Wort des Jahres„Wellenbrecher“ ist ein Dokument der Hilflosigkeit

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Wellenbrecher ist das Wort des Jahres 

Wiesbaden – Wellenbrecher ist das Wort des Jahres 2021. Gekürt hat es die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Die macht das seit den späten 1970er Jahren regelmäßig. Schaut man sich frühere Wörter des Jahres an, wirkt das bestenfalls wie ein auf wenige Zeichen reduzierter Geschichtsunterricht. Manches Wort lässt indes auch ratlos zurück: Was war gleich noch einmal die „Lichtgrenze“ (Wort des Jahres 2014)?

Jetzt also Wellenbrecher.

Ein Wort aus Küstenschutz und Schiffbau, so die GfdS, das seit diesem Jahr all jene getroffenen oder nur diskutierten Maßnahmen meint, um die 4. Corona-Welle, na ja, zu brechen eben. Vielleicht taugt Wellenbrecher ja eher zum Wort des Monats, besonders häufig hat man es 2021 nicht gehört. Ein Wellenbrecher, erklären die Sprachforscher deshalb noch einmal, das könne auch eine Person sein, die sich an die beschlossenen oder empfohlenen Maßnahmen hält.

Wer nennt sich schon Wellenbrecher?

Wahrscheinlich ist Ihnen auch noch niemand begegnet, der sich stolz als Wellenbrecher bezeichnet. Das liegt weniger am Höflichkeitsgebot der Bescheidenheit, sondern eher an der Tatsache, dass sich die meisten Menschen von den aufeinanderfolgenden Corona-Wellen unterspült fühlen.

Wellen brechen bekanntlich von selbst. Surfer nutzen diesen Umstand, um in majestätischer Balance auf ihnen zu reiten. Das ist in den 20 Corona-Monaten freilich noch niemanden gelungen. Stattdessen haben wir die Orientierung verloren und keine Luft mehr bekommen.

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Ob die Sprachgesellschafter eine Analogie ziehen zu den Betonblöcken ziehen wollten, die an Häfen und Stränden Meereswellen brechen? Die wirken auf den Laien dem Hin und Her der Corona-Maßnahmen ja nicht unähnlich, nämlich wie aus einer Riesenlegobox ausgeschüttet und zufällig am Boden verteilt. Nur dass das im Fall der Betonblöcke tatsächlich klappt mit dem Wellenbrechen. Spricht aus dem Wort des Jahres also eher der Wunsch, man könnte den Wellenbewegungen des Virus ähnlich einfach die Kraft rauben, wie denen der Ozeane?

Auf den zweiten Platz hat die Jury übrigens „SolidAHRität“ gewählt, der Name einer Hilfsaktion für hochwassergeschädigte Winzer, soll sinnbildlich für die große Hilfsbereitschaft nach der Flutkatastrophe im Westen stehen.

Das ist auch eine Leistung, den beiden Katastrophen, die das Jahr überschatten, zweimal Positives abzugewinnen. Oder ein Dokument der Hilflosigkeit. Besser als zuzugeben, das alles den Bach runtergeht. Die Wörter, die einen dazu einfallen, sind schlicht nicht druckbar.

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