Netflix-Serie „Die Schlange“Die wahre Geschichte des Serienkillers Charles Sobhraj

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Jenna Coleman mit Tahar Rahim in „Die Schlange“

Jenna Coleman mit Tahar Rahim in „Die Schlange“

Köln – Immer mal wieder sticht aus dem Streaming-Sumpf eine Serie heraus, die besonders ist und zudem erfolgreich. Im vergangenen Jahr war das „Das Damengambit“, welches Netflix nicht nur einen Überraschungshit bescherte, sondern auch einen Schachboom auslöste. Beim Streaming-Giganten ist der ein oder andere bestimmt traurig, dass die Serie von Scott Frank nur als abgeschlossene Miniserie konzipiert wurde.

Netflix’ neuer Versuch, mit einer Original-Miniserie zu punkten, ist zunächst einmal eine Mogelpackung. Da „Die Schlange“ bereits Anfang des Jahres bei der BBC lief, macht Netflix jetzt den Achtteiler lediglich einem großen internationalen Publikum zugänglich.

Es geht um Diamanten und Morde

Alles dreht sich um die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte des Edelsteinhändlers Charles Sobhraj und der jahrelangen Fahndung nach ihm. Sobhraj, halb Vietnamese, halb Inder, mit französischer Nationalität handelte nicht nur mit Diamanten, sondern gewann in Bangkok und im Südostasien der 60er und 70 Jahre regelmäßig das Vertrauen von leichtgläubigen Rucksacktouristen. Seine Masche war es, die zumeist jungen Abenteurer mit falschen Medikamenten zu vergiften, um sie anschließend auszurauben und zu töten.

Hier beginnt das erste Problem der Serie. So richtig wird nicht klar, warum diese Geschichte so sehr faszinieren könnte, dass wir uns acht Stunden damit befassen sollten. Lange sieht es so aus, als hätte Sobhraj die Morde lediglich begangen, um an die Travellerschecks und Pässe seiner Opfer zu gelangen. Erst in der famosen abschließenden Folge wird klar, was für ein Egomane der Killer wirklich war. Wäre er nicht so in sich selbst verliebt, würde er vermutlich heute nicht mehr im Gefängnis in Katmandu einsitzen, sondern wäre ein freier Mann.

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Seine Festnahme ist auch der akribischen Arbeit des niederländischen Botschaftssekretärs Herman Knippenberg zu verdanken, der beharrlich zwei verschwundenen Holländern hinterher recherchiert und Kontakt zum inneren Kreis des Mörders aufnimmt. Sein spannendes Schicksal wird in „Die Schlange“ ebenfalls ausgiebig beleuchtet.

Während Tahar Rahim den selbstverliebten Mörder kühl und emotionslos verkörpert, ist Jenna Coleman der wahre Star der Serie. Bisher als Königin Victoria in der gleichnamigen britischen Serie zu internationalem Ruhm gelangt, überzeugt sie als Marie-Andrée Leclerc, Sobhrajs Komplizin und Geliebte. Ähnlich wie Nicole Kidman in der HBO-Serie „The Undoing“, lässt sie den Zuschauer lange Zeit über ihre Motivationen im Unklaren. Es ist in jeder Szene spannend, in die großen dunklen Augen zu schauen, um zu rätseln, ob sie von ihrem Geliebten und dem Leben, das er ihr bietet, fasziniert ist oder ob sie ihn für seine Morde verabscheut und nur aus reiner Angst bei ihm bleibt. Oder ist es vielleicht sogar so, dass sie selbst die Fäden in der Hand hält?

Weniger wäre mehr gewesen

Als nächstes wird sie im britischen Historiendrama „The War Rooms“ als Joan Bright zu sehen sein, die für Winston Churchill im Whitehall-Bunker gearbeitet hat. Am Ende, wenn bei „Die Schlange“ die obligatorischen Tafeln aufleuchten mit den Schriftzügen, was aus den Protagonisten der Geschichte im wahren Leben geworden ist, muss der Zuschauer bei ihrem Schicksal am ehesten schlucken.

Dann wird auch deutlich, dass Netflix hier keinen neuen Welthit präsentiert hat. Wie oft in der Streaming-Welt, ist weniger meist mehr. Ein 90-minütiger Film über einen der berüchtigtsten Verbrecher Asiens hätte etwas Besonderes werden können.

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