Das Spiel mit der MaskeFrivoles Vergnügen: 10 Opern zu Karneval

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Das Spiel unter der Maske verbindet seit jeher Oper und Karneval

  • Oper und Karneval führen eine Ehe, die lange zurückreicht und besonders frivoles Vergnügen schätzt.
  • Was aber stiftete inhaltlich die Nähe von Oper und Karneval?
  • Über das Spiel mit Identitäten und moralischer Grenzüberschreitung.

Köln – Die Verbindung von Karneval und Oper ist uralt. Sie führt zurück in die frühe Geschichte der Gattung, also ins 17. und 18. Jahrhundert, da jene nicht nur musikalisch ihre erste große Blütezeit erlebte, sondern auch zunächst im Ursprungsland Italien, dann in ganz Europa die privaten und öffentlichen Opernhäuser wie Pilze aus dem Boden schossen. Die jeweilige Karnevalssaison, die auch damals schon vom November bis zum Aschermittwoch reichte, war zugleich die Saison der Opernnovitäten, die just zu diesem Anlass komponiert wurden – Repertoirebetrieb kannte man seinerzeit nicht, was auf die Bühne kam, hatte „neu“ zu sein.

Was aber stiftete inhaltlich die Nähe von Oper und Karneval? Nun, es war das hier wie dort stattfindende Spiel unter der Maske, das Spiel mit verflüssigten oder verborgenen Identitäten und Rollen auch im Zeichen anarchischer, aber lizenzierter moralischer Grenzüberschreitungen unter dem Gesetz ihrer zeitlichen Limitierung.

Venedig: die Metropole der frühen Oper

Ins Opernhaus hinein setzte sich die Linie jenes frivolen Vergnügens und Vergnügungswillen fort, die auch die Straßen der Stadt beherrschten. Venedig, Metropole des Karnevals in den katholisch-romanischen Ländern, war nicht von ungefähr auch eine Metropole der frühen Oper.

Greifbar wird die Beziehung zumal im Fall der heiteren Oper, der sich im 18. Jahrhundert entwickelnden Opera buffa. Das Verbindende ist hier die italienische Stegreifkomödie, die Commedia dell’Arte. Aus Goethes Beschreibung des römischen Karnevals in der „Italienischen Reise“ – in fiktivem Kontext dann aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Prinzessin Brambilla“ – wissen wir, wie deren Masken- und Typenspiel den Straßenkarneval auf dem Corso dominierte. Und das Figurenarsenal der Opera buffa mit ihren tumb-geldgierigen Alten, falschen Apothekern und Notaren, bramarbasierenden Offizieren und verschlagenen Dienern ist ohne die entsprechenden Vorbilder der Commedia dell’arte überhaupt nicht denkbar.

Die Oper der Karnevalssaison verlängerte das, was die Besucher in ihrer Alltagsumgebung sahen, in einen Kunstraum hinein – wirkliche und Kunstrealität bespiegelten einander in reizvollen Verdopplungseffekten. Dies potenzierte sich naheliegend noch, wenn es in der Karnevalsoper um den Karneval ging. Das war in der Operngeschichte immer mal wieder der Fall. Im Folgenden seien zehn Opern- und Operettenbeispiele aus dem 17. bis 19. Jahrhundert aufgeführt, in denen der Karneval thematisch wird.

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Richard Wagner: „Das Liebesverbot“ (1835)

In Wagners zweiter Oper spielt der Karneval in der Tat eine zentrale Rolle: Der Statthalter von Palermo will ihn bei Todesstrafe für Verstöße verbieten. Das gelingt natürlich nicht, und am Ende steht der Statthalter als Düpierter dar. Der Stoff hat übrigens das Zeug zu einer tragischen Oper, Wagner aber wendet ihn in seinem Jugendwerk ins Komische.

Hector Berlioz: „Benvenuto Cellini“ (1838)

Die Künstleroper um den genialen Bildhauer ist in den römischen Karneval des Jahres 1530 – genauer: in die Zeit zwischen Rosenmontag und Aschermittwoch – verlegt. Das ist deshalb notwendig, weil sich die zentralen Handlungsmotive – Verkleidungen, Entführungen und Spottpantomimen – schlüssig nur in karnevalistischem Kontext realisieren lassen.

Johann Strauss: „Eine Nacht in Venedig“ (1883)

Die Operette führt in die europäische Karnevalsmetropole schlechthin: in das Venedig des 18. Jahrhunderts. Es geht um eine Verkleidungs- und Verwechslungskomödie mit Liebesverwirrungen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher sozialer Stände. Die Operette endigt im orgiastischen Karnevalstreiben auf dem Markusplatz.

Johann Strauss: „Der Karneval in Rom“ (1873)

Noch einmal der Wiener Walzerkönig. „Karneval!/ Dich preisen wir mit Jubelschall; / deiner Huld, deiner Macht/ sei ein donnernd Hoch gebracht.“ Diese Verse intoniert der Schlusschor dieser in Rom spielenden Operette. Der Kontext ist insofern handlungswirksam, als er ohne das Verkleidungsmotiv nicht auskommt: Ein Tiroler Bauernmädchen gibt sich auf der Suche nach ihrem Geliebten als Savoyardenknabe aus.

Amilcare Ponchielli: „La Gioconda“ (1876)

Auch diese Oper spielt in Venedig, und auch hier läuft die Verbindung zum Karneval über das Maskenmotiv: Eine für den Karneval maskierte junge Frau, deren Identität zunächst ungewiss bleibt, rettet die blinde Mutter der Titelfigur, der Straßensängerin Gioconda, davor, in der Folge der Intrige eines verschmähten Liebhabers vom Mob als Hexe gelyncht zu werden.

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André Campra: „Carnaval de Venise“ (1699)

Und wieder der venezianische Karneval, diesmal als Sujet einer barock-französischen Ballettoper aus der Regierungszeit Ludwigs XIV.. Es geht dabei um erotische Verwicklungen zwischen vier Akteuren in der Lagunenstadt. Musikalisch ist Campra tatsächlich stark an den Klängen und dem Glamour des Karnevals interessiert, und dank seiner Spiel-im-Spiel-Elemente – in dieser Oper wird eine Oper aufgeführt – ist die Dramaturgie zukunftsträchtig.

Gaetano Donizetti „Il giovedi grasso“ (1829)

„Giovedi grasso“ heißt auf Deutsch nichts anderes als „Weiberfastnacht“ – womit die Gegenstandsbezogenheit dieser im neapolitanischen Karneval uraufgeführten, textlich auf Molière zurückgehenden einaktigen Farce erwiesen wäre. Das Motiv spielt aber keine handlungstragende Rolle, de facto handelt es sich um eine Intrige, in der sich zwei Liebende gegen die anderwärtigen Pläne des Brautvaters durchsetzen. Dazu bedarf es keines karnevalistischen Umfelds.

Giuseppe Verdi: „La traviata“ (1853)

Was hat Verdis Musiktragödie um die Kurtisane, die gesellschaftliche Vorurteile daran hindern, in den Hafen einer Liebesehe einzulaufen, mit Karneval zu tun? Nicht viel, aber immerhin. Im dritten Akt stirbt die schwindsüchtige Violetta, während sich vor ihrem Fenster karnevalistisches Treiben begibt. Hier wird es zum Symbol jener vitalen Ungerührtheit, mit dem der Lauf des Lebens über das katastrophale Einzelschicksal hinweggeht.

Giuseppe Verdi: „Un ballo in maschera“ (1859)

Auch in dieser Verdi-Oper ist das Karnevalsmotiv randständig – allenfalls. Es geht um eine Mordintrige, der Graf Riccardo auf einem Maskenball zum Opfer fällt. Dass dieser Ball mit Karneval zu tun hat, ist denkbar, obwohl der Umstand nicht erwähnt wird. Die realhistorische Vorlage lässt eine solche Verbindung nicht zu: Der Mordanschlag einer oppositionellen Adelsclique auf den schwedischen König Gustav III. fand am 16. März 1792 während eines Maskenballs in der Stockholmer Oper statt – also während der Fastenzeit.

Johann Strauss, „Die Fledermaus“ (1874)

Spontan dürfte viele die Frage nach einem karnevalsaffinen Bühnenwerk mit dem Hinweis auf Johann Strauss’ unsterbliche Operette beantworten. Der Grund: Sie kommt meist zur Karnevalszeit auf die Bretter, und die obwaltende Besoffenenkomik führt die Allusion ganz zwanglos herbei.

Indes: Es gibt im Werk selbst keinerlei Hinweise darauf, dass das zentrale Kostümfest beim Grafen Orlofsky ein karnevalistisches ist.

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