Wanderausstellung im NS-DokOffene Wunden in der Stadtlandschaft

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Porträt aus der Ausstellung „Haut, Stein“

Köln – Immer wieder finden Menschen aus der rechtsextremen Szene heraus. Da die eigene Weltanschauung für viele Neonazis ein überragender Teil der Identität ist und oft das ganze Umfeld um die Szene kreist, ist die Frage danach wichtig, wie dieser Ausstieg vollzogen wird. Bei vielen bleiben Spuren zurück, zum Beispiel Tattoos. Für einen Neuanfang entscheiden sich also viele Aussteiger, die Tattoos zu entfernen oder ein neues darüberzustechen, auch wenn das Geld und Jahre und Schmerz kostet.

Diese NS-Symbole sind aber nicht nur auf individueller Ebene sichtbar. Auch in der deutschen Stadt- und Dorflandschaft finden sich nach wie vor NS-Symbole, um die sich schlichtweg niemand gekümmert hat. Eine Wanderausstellung versucht nun eine Gegenüberstellung der durch den Zahn der Zeit verschwindende Symbole auf Gebäuden mit den durch bewusste Abkehr verschwindenden Tattoos auf den Körpern der Aussteiger zu machen. Dabei stellt sich die Frage: Wie vergangen ist die deutsche Vergangenheit?

Ausstellung „Haut, Stein“ im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Die Installation „Haut, Stein“ wird ab dem 07. Oktober im NS Dokumentationszentrum der Stadt Köln zu sehen sein und basiert auf der Arbeit des Künstlers und Fotografen Jakob Ganslmeier. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie EXIT-Deutschland ins Leben gerufen, die Aussteiger aus der rechten Szene unterstützt. Ein die Ausstellung begleitender Podcast erzählt die Geschichten der Betroffenen aus der Ich-Perspektive. Eingesprochen wurden die Texte von Künstlern wie Patrick Salmen, Felix Lobrecht oder Steffen Schroeder.

Zum Künstler

Jakob Ganslmeier ist Fotograf und bildender Künstler aus Dachau. In seiner Heimat kam er früh damit in Kontakt, wie unterschiedlich der Umgang mit dem Erbe des 2. Weltkrieges ist. In seiner Kunst sertr er sich unter anderem mit Radikalisierung von Jugendlichen auseinander und dekonstruiert die Symboliken rechtsradikaler Ideologien. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Das NS-Dokumentationszentrum ist dabei als ehemalige Gestapo-Zentrale ein passender Ort für die Ausstellung. Ganslmeier sieht im Thema aber auch eine Gefahr. „Es ist nicht einfach, den Rechtsextremismus zu bebildern, ohne dem Rechtsextremismus eine Plattform zu bieten.“ Menschen der rechten Szene nutzen die Medien gerne, um sich zu inszenieren. Dabei vermeiden sie es aber tunlichst bestimmte Dinge zu zeigen. Und eines dieser Dinge sind die Aussteiger.

Die Ausstellung zeigt Tattoos von Aussteigern auch dem rechtsextremen Mileu

Umso wichtiger ist es den Schrecken zu betrachten, der bereits im Verschwinden und doch noch da ist. Manche Tattoos wirken, als wären sie mit Filzstiften gemalt und Wasser ausgesetzt gewesen. Die Porträtierten zeigen verschiedene Haltungen: Manche verbergen ihr Gesicht, etwa weil sie immer noch von Rechten als Verräter verfolgt werden, andere schauen geradezu konfrontativ in die Kamera. Auch die Gebäudesymbole wie Hakenkreuze, Soldaten und Reichsadler sind in die Jahre gekommen, beinhalten aber nach wie vor den Machtanspruch einer toten Ideologie, die dank ihrer Totengräber immer noch nach der deutschen Gesellschaft greift.

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Jakob Ganslmeiers Arbeiten wurden unter anderem in Hamburg, Prag, Oslo und Krakau ausgestellt.

„Oft ist es so, dass diese Symbole recht unkommentiert in der Stadtlandschaft stehen.“, sagt Ganslmeier. „Ich habe die Tattoos als Narben aufgefasst, als etwas, das verheilt. Die Symbole in der Stadtlandschaft dagegen sind wie offene Wunden.“ Der Künstler will aber nur die Beobachtung mache. Wie man etwa mit diesen Symbolen umzugehen habe, das sei eine Debatte für Historiker.

In manchen Städten war die Ausstellung als Freiluft-Installation konzipiert und es war den Akteuren kein Leichtes, sie für die Räumlichkeiten im EL-DE-Haus umzugestalten. Die Ausstellung wird noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen sein. Am 29. Oktober und am 8. Januar 2023 werden Führungen durch den Künstler selbst angeboten.

Zur Ausstellung

„Haut, Stein“ im EL-DE-Haus mit NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln

7. Oktober 2022 bis 8 Januar 2023. Di-Fr: 10-18 Uhr, Sa-So: 11-18 Uhr

Eintritt: 4,50€ / ermäßigt 2,00€

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