Gegen FundamentalismusMoraltheologe Eberhard Schockenhoff verstorben

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Eberhard Schockenhoff

Eberhard Schockenhoff

Wer sich im Jahrhundert-Pontifikat Papst Johannes Pauls II. (1978 bis 2005) als katholischer Theologe partout in die Nesseln setzen wollte, der spezialisierte sich am besten auf Moraltheologie. Ein falsches Wort zu den Reizthemen der Sexualmoral wie Empfängnisverhütung, Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Liebe, aber auch zur Bioethik – und schon drohten Sanktionen aus Rom. Auch deutsche Bischöfe beteiligten sich eifrig an der Jagd auf Irrlehrer und Abweichler. So verweigerte der heutige Münchner Kardinal Reinhard Marx der Theologin Regina Ammicht Quinn wegen ihrer Schriften zum Thema Gender die Lehrerlaubnis.

Ihr Freiburger Kollege Eberhard Schockenhoff mied über Jahre die heißen Konflikte. Nach der Generation der großen, auch über den kirchlichen Raum hinaus bekannten Fachvertreter wie Franz Böckle, Johannes Gründel oder Dietmar Mieth wurde er so zu „dem“ katholischen Moraltheologen in Fragen der Menschenwürde, wie auch der Friedens- und Medizinethik. 2002 berief ihn der damalige Kanzler Gerhard Schröder in den Nationalen Ethikrat. Dem Deutschen Ethikrat als Nachfolgegremium gehörte Schockenhoff bis 2012 an und fungierte vier Jahre als dessen Vize-Vorsitzender.

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Unter dem Eindruck wachsender Entfernung des kirchlichen Lehramts von der Lebensrealität wagte sich Schockenhoff, der unter anderem in Rom studiert hatte und dort 1978 zum Priester geweiht worden war, dann immer weiter aus der Deckung. Geschult an der scholastischen Tradition und der Theologie des Thomas von Aquin mit ihrer Vernunftbindung trat er gegen Fundamentalismus und für eine „menschendienliche Moraltheologie“ an, wie es der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Sonntag formulierte.

Mit schier unglaublicher Produktivität verfasste Schockenhoff ein ums andere Buch. Er plädierte für die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener und die gleichwertige Behandlung Homosexueller. Die ablehnende Haltung der Kirche nahm er mit großer Einfühlung für die Betroffenen als kränkend und – entgegen den Behauptungen des Lehramts – als diskriminierend wahr. „Wer sich für eine dauerhafte, verlässliche und so von der Kirche ja gewünschte Form der Beziehung entscheidet, der verdient moralische Anerkennung und Respekt“, gleich welcher sexuellen Orientierung.

Auch in hitzigen Diskussionen trat Schockenhoff stets verbindlich auf. Das machte ihn zu einem geschätzten Dialogpartner, an dem seiner Kompetenz wegen selbst Gegner nicht vorbeikamen. Mit Elan begab Schockenhoff sich 2019 auch auf den „Synodalen Weg“, einen innerkirchlichen Reformprozess, in dem es als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal unter anderem wieder um eine Erneuerung der Sexualmoral geht.

Der 67-Jährige ist am Samstag an den Folgen eines Unfalls gestorben. Seine Stimme wird für lange Zeit unersetzlich sein.

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