Bonnie Garmus auf der lit.CologneEs braucht Mut, um auf die Vernunft zu hören

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Bonnie Garmus beim Literaturfestivals lit.Cologne Spezial 

Köln – Eigentlich, verrät Bonnie Garmus am Samstagabend bei der lit.Cologne Spezial, hatte sie Elizabeth Zott, die Protagonistin ihres Mega-Bestsellers „Eine Frage der Chemie“ (Piper) als äußerlich eher unscheinbar angelegt. Doch dann änderte sie ihre Meinung und machte aus der hochbegabten Chemikerin, die sich Anfang der 1960er Jahre in einer zutiefst misogynen Wissenschaftswelt durchsetzen will, eine Frau mit der Aura eines Filmstars.

„Schönheit war eine Last für eine Frau“

„Schönheit war eine Last für eine Frau in dieser Zeit bei der Arbeit“, sagt die gebürtige Kalifornierin, die mittlerweile mit ihrem Mann in London lebt. Wer schön ist, kann nicht schlau sein, so eines der unzähligen Vorurteile, mit denen sich Zott herumschlagen muss. Noch mehr trifft sie allerdings, dass der Wert ihrer Arbeit nicht anerkannt und sie daher auch nicht gefördert wird.

Das könnte nun eine ungemein deprimierende Geschichte werden, aber Bonnie Garmus erzählt mit so viel trockenem Humor, dass die Medizin, die sie verabreicht, angenehm süß schmeckt. Davon konnte sich das Publikum bei den Passagen überzeugen, die Schauspielerin Nina Kunzendorf wunderbar lebendig vorlas.

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Oder wie es Angela Spizig, Moderatorin des Abends im WDR Funkhaus, formulierte: „Dieser Roman zaubert ein Lächeln auf die Lippen der Frauen und sorgt bei den Männern hoffentlich für ein Stirnrunzeln.“ Sie frage sich, ob das Nobelpreiskomitee vielleicht den Roman gelesen habe, so Spizig, die souverän durch die anderthalb Stunden führte, mit Blick auf die neue Chemienobelpreisträgerin Carolyn Bertozzi. Und machte so deutlich, dass die Luft für Frauen in der naturwissenschaftlichen Spitzenforschung auch heute oft noch ziemlich dünn ist. Vieles von dem, was uns in „Eine Frage der Chemie“ begegnet, wäre zwar heute glücklicherweise undenkbar, aber echte Gleichberechtigung ist eben auch noch nicht erreicht.

Sie habe Elizabeth Zott erschaffen, weil sie selbst ein Vorbild brauchte, sagte Garmus dann auch. „Sie agiert stets rational. Ich wollte meine Zeit mit jemandem verbringen, der seine Entscheidungen auf Fakten basiert“, so die Autorin. Von den anderen gäbe es auch heute noch viel zu viele. Daher sei ihr Roman auch nicht als Kampf Männer gegen Frauen zu verstehen. Sie wolle viel mehr deutlich machen, dass wir alle mutiger sein und auf die Stimme der Vernunft hören sollten.

Bonnie Garmus kam vor dem Schreiben das Leben dazwischen 

Schon als junge Frau wusste die 1957 geborene Garmus, dass sie Bücher schreiben wollte. Was ihr denn dazwischen gekommen sei, fragte Spizig, denn „Eine Frage der Chemie“ ist tatsächlich ihr Debütroman. Die schlichte Antwort der Autorin: „Das Leben.“ Denn nach dem College musste sie Geld verdienen, weil ihre Eltern sie nicht länger unterstützen konnten.

Sie arbeitete als Kreativdirektorin vor allem in den Bereichen Medizin, Erziehung und Technologie – unter anderem bei den großen Techfirmen in Kalifornien, „die Sie alle kennen und vermutlich alle hassen.“ Die ersten anderthalb Romanversuche schrieb sie daher in den frühen Morgenstunden, bevor sie ins Büro aufbrach. Doch aus den ersten Entwürfen wurde nichts. Erst als sie Elizabeth Zott, die in ihrem verworfenen Romanprojekt nur eine Nebenrolle spielte, ins Zentrum rückte, kam der Erfolg.

Eine Fortsetzung von „Eine Frage der Chemie“ wird es nicht geben

Und der ist gewaltig. Der Roman wurde in 35 Länder verkauft, in Deutschland hält sich „Eine Frage der Chemie“ seit Monaten auf den vorderen Plätzen der Bestsellerliste, aktuell auf Rang 4. Und Apple dreht gerade für seinen Streamingdienst Apple TV+ eine Adaption der Serie mit Oscar-Preisträgerin Brie Larson in der Hauptrolle, die 2023 zu sehen sein soll.

Eine Fortsetzung der Geschichte soll es laut Garmus aber nicht geben. Sie arbeite an einem neuen Stoff mit neuen Charakteren. Elizabeth Zott begleite sie dennoch weiterhin: „Sie geht nie weg. Sie stellt immer alles infrage, was ich mache.“

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