.

Was machen Sie, wenn Sie mal richtig schlechter Laune sind? Wie kommen Sie da raus?

Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen weird. Aber ich gucke gerade in solchen Momenten wirklich gern Hitler-Dokus bei ZDFinfo. Wahrscheinlich laufen die so gut wegen des kathartischen Effekts. Das geht von „Mein Chef ist genauso!“ bis „Okay, damals war alles noch beschissener.“ Zum Glück ist die ZDF-Mediathek voll davon. So hat jeder sein Fernsehprogramm für die Seelengesundheit. Ich habe Guido Knopp, meine Frau guckt  „Germany’s Next Topmodel“ – natürlich „ironisch“.

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Hilft Humor auch in der Erziehung? Kann man seinen Kindern diese Fähigkeit, in allem den Witz zu entdecken, weitergeben? Oder sind Kinder von solchen Versuchen eher genervt?

Da idealisieren Sie die Rolle des Humorarbeiters. In meinem Leben ist es so: Die Eltern verstehen meinen Beruf nicht, akzeptieren aber, dass man mehr verdient, als bei der Sparkasse. Die Kinder verstehen den Beruf auch nicht, und halten einen, wie es sich für Kinder eines gewissen Alters gehört, für „nur peinlich“.

Ihr liebster Buch/Film-Tipp für richtig gute, flache Lacher?

Die Instagram-Postings von Soyeon Schröder-Kim. In Bild und Ton kann man der lustigen Selbstdemontage eines Altkanzlers beiwohnen. 

Werden wir gestärkt aus dieser Krise kommen?

Ganz sicher. Bis die nächste Hufeisennase-Fledermaus in einen Wok fällt.

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