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Tanzgastspiel in KölnAkram Khan bringt rätselhafte Rituale auf die Bühne

3 min
Tänzerinnen in langen Gewändern schwingen ihre langen Haare

Arme und Haare der Tänzerinnen spielen in Akram Khans „Thikra: Night of Remembering“ eine wichtige Rolle.

Der Choreograf Akram Khan zeigte im Depot 1 mit „Thikra: Night of Remembering“ die letzte gemeinsame Arbeit mit seinem Ensemble.

Etwas wehmütig denkt man bei diesem Gastspiel der Akram Khan Company im Depot an frühe Begegnungen mit Khans Kunst, als er seine Tänzerinnen und Tänzer in formal genialen Abläufen wie Wurfgeschosse über die Bühne schleuderte und mit hart gestampftem indischen Kathak den Boden zum Beben brachte. Diesen Mix aus asiatischen Traditionen und zeitgenössischer Konstruktion hatte man so noch nicht gesehen. Das „Sadler's Wells“ in London hatte ihn entdeckt. Kontinentaleuropa folgte und bald wünschten sich die Stadttheater nicht mehr fertige Produktionen der Kompanie, sondern Exklusiv-Arbeiten vom Choreografen. Auf die wird Khan sich nun künftig ganz konzentrieren. Sein eigenes Ensemble will er in dieser Struktur nicht mehr weiterführen.

Kein überwältigendes Finale der Akram Khan Company

So ist jetzt „Thikra: Night of Remembering“ die letzte Arbeit der Akram Khan Company, und leider nicht wirklich ein überwältigendes Finale. Finanziert wurde das Stück durch Saudi-Arabien, das nicht nur in der bildenden Kunst zunehmend als Geldgeber und mit gigantischen Museumsbauten und Festivals die europäische Kulturproduktion prägt. Nun also auch Akram Khan, der sich in Kooperation mit der bildenden Künstlerin Manal AlDowayan für das Stück von den Mythen und der Landschaft der Oasenstadt AlUla inspirieren ließ. So vollziehen sich zur gewaltigen Musik von Komponistin Aditya Prakash rätselhafte Rituale auf der dämmrigen Bühne: Exorzismen? Wiedererweckungen? Opferungen? Klar wird das nicht.

Die Macht des Weiblichen

Immerhin: Khan setzt in einer Region, deren Frauenbild skeptisch beäugt wird, ganz auf die Macht des Weiblichen. Neun Tänzerinnen manipulieren sich in unterschiedlichen Konstellationen und mit mystischen Praktiken vor AlDowayans Kulisse, einer rot glühenden Höhle in einem Felsmassiv. Eine Gruppe wählt ein Opfer, das unter den Händen einer hexenhaft grimassierenden und gestikulierenden Tänzerin die Kontrolle über ihren Körper verliert, sich aufbäumt, zuckt, krümmt - und am Ende wie tot am Boden liegt. In den Ensemble-Choreografien setzt Khan überwiegend auf den wuchtigen Effekt des Unisono. Außerdem: Viel Arm, viel Haar. Ständig zerren sich die Frauen selbst am wunderschönen schwarzen Langhaar, um dann im Kontrast dazu es zärtlich streicheln und seine erotische Verführungskraft zu demonstrieren.

Nicht der wildere, nordindische Kathak, sondern der formalisiertere und stärker die Handgesten fokussierende südindische Bharatanatyam ist diesmal die Basis für Khans Stilfusion mit dem zeitgenössischen Tanz. Faszinierend ist die unglaubliche Verbundenheit mit dem Boden, die kraftvolle Balance und Stabilität in den Körpern der Frauen, die keine noch so zackige Armgeste in ihrer Mitte erschüttern kann. Doch zur choreografischen Komplexität früherer Arbeiten schwingt sich Khan hier nicht auf. So wird man dieses letzte Stück von der Akram Khan Company als stark atmosphärisches Tanz-Zeremonial erinnern. Ein Abschiedsstück zwischen Tod - und der Hoffnung auf Wiederauferstehung.


Nächste Vorstellungen bei Tanz Köln: „Theatre of Dreams“ von Hofesh Shechter vom 4. bis 6. Dezember 2025 im Depot 1.