Stefan Kraus verlässt das Kölner Museum Kolumba. Ein Gespräch über Bauen in Köln, die katholische Kirche und die Spiritualität der Kunst.
Stefan Kraus„Die Kölner Oper grundsätzlich infrage zu stellen, ist eine Katastrophe“

Stefan Kraus verabschiedet sich von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln.
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Herr Kraus, Sie haben das Kolumba mitentwickelt und seit 2008 geleitet. Als Sie anfingen, das Museum zu konzipieren, hatten Sie das Gefühl, Sie müssten diese altehrwürdige Institution neu erfinden?
Wir hatten das Gefühl, eine Chance bekommen zu haben, nämlich das Museum als Institution neu zu definieren. Museologisch gab es in Deutschland einen krassen Einschnitt durch den Nationalsozialismus. Davor gab es wunderbare Museumskonzepte, wie in Hannover die Idee eines „lebenden Museums“. Uns alle hat ab 1991 die Frage bewegt, wenn man das Museum wirklich neu denken kann, wo fängt man an? Die wichtigste Antwort: Man fängt bei der eigenen Sammlung an.
In Köln gab es bereits die „Konkurrenz“ städtischer Kunstmuseen.
Wir haben in Köln ein Ludwig-Museum, ein Wallraf-Richartz-Museum, wir haben das Museum Schnütgen vor allen Dingen, das von einem meiner Vorgänger ins Leben gerufen worden ist. Alexander Schnütgen war hier 30 Jahre lang derjenige, der das Diözesanmuseum hochgehalten hat und der sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass seine Sammlung ins Diözesanmuseum kommt. Aber seine Bedingung, einen wissenschaftlichen Kurator einzustellen, wollte das Erzbistum damals nicht erfüllen.
Wir wollten das Katholische dahingehend ernst nehmen, dass es allumfassend ist
Sie stellen jährlich Ihre Sammlung in neuen Variationen aus. Wie sah diese 1991 aus?
Es war ein Sammelsurium, das von zahlreichen Zufälligkeiten abhängig war. Für uns war das eine gute Ausgangslage, um zwischen den anderen Spezialmuseen einen Ort zu definieren, der das Katholische dahingehend ernst nimmt, dass es allumfassend ist. Und der klarmacht, dass es im 20. Jahrhundert viele Versuche gab, wie man Kirche und zeitgenössische Kunst miteinander versöhnen wollte. Wir haben analysiert, warum das gescheitert ist, und konnten Kardinal Meister und das Erzbistum Köln, die Entscheidungsträger, am Ende überzeugen, dass die Kirche den Versuch wagen sollte, wieder Kulturträgerin zu sein.
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Sie haben angefangen, zeitgenössische und moderne Kunst zu sammeln, die nicht auf den ersten Blick christlich war. Wie schwierig war es, das Erzbistum davon zu überzeugen?
Man konnte sich das im alten Haus, in unserer Werkstatt am Roncalliplatz, ganz gut angucken. Ab Juni 1993 konnte man Paul Thek bei uns sehen, den in Deutschland damals wirklich kaum noch jemand kannte. Man konnte Antoni Tàpies sehen, dieses wunderbare Bild mit den Schrittspuren auf hellem Grund. Und das wurden dann Werke, an denen wir das Konzept sehr schön festmachen konnten. Beim Tàpies sehen Sie nichts weiter, als dass offensichtlich jemand im Kreis gelaufen ist, um eine leer bleibende Mitte. Das haben wir sehr früh ins Verhältnis gesetzt zu alter christlicher Kunst und auch sonst als Kunstvermittler jede Situation genutzt, um den Entscheidungsträger bewusst zu machen, was eigentlich das Ziel dieser Unternehmung sein könnte. Dass Spiritualität und dass Religion und Kunst nicht irgendwo an der Oberfläche erkennbar sein müssen, also nicht nur reduziert werden dürfen auf das, was sich in der christlichen Ikonografie tradiert hat. Sondern dass man akzeptieren muss, dass spätestens ab 1800 die Künstler ganz eigene Wege gegangen sind.

Das Museum Kolumba in Köln
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Ich komme kurz zu profanen Dingen. Wie haben Sie es geschafft, Kolumba, das 2007 eröffnet wurde, innerhalb der geplanten Bauzeit und beinahe innerhalb der geplanten Kosten fertigzustellen? Gerade in Köln ist das keine Kleinigkeit.
Ich bin Ihnen dankbar für die Frage, denn man weiß ja, dass ich mich sehr dafür eingesetzt habe, dass das Kölner Opernhaus saniert wird. Wir hatten damals die Gelegenheit, unseren Bau sehr gründlich vorzubereiten. Das war erst mal frustrierend, weil wir warten mussten. Der Architekturwettbewerb sollte 1993 stattfinden, er wurde dann aber erst 1996 ausgelobt. Das hatte aber den Vorteil für uns, dass das Konzept sich weiterentwickelt hatte, also wir auch viel genauer beschreiben konnten, was ist die Idee dieses zu bauenden Museums ist. Außerdem haben wir mit Peter Zumthor einen Architekten gefunden, der bekannt dafür war, dass er gründlich plant.
Klingt beneidenswert.
Wir haben uns alle gemeinsam klargemacht: Es gibt ein Kostenlimit, das war bei 40 Millionen Euro. Und wir waren gut beraten, solange zu warten, bis wir einen Planungsstand von 80 Prozent haben. Das kann ich jedem Bauherrn nur empfehlen, dass man nicht mit 20 Prozent anfängt. Auch wir hatten damals zu kämpfen: Wir hatten Insolvenzen zu bewältigen, wir hatten eine Bauverzögerung, weil der Stahl, den wir brauchten, in der Qualität nicht zur Verfügung stand. Aber wir haben das gut auffangen können. Am Ende haben wir zehn Prozent überzogen und sind bei 45 Millionen Euro angekommen - die zusätzlichen fünf Millionen Euro erhielten wir glücklicherweise als Zuschuss vom Land NRW.
Bei der Kölner Oper war das Desaster abzusehen
Sie haben die Oper angesprochen. Als Bauherr scheint die katholische Kirche erfolgreicher zu sein als die Stadt Köln.
Ich glaube, da gibt es eine andere Baukultur, eine Vorstellung davon, dass man, wenn man so ein Gebäude will und plant, auch Mittel bereithalten muss, um es zu erhalten. Dass man es nicht 30, 40 Jahre lang verkommen lässt, um dann vor der Entscheidung zu stehen: Reißen wir es ab oder können wir uns das überhaupt noch leisten? Bei der Kölner Oper war das Desaster abzusehen. Man wollte das ganze Vorhaben innerhalb von drei Jahren durchziehen. Aber das ist für die Sanierung eines solchen Gebäudes, wo sie in jedem Fall mit Überraschungen arbeiten müssen, nicht zu leisten.
Die Stadt Köln hatte auch mal eine funktionierende Bauverwaltung.
Ich hätte mir gewünscht, dass man die Opernsanierung zum Anlass nimmt, danach zu fragen: Was sind allgemeine Probleme, wie etwa das europäische Vergaberecht, und welche sind hausgemacht? Jetzt haben wir eine Situation, in der man die lange Bauzeit auf die Oper abwälzt, obwohl die ohnehin gestraft ist, weil sie seit vielen Jahren im Staatenhaus gastieren muss, und beginnt, eine Oper für eine Millionenstadt grundsätzlich infrage zu stellen - eine Katastrophe. Was bleibt dieser Stadt, wenn sie auf die Kultur verzichten würde? Nicht viel.
Sie haben viele Kölner und rheinische Künstler in der Sammlung.
Uns hat nie interessiert, ob Künstler internationales Renommee haben, sondern ob sie ein vernünftiges, spannendes Werk haben. Es gibt immer Künstler, die zu bestimmten Zeiten nicht richtig gesehen worden sind und die man gerade, wenn man nur mit sehr beschränkten Mitteln unterwegs ist, umso mehr fördern und wahrnehmen sollte. Und Köln hat wie das Rheinland eine ganz dichte Szene hervorragender Künstler.
Sie haben mal gesagt, Kolumba sei Ihr halbes Leben. Ihr ganzes Leben haben Sie in Köln verbracht. Wie haben Sie die Stadt erlebt in dieser Zeit?
Ich bin Kölner, im Rechtsrheinischen aufgewachsen, in Höhenhaus, was damals noch ein Dorf war. Wir fuhren also in die Stadt, und diese Stadt hatte in meiner Kindheitserinnerung vor allen Dingen sehr viele Parkplätze. Dass diese Parkplätze die Folge einer fast totalen Kriegszerstörung waren, das ist mir natürlich erst später deutlich geworden. Ich bilde mir ein, dass ich eine Menge Wiederaufbau mitbekommen habe, auch die Wiedererrichtung der romanischen Kirchen habe ich sehr bewusst mitverfolgt. Insofern war es eine Riesenchance, einen Bau wie Kolumba an einem hochsymbolischen Ort in der eigenen Stadt mitverantworten zu dürfen. Und gleichzeitig war es auch eine Bürde. Denn wenn uns das nicht gelungen wäre, dann hätte ich nach Düsseldorf ziehen müssen.
Hören sie noch Kritik am anfangs umstrittenen Bau?
Ich bilde mir ein, dass Kolumba in den Herzen der Kölner längst angekommen ist. Und wenn ich mir anschaue, dass wir in den meisten Reiseführer ein oder zwei Sterne haben, dann glaube ich, dass es auch international als Juwel in Köln wahrgenommen wird.
Gehen Sie im Gefühl in den Ruhestand, alles erreicht zu haben, was Sie sich vorgenommen haben mit Kolumba?
Ausgehend von dem Auftrag, den wir angenommen hatten, Seelsorge mit den Mitteln eines Kunstmuseums zu betreiben, würde ich mal sagen, in jedem Fall. Was eine grundsätzliche Versöhnung von Kunst und Kirche anbetrifft, bleibe ich skeptisch. Weil ich denke, dass das die falschen Begriffspaare sind. Dass man nicht Kunst und Kirche in ein Verhältnis setzen kann, zumindest nicht Kirche als eine Institution, sondern dass man nur Kunst und Religion, Kunst und Spiritualität ins Verhältnis setzen kann.
Ihr Nachfolger Marc Steinmann kommt aus dem eigenen Haus.
Der Beste, den ich dafür sehen könnte. Vieles, was sich hier aufgebaut hat, ist durch Kontinuität entstanden, vor allen Dingen das, was von außen eingetragen worden ist, sei es durch Schenkungsangebote, sei es durch finanzielle Förderung, sei es durch Kooperationen, sei es durch die Renate-König-Stiftung, der wir so viel zu verdanken haben. Das sind alles Details, die Sie nicht im Wechsel von drei oder fünf Jahren aufbauen, sondern wo sich ganz lange Wege realisieren. Und wer dann Angst hat, dass hier der frische Wind fehlt im Haus, der mit so einem Wechsel ja auch verbunden sein könnte, dem kann ich nur sagen, dass wir hier in Kolumba 34 Jahre schon frischen Wind hatten und auch weitere Jahre haben werden.

