„Kein antisemitischer Akt“Fall Nemi El-Hassan soll erneut vor WDR-Rundfunkrat

Lesezeit 3 Minuten
Nemi El-Hassan

Nemi El-Hassan

Köln – Ende September gab WDR-Intendant Tom Buhrow im Rundfunkrat bekannt, dass Nemi El-Hassasn die Wissenschaftssendung „Quarks“ nun doch nicht moderieren wird. Seither befindet sich der Fall in der Schwebe, denn ganz geklärt ist die Zukunft der 28-Jährigen bei dem öffentlich-rechtlichen Sender nicht. Als Autorin will der WDR sie nämlich möglicherweise doch für „Quarks“ arbeiten lassen.

Nun wollen einige Rundfunkratsmitglieder um den früheren stellvertretenden Programmgeschäftsführer von Phoenix, Jürgen Bremer, den Fall erneut zum Thema im Rundfunkrat machen, der kommende Woche Freitag das nächste Mal tagt. Bremer vertritt die Deutsche Initiative für den Nahen Osten (Dino) in dem Gremium und zeigte sich im Gespräch mit dieser Zeitung unzufrieden über die Diskussion in der jüngsten Sitzung.

Fall soll im WDR-Rundfunkrat neu diskutiert werden

Er bat daraufhin zwei Kuratoriumsmitglieder der Initiative, um eine Einschätzung zu dem Fall. Und der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, und der Historiker Moshe Zimmermann kommen zu einer eindeutigen Einschätzung. „Wir halten die Absicht, die Ernennung von Frau El Hassan als ARD Moderatorin zu vereiteln, für nicht legitim“, schreiben sie in ihrer Stellungnahme, die auch Tom Buhrow zugesandt wurde.

Nemi El-Hassan war in die Kritik geraten, weil sie vor sieben Jahren an einer Al-Kuds-Demonstration, auf der antisemitische Parolen gerufen wurden, teilgenommen hatte. Das bezeichnete sie in einem Statement als Fehler. Zudem wurde ihr vorgeworfen, dass sie Instagram-Beiträge der „Jewish Voice for Peace“ gelikt hatte.

Diese Zustimmung könne „per definitionem nicht als antisemitisch bewertet werden, da die Organisation eine jüdische ist“, schreiben Primor und Zimmermann in ihrer Stellungnahme. „Dass sie links und für die Rechte der Palästinenser steht, ändert daran nichts. Eher umgekehrt: eine jüdische Organisation zu delegitimieren – dies wäre als antisemitisch zu bezeichnen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch die Unterstützung des Boykotts israelischer Waren aus den besetzten Gebieten ist laut Primor und Zimmermann kein antisemitischer Akt. Das Foto mit den zu boykottierenden Waren, das El-Hassan ebenfalls likte, zeige Hersteller, die in den besetzten Gebieten produzieren. „Die Unterscheidung zwischen Waren aus dem Kernland Israel und den besetzten Gebieten wird auch von der internationalen Gemeinschaft (auch von der EU) gemacht.“

Einen Post über die Flucht von sechs Palästinenser aus dem Gefängnis, bei dem El-Hassan ebenfalls auf „Gefällt mir“ geklickt hatte, hätten auch viele Israelis geteilt, weil hier sich das Gefängnis-System blamiert habe. „Es handelt sich hier eher um Häme, nicht um Antisemitismus“, so die Einschätzung der beiden Israelis.

„In Israel hätte man Journalisten, die ähnliche »likes« wie Frau El Hassan machen, nicht verfolgt“, schlussfolgern Primor und Zimmermann. Israel sei nicht Ungarn oder Polen, und hoffentlich stehe auch die Bundesrepublik für Meinungsfreiheit. Der „Bild“-Artikel, auf den sie sich beziehen, halte Kritik an Israels Politik für Antisemitismus. Das sei ein falsches Verständnis. „Beim Lesen des Artikels kommt nicht nur der Wille zur Einschränkung von Meinungsfreiheit zum Ausdruck, sondern auch der Wunsch, eine Frau mit palästinensischem Hintergrund zu diskriminieren.“

KStA abonnieren