Antisemitismus auf der DocumentaFür Sabine Schormann läuft die Zeit wohl endgültig ab

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Sabine Schormann vor Eröffnung der Documenta

Köln – Würden englische Buchmacher Wetten auf den Ausgang des Documenta-Skandals anbieten, wären die Quoten für Sabine Schormann übers Wochenende ins Bodenlose gefallen. Allzu viel Geld hätte wohl ohnehin niemand mehr darauf gesetzt, dass sich die Generaldirektorin der Kasseler Weltkunstschau im Amt hält.

Am Samstag sagte sich nun aber auch Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank und einer der wenigen Vermittler in der Antisemitismus-Debatte, mit lautem publizistischen Knall von Schormann los. Im „Spiegel“ erklärte Mendel, er glaube nicht, dass sie die Schwere der Krise verstanden habe; stattdessen spiele sie auf Zeit.

Meron Mendel kündigt Schormann die Zusammenarbeit auf

Tatsächlich gibt Schormann nicht nur Mendel einige Rätsel auf, angefangen mit der ersten, selbst schon wieder skandalösen Pressemitteilung, in der die antisemitischen Motive auf Taring Padis monumentalem Banner „People’s Justice“ zum kulturellen Missverständnis erklärt wurden. Nach dieser eklatanten Fehlleistung kündigte Schormann an, die gesamte Documenta werde von unabhängigen Antisemitismus-Experten auf weitere Skandalfälle geprüft. Mendel sollte dazugehören, gewann aber den Eindruck, Schormann halte ihn hin und habe ihr Angebot nicht ernst gemeint.

Man kann durchaus bezweifeln, ob eine solche unabhängige Prüfung der Documenta eines quasi-amtlichen Fachrates bedarf. Die judenfeindlichen Motive der Künstlergruppe Taring Padi waren schließlich für jedermann ersichtlich, der genau genug hinschaute. Antisemitismus ist weder eine Geheimwissenschaft noch ein hochkomplexer Code, für dessen Entschlüsselung es jahrelanger Studien bedarf. Der Skandal um „People’s Justice“ wurde durch den Tweet eines gewöhnlichen Documenta-Besuchers publik.

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Seit dem 18. Juni haben Tausende Menschen die Documenta besucht – die Überprüfung auf antisemitische Inhalte der Schau erfolgt gleichsam gegen Eintritt und bei laufendem Betrieb. Zwei Werke wurden zudem bereits vorab vom Fachpublikum als „problematisch“ eingestuft: die Bilderserie „Gaza Guernica“ und einige vom Kollektiv Subversive Films restaurierte historische Propagandafilme. Doch antisemitisch hat diese beiden Werkreihen aus guten Gründen niemand genannt.

Man könnte also annehmen, Schormann spiele auf Zeit, weil diese für die Documenta arbeite. Es erscheint jedenfalls als eher unwahrscheinlich, dass in Kassel drei Wochen nach Eröffnung noch weitere antisemitische Motive entdeckt werden. Allerdings spielt das in der Debatte um die angebliche „Antisemita“ schon keine Rolle mehr, was wiederum nicht zuletzt an Schormanns rätselhaftem Management der Krise liegt. Ihre Zeit ist wohl endgültig abgelaufen. 

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