Superhelden sterben nichtWarum Cinzepänz ein herausragendes Kölner Kulturereignis ist

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Vier junge Superhelden aus dem kenianischen Film „Supa Modo“ von Likarion Wainaina

Vier junge Superhelden aus dem kenianischen Film „Supa Modo“ von Likarion Wainaina

Köln – Vor zwei Monaten verlieh der Kölner Kulturrat seine Kulturpreise. Und eigentlich hätte zumindest für einen Augenblick die Welt stehen bleiben müssen, als das „Kulturereignis des Jahres 2017“ bekannt gegeben wurde: das Kinderfilmfestival Cinepänz. Doch abgesehen von deutlich wohlwollendem Applaus geschah nichts dergleichen. Die Kölner Welt drehte sich weiter, und womöglich erfasste sie gar nicht die Sensation dieser großartigen Preisentscheidung.

Eine Fachjury hatte zehn Kandidaten vorgegeben, aus denen die Leser der beiden großen Kölner Tageszeitungen dann ihren Favoriten auswählten. Es war also quasi eine demokratische Publikumswahl, die diesmal keinem glanzvollen Konzert oder einer besonderen Kunstausstellung galt, auch keinem kurzlebigen Hochglanz-Event. Gewürdigt wurde vielmehr eine Kulturveranstaltung, die auch in diesem Jahr wieder ebenso engagiert wie unaufgeregt ganz Köln mit Filmkultur für junge Zuschauer bereicherte: in den Programmkinos von der Südstadt bis zum schönen neuen Kino in Kalk, in Bürgerhäusern von Chorweiler und Ehrenfeld bis Neubrück oder Vingst.

„Werke, die Kinder sehr ernst nehmen“

Einmal mehr präsentierte Cinepänz, durchgeführt vom jfc Medienzentrum, kurze und abendfüllende, lustige und zutiefst bewegende Filme, über die viel geredet und diskutiert wurde, die von einer Kinderjury bewertet und von jungen Filmkritikerinnen und Kritikern journalistisch begleitet wurden. Filme, die vom interessierten Kinopublikum ebenso bestaunt wurden wie von Schulklassen. Immer ging es dabei auch um gute Unterhaltung, nie aber um mal so nebenher konsumierbares „Family Entertainment“. Cinepänz-Leiter Joachim Steinigeweg: „Wir zeigen Filme, die sich mit der Lebenssituation und Lebenswirklichkeit von Kindern auseinandersetzen, Werke, die die Kinder sehr ernst nehmen.“

Gerade damit hinterlässt Cinepänz tiefe Spuren. Spuren, die sich nicht einfach an der Zahl verkaufter Eintrittskarten ablesen lassen, vielmehr an der Aufmerksamkeit und Stille während einer Filmvorführung, auch an den Gesichtern der Kinder sowie ihrem sorg- und zwanglosen Gesprächsbedarf. So wird Kino zum Raum, in dem man frei reden und streiten kann und mit dem Sehen auch die eigene Lebenssituation erfasst, abenteuerlich, sinnlich, selbstbewusst.

Zum Autor

Horst Peter Koll war langjähriger Chefredakteur des „Filmdienst“ und ist Experte für Kinder- und Jugendfilm. In seinem Gastbeitrag würdigt der Kölner Filmkritiker das Festival Cinepänz. (ksta)

Dabei fordern die Filme immer wieder heraus. So schlug der dänische Film „Kidnapping“ als Mischung aus turbulenter Komödie, präziser Beschreibung eines prekären Milieus und handfestem Krimi in Bann. Um ihre Familie zu retten, lassen sich vier Geschwisterkinder auf die Entführung eines kleinen Millionärssohns ein, was zu durchaus heiklen Verwicklungen jenseits einfacher pädagogischer Korrektheit führt. Doch das junge Publikum spürte sehr genau die feinen Übergänge zwischen „richtig“ und „falsch“ und zeigte sich differenziert solidarisch mit den Protagonisten.

„Supa Modo“ ist ein mitreißendes Drama

Die Vorliebe für oft verpönte Superhelden-Filme feiert „ Supa Modo“ aus Kenia, der im Rahmen eines Projekts entstand, das Regisseur Tom Tykwer zur Unterstützung afrikanischer Filmemacher anstieß. Das Thema eines unrettbar an Krebs erkrankten neunjährigen Mädchens hat im Vorfeld Schulen eher abgeschreckt, die den Film für Klassen gar nicht erst buchten. So verpassten sie ein mitreißendes Drama um kindliche Stärke, vitale Trauerarbeit und Fantasie – eine Liebeserklärung an die Zauberwelt des Kinos.

Zu der zählt auch die Wirklichkeitserfassung dokumentarischer Filme. „Power to the Children – Kinder an die Macht“ etwa zeigt, wie Kinder in Indien ihr Leben in die eigenen Hände nehmen, indem sie Kinderparlamente gründen und selbstbestimmt politische, ökologische und innerfamiliäre Probleme angehen. Sichtlich beeindruckt war das junge Publikum von der Entschlossenheit seiner indischen Altersgenossen. Nur nebenbei: Wenn Globalisierung und Migration Menschen enger zusammenführen, dann zeigen solche Filme, wie viel an Vielfalt eine Gesellschaft verträgt – und wie gut Kinder und Jugendliche mit „dem Fremden“ klarkommen.

Was Cinepänz erneut zeigt: Kinder und Jugendliche sind mehr als das konsumierende „Kulturpublikum von morgen“. Wobei (Film-)Kultur gerade für sie kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit ist. Wer das Festival verpasst hat, weil er vielleicht gar nicht wusste, dass es ein solches Juwel in der Stadt gibt, der sollte umdenken: Im nächsten Jahr wird Cinepänz 30 Jahre alt, und jeder, ob jung oder alt, muss sich das Jubiläum bereits jetzt vormerken.

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