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ZDF-DokuWie ein dänischer Koch in Frührente ganz Nordkorea narrte

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Ulrich Larsen, Koch und Meisterspion

Kopenhagen – Er sei schon ein bisschen stolz auf sich, resümiert Ulrich Larsen sein nordkoreanisches Abenteuer. Gerade hat er seiner Frau eröffnet, was er in den vergangenen zehn Jahren heimlich getrieben hat. Doch die zeigt sich maximal unbeeindruckt: „In meinen Augen bist du ein Idiot.“

Davon lässt sie sich nicht abbringen, auch nicht von Mads Brügger, dem Dokumentarfilmer, mit dem ihr Mann die verdeckte Operation ausgeheckt hat: Brügger nennt Larsen einen der mutigsten Menschen, die er kenne. Im Alltag, entgegnet die Gattin, merke man das nicht: „Da denke ich eher: Reiß dich mal zusammen und mach sauber.“

Flucht vor Hausarbeit oder generell vor den Mühen der Ebene, das wäre ein mögliches Motiv für das waghalsige Unterfangen des Dänen. Mads Brüggers zweiteilige Dokumentation „Der Maulwurf“, die jetzt in der ZDF-Mediathek zu sehen ist, schert sich jedoch weniger um die Beweggründe, als um den reinen Thrill der Bewegung, der kombinierten Achter- und Geisterbahnfahrt, auf der sie den Zuschauer mitnimmt.

Hoher Einsatz

In seiner globetrottenden Rasanz und den hohen Einsätzen, um die hier gespielt wird, wirkt „Der Maulwurf“ eher wie ein Film aus der „Mission: Impossible“- oder der „James Bond“-Reihe. Zu der „Borat“-Darsteller Sacha Baron Cohen das Drehbuch geschrieben hat.

Nur ist hier alles echt, wenn auch unglaublich. Am Anfang wird noch um kleine Beträge gespielt: Ulrich Larsen ist erst Mitte 30, doch sein Leben scheint bereits vorbei. Er wohnt als frühverrenteter Koch mit seiner Familie am Kopenhagener Stadtrand. Er ist ein Niemand, ein Gesicht in der Menge. „Wenn er eine Bank ausrauben würde“, charakterisiert ihn Brügger, „könnte ihn keiner beschreiben.“

Humorloses Regime

Als Larsen im Fernsehen Brüggers 2006er Film „The Red Chapel“ sieht – in dem der dänische Regisseur mit zwei Komikern durch Nordkorea reist und sich auf subtile Weise über das notorisch humorlose Regime lustig macht – kommt ihm eine Idee: Er könnte sich als Maulwurf in den dänischen Ableger der „Korean Friendship Association“ (KFA) einschleusen und heimlich deren Umtriebe filmen.

Brügger ist zunächst skeptisch und das ganz zurecht. Man kann sich kaum einen trüberen Haufen vorstellen, als das quichotische Trüppchen, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, ausgerechnet Kim Jong-uns Gewaltregime gegen die „imperialistische Propaganda des Westens“ als Paradies auf Erden zu verteidigen. Abendfüllend ist das nicht.

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Oder doch. In den schmalen Rängen des KFA steigt der junge Newcomer schnell auf, lernt den Präsidenten der Organisation, Alejandra Cao de Benós, kennen und reist mit ihm nach Pjöngjang. Hier geriert sich der Spanier als eine Art Mini-Me des großen Diktators, inklusive göring’scher Fantasieuniform.

Aus dem Gaga-Trip wird plötzlich Ernst, als Cao de Benós den Maulwurf in seine wahre Agenda einweiht. Er sucht nach Investoren, die dem streng sanktionierten Land Devisen bringen, im Austausch gegen Waffensysteme oder Drogen. Woraufhin Brügger und Larsen einen ebensolchen erfinden, den ominösen Mr. James, dargestellt von Jim Mehdi Latrache-Qvortup, einem ehemaligen Fremdenlegionär und Kokain-Dealer mit entsprechend unerschrockenem Auftreten.

Wie Han Solo und Chewbacca

Der unscheinbare Larsen und der flamboyante Hipsterbartträger bilden, das kann man ohne Übertreibung sagen, eines der großen ungleichen Duos der Filmgeschichte. Han Solo und Chewbacca, Butch Cassidy and the Sundance Kid, der Maulwurf und Mr. James. Deren Abenteuer nun immer bizarrere (und auch gefährlichere) Züge annimmt. Die Nordkoreaner unterhalten die Amateur-Agenten mit folkloristischen Gesangsdarbietungen und präsentieren ihnen dann bunt bedruckte Kataloge mit Waffensystemen, von der Anti-Drohnen-Kanone bis zur Mittelstreckenrakete.

Mr. James soll in eine Fabrik investieren, die man heimlich irgendwo in Afrika bauen will. Man einigt sich auf Uganda und der Lockspitzel findet per Google eine Insel mitten im Victoriasee, auf der zur Tarnung eine Edelferienanlage errichtet werden soll, auch als Rechtfertigung für die Landebahn. Waffensysteme und Crystal Meth würden in einer unterirdischen Anlage produziert.

Große Eulenspiegelei

Das klingt nach Blofelds Basis im Vulkankrater aus „Man stirbt nur zweimal“. Spätestens hier fragt sich der Zuschauer, ob er nicht einer gigantischen Eulenspiegelei aufsitzt, im Stile etwa von William Karels Film „Kubrick, Nixon und der Mann im Mond“, in dem mittels manipulierter Zeitzeugeninterviews „dokumentiert“ wird, dass Stanley Kubrick die Apollo-11-Mondlandung im Auftrag der US-Regierung gefälscht habe.

Wie kann es denn angehen, dass die Koreaner den unbekannten Investor keinem Hintergrundcheck unterziehen, wie es jede Sparkasse mit einem Häuslebauer täte? Offensichtlich vertreibt die Devisengier jede Vorsicht. John le Carré verwendet in seinen Romanen dutzende von Seiten auf die sorgfältige Konstruktion der Legende des Doppelagenten, hier muss sich Mr. James den Namen seiner Firma ausdenken, während er den Vertrag unterschreibt.

Beinahe erwischt

Allein: Wie konnte das alles überhaupt gefilmt werden? Auch hier ist die Antwort beinahe lächerlich: Larsen gibt vor, die Social-Media-Kanäle der KFA zu beliefern, Mr. James hat angeblich einen Imagefilm für sein Unternehmen in Auftrag gegeben, bei konspirativen Treffen übernimmt die versteckte Kamera.

Als er einmal fast beim Aufzeichnen erwischt wird, zeigt der Maulwurf endlich Nerven und muss sich am Straßenrand erbrechen. Doch die wilde Geschichte ist noch längst nicht bei ihrer letzten abenteuerlichen Wendung angekommen. Wirklich, man muss es selbst gesehen haben, um es zu glauben.

„Der Maulwurf“ läuft am 14. April, 20.15 Uhr auf 3sat. In der ZDF-Mediathek ist der Film bereits jetzt in zwei Teilen von jeweils 59 Minuten zu sehen.