Rap-KonzertLamar im Duell mit seinem Fan

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Rap-Talent: Lamars Album "Good Kid, M.A.A.D. City" war eines der erfolgreichsten HipHop-Alben 2012.

Rap-Talent: Lamars Album "Good Kid, M.A.A.D. City" war eines der erfolgreichsten HipHop-Alben 2012.

Vielleicht hat Kendrick Lamar sich einfach einsam gefühlt, da oben auf der Bühne. Er hat zwar eine Liveband mitgebracht in das Theater des Kölner Tanzbrunnens, aber das Wort hat Lamar allein. Dabei ist es unter Rappern ja guter Brauch, zu Konzerten Verstärkung mitzubringen, die ein bisschen mitsingt, den Refrain oder das jeweils letzte Wort eines Verses. Das sind dann alte Schulfreunde oder frühere Nachbarn vielleicht. Als Zuschauer weiß man das immer nicht so genau.

Den jungen Mann, den Lamar nach fünf Liedern zu sich auf die Bühne bittet, kennen die Zuschauer auch nicht. Aber sie bejubeln ihn, als sei er die Reinkarnation der totgeschossenen Rap-Legende Tupac. Denn er ist einer von ihnen. Ein Fan.

Lamars größter Fan im Rap-Rausch

Man hatte es ja für die übliche Schmeichelei gehalten, als Lamar sagte, er würde im Publikum einige Gesichter wiedererkennen. Im Februar war der Musiker, der zurecht als eine der größten Begabungen im amerikanischen Hip-Hop gilt, schon mal für ein Konzert in Köln. Dann aber zeigt er auf diesen Kerl in der vorderen Reihe, ruft ihn zu sich und behauptet: „Das hier ist mein größter Fan“. Keine Minute vergeht, da glaubt man ihm.

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Der größte Fan nämlich, geschätzt Anfang 20, Kinnbart, Football-Trikot, bekommt ein Mikrofon überreicht, läuft kurz etwas ziellos auf der Bühne umher, schüttelt sich dann wie ein Hund nach einem Regenschauer – und die Hemmung ist dahin und der Mann plötzlich ganz bei sich. Als Bass und Schlagzeug einsetzen tut er einfach das, womit er offensichtlich große Teile seiner Freizeit verbringt: Er imitiert sein Idol.

Rappend und gestikulierend tänzeln Lamar und der Unbekannte umeinander herum. Halb Duett, halb Duell. Ein spontanes Zusammenspiel, das beeindruckend gut funktioniert. Es wirkt nicht anbiedernd, nicht zum Fremdschämen, sondern wie ein großer Spaß unter Gleichgesinnten. Weil Kendrick Lamar kein sich in höheren Sphären wähnender Narziss ist wie der Kollege Kanye West, keine Kunstfigur im Türsteher-Format wie 50 Cent, sondern bei allem Talent doch bloß ein eher gewöhnlicher Mittzwanziger, der ohne die genretypische Protzerei über das Aufwachsen im armen Teil von Los Angeles berichtet. Und weil der Fan, dieser junge Amateur aus Köln-Porz, Erftstadt-Erp oder woher auch immer, ebenfalls ziemlich präzise rappen kann.

„I will be back“

Nur einmal muss Lamar unterbrechen, als der Fan sich bei hohem Tempo in den komplexen Reimstrukturen der G-Funk-Hymne „M.A.A.d City“ verheddert. Nach kurzem Luftholen und einem von Lamar freundschaftlich angebotenen Schluck Wasser geht es angefeuert von der Menge weiter – bis dem jungen Mann nach zehn Minuten Rausch endgültig der Atem ausgeht. Beseelt und beklatscht klettert er von der Bühne, sein neuer Kumpel Kendrick Lamar trägt noch ein paar Lieder im Alleingang vor und verabschiedet sich dann nach einer guten Stunde in alter Schwarzenegger-Tradition mit „I will be back“ vom begeisterten Publikum.

Es dürfte mehr als den einen Fan geben, der dann auch wieder herkommt.

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