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TV-Star wird 60Horst Lichter ist mehr als Clown, rheinische Frohnatur und Fernsehkoch

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Horst Lichter_dpa

Horst Lichter wird am 15. Januar 60 Jahre alt.     

Köln – In der ZDF-Nachmittagssendung „Bares für Rares“ fragt Gastgeber Horst Lichter die Menschen, die dort Schmuck, Uhren, Kunst oder manchmal auch einfach nur Nippes verkaufen wollen, immer auch nach ihrem Wohnort.

Und Lichter muss eigentlich schon überall gewesen sein, denn egal, wo sein Besuch herkommt – er preist so gut wie immer die Schönheit der Gegend. Und er ist ein großer Freund des Duzens, behandelt jeden wie einen guten Bekannten.

Das Label „rheinische Frohnatur“ stört ihn nicht

Man kann das anbiedernd finden oder auch einfach nur ehrliches, freundliches Interesse darin sehen. Es ist genau das Spannungsfeld, in dem sich die öffentliche Wahrnehmung des gelernten Kochs bewegt. Viele lieben ihn für seine Fröhlichkeit, manchen ist die scheinbar immerwährende gute Laune zu viel. Wobei die Fans eindeutig in der Mehrzahl sind.

Lichter selbst stört das Label „rheinische Frohnatur“ überhaupt nicht. „Es macht mir Freude. Ich mag es, wenn ich irgendwohin komme und lustig bin. Es gibt so viele, die immer nur nörgeln, nicht nur jetzt in dieser Zeit, sondern auch vorher“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich komme rein, mache Blödsinn, alle lachen. Und schon ist alles besser. Man könnte sagen, ich werde in eine Rolle reingepresst, aber das ist eine selbstgewählte Rolle. Das bin ja ich. Ich muss keine Rolle spielen.“

Lichter, der am 15. Januar 60 Jahre alt wird, hat in den vergangenen 20 Jahren eine bemerkenswerte TV-Karriere hingelegt, eine Karriere, die niemand, er vermutlich am allerwenigsten, erwartet hätte. Geboren wurde er im Ort Rommerskirchen zwischen Köln und Düsseldorf. Geld war in der Familie immer knapp. Große Träume fallen in einem solchen Umfeld schwer, rote Teppiche sind da weit entfernt.

Mit 26 erlitt er einen Hirnschlag

Lichter machte zunächst eine Ausbildung zum Koch, heuerte aber irgendwann in einer Braunkohlefabrik an. Mit 19 heiratete er, Schulden belasteten die junge Ehe. Irgendwann rebellierte sein Körper. Mit 26 erlitt er einen Hirnschlag, wenig später einen zweiten. Drei Kinder bekam er mit seiner ersten Frau, von denen eines starb. Das sind für einen jungen Menschen viele Schicksalsschläge.

Er sei auf dem besten Weg gewesen, ein Arschloch zu werden, hat Lichter in der Rückschau nüchtern festgestellt. Einfach, weil er im falschen Leben steckte, nicht glücklich war. Und seinen Frust auch an anderen ausließ.

Doch Lichter fand den Mut, sich neu zu erfinden. Es ist ein Wesenszug, der ihm im Leben noch häufiger neue Perspektiven aufzeigte. Er eröffnete ein Restaurant, die „Oldiethek“, die geprägt war durch seine Sammelleidenschaft. Autos, Motorräder, Trödel und Antiquitäten machten den besonderen Charme aus.

Erfolg als Fernsehkoch

Irgendwann sendete der WDR einen Beitrag über sein Lokal, dann wurde Lichter in Johannes B. Kerners freitägliche Kochshow eingeladen. Beim Publikum kam er super an, fürs Fernsehen war der Mann mit dem charakteristischen Schnäuzer wie gemacht. Er kochte unter anderem mit Johann Lafer und in diversen anderen Kochformaten. Und erfand sich 2013 mit „Bares für Rares“ ein weiteres Mal neu.

Die Show, in der Menschen ihre Habseligkeiten erst Experten vorführen und sie dann im besten Fall an die Händler verkaufen, beschert dem ZDF regelmäßig Traumquoten. Auch die Specials zur Primetime laufen super. Und zum runden Geburtstag hat der Sender ihm nun sogar einen Spielfilm geschenkt. „Horst Lichter – Keine Zeit für Arschlöcher“ ist eine Verfilmung von Lichters gleichnamiger Autobiografie, in der er den Tod seiner Mutter im Jahr 2014 verarbeitete.

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Hart, aber gerecht sei seine Mutter gewesen. Und Lichter war überzeugt, sie werde steinalt. Doch es kam anders, sie erkrankte an Krebs. Die Zeit vor ihrem Tod war für den sonst immer fröhlichen TV-Star eine emotionale Grenzerfahrung. „Ihre Krankheit mitzuerleben über die Monate, die ich mit ihr rund um die Uhr zusammen war, war herzzerreißend. Zu sehen, welche Kampfeslust sie hatte und wollte, dass der Krebs rauskommt, bis zu Momenten der Panik. Das war grauenhaft.“

Clown-Sein als Allzweckwaffe

Kurz bevor sie starb, gab sie ihm einen Rat mit auf den Weg, der ihn in seinen Grundfesten erschütterte: „Hör endlich auf, der Clown zu sein!“ Das sei der schlimmste Satz in seinem Leben gewesen, sagt Lichter im Rückblick. „Für mich war das Clown-sein, Menschen zum Lachen zu bringen, die Allzweckwaffe. Damit habe ich mich aus den schlimmsten Situationen rausgeholt, damit habe ich anderen Menschen geholfen, mit Problemen umzugehen. Das war immer für alles gut.“

Selbst nach seinem Gehirnschlag oder dem Tod des Kindes habe er stets alle zum Lachen gebracht: „Ich habe relativ schnell angefangen, Spaß zu machen, damit die Menschen sich wieder zu mir trauen. Ich dachte, ich könne auch meine Mutter damit aufheitern.“ Doch sie kannte ihn besser und wollte ihn wachrütteln: „Das hat mich fast zerstört, weil ich lange dachte, ich kann und darf nie wieder ein Clown sein. Ich bin danach viel ernster und auch sentimentaler geworden.“

Der Tod der Mutter war eine Zäsur

Der Tod der Mutter stellte für ihn eine Zäsur dar, die ihn sein Leben noch einmal neu ordnen ließ. Er beendete einige TV-Engagements, 2021 veröffentlichte er ein Buch über eine Auszeit in einem Schweigekloster. Nach vielen Aufs und Abs ist er nun, an seinem 60. Geburtstag, mit sich im Reinen.

Und er hat eine Antwort auf die Frage gefunden, was ihn glücklich macht: „Zufriedenheit. Wenn man den Punkt erreicht hat, wo man zufrieden ist. Was nicht heißt, dass man keine Wünsche und Träume mehr hat. Wenn die aufhören, wird es ganz komisch. Sondern für sich selbst zu wissen: Jetzt ist es gut. Das ist das wahre Glück.“

Dass er, der Junge aus der rheinischen Provinz, nun sogar vom ZDF einen Film zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, erfüllt ihn mit Stolz. „Ich bin so glücklich und zufrieden, dass mir ernsthaft das Wort fehlt.“ Er wolle das nicht falsch verstanden wissen, aber für ihn stehe fest: „Wenn ich heute gehen müsste, wäre das in Ordnung. Ich würde mit Dankbarkeit gehen für alles, was ich erleben durfte.“

„Horst Lichter – Keine Zeit für Arschlöcher“ ist in der ZDF Mediathek zu sehen.

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