Leserbriefe zum TV-Auftritt MerkelsGute Gründe für ihre Russland-Ukraine-Politik

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Werbeplakat für das erste TV-Interview Angela Merkels, das sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundeskanzlerinnen-Amt am 7. Juni 2022 gab. 

Selbstkritik wäre angebracht – Angel Merkel verteidigt Russland-Ukraine-Politik – Kommentar von Markus Decker (9.6.)

Im Nachhinein ist man immer schlauer 

Auch Herr Decker hätte – aus heutiger Sicht – vor 15 Jahren manches besser machen können. Wie Frau Merkel. Eine Binsenweisheit. Er müsste sich aber auch erinnern: Vor 15 Jahren war die Ukraine ein von Oligarchen beherrschter Staat, der zu den korruptesten Europas gehörte. Seinerzeit war die Beitrittsperspektive zu Nato und EU für die Ukraine etwa so realistisch wie die für Nordkorea. Zu Recht!

Wäre es also besser gewesen, wenn Frau Merkel damals schon die Wünsche erfüllt hätte, die Herr Melnyk heute äußert? Ich meine: Nein. Vielleicht wäre es angebracht, wenn auch Herr Melnyk einmal in seinen Erinnerungen kramte. Damit kein Zweifel aufkommt: Ich bin heute für die totale wirtschaftliche, soziale und militärische Unterstützung der Ukraine und würde mir ein konsequenteres und entschiedeneres Vorgehen der Bundesregierung sehr wünschen. Kurt Harbodt Hennef

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„Merkel hat Schlimmeres verhindert“

Der ukrainische Botschafter ist erschüttert darüber, dass bei Angela Merkel „kein Hauch von Selbstkritik“ zu spüren sei. Ich bin erschüttert darüber, dass Herr Melnyk es zum wiederholten Mal an Benehmen und Respekt gegenüber Repräsentanten eines Staats fehlen lässt, der in den letzten Monaten tausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat und ihnen Schutz gewährt. Man kann sich nur wundern, dass Herr Melnyk von seiner Regierung noch nicht zurückgerufen wurde.

Fehl am Platz ist auch die Vorstellung von Kommentator Markus Decker, dass von Frau Merkel „Selbstkritik“ angebracht wäre. Die Kanzlerin a. D. hat sicherlich wie andere in ihrer früheren Position den einen oder anderen Fehler gemacht. Aber in ihrer Russlandpolitik hat sie dafür gesorgt, dass es nicht zu einem Schlagabtausch mit dem Westen gekommen ist. Man sollte sich auch daran erinnern, dass es der deutsche Bundestag war, der seinerzeit dem Auftritt von Putin und seiner Ansprache stehend applaudiert hat.

Frau Merkel braucht sich für ihre Russlandpolitik nicht zu entschuldigen. Im Gegenteil: Sie hat Schlimmeres verhütet. Dass in der Persönlichkeit des Kreml-Herrschers auch eine gehörige Portion suizidäre Kriminalität steckt, die über Leichen geht, hat ihre Russlandpolitik gewiss nicht erleichtert. Dass Frau Merkel von einem „anderen Interviewpartner hartnäckiger befragt worden“ wäre, wie Markus Decker schreibt, kann ich nicht nachvollziehen. Es war ein faires Interview, für das sich der Fragesteller nicht zu schämen braucht. Wolf Scheller Köln

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Mehr Zurückhaltung des ukrainischen Botschafters angebracht

Der ukrainische Botschafter ist mal wieder erschüttert über die Aussagen unserer Altbundeskanzlerin. Allmählich reicht mir das Fordern und Kritisieren dieses Herrn an unserer Führungsspitze. Um zu erkennen, dass nicht alles richtig war, brauchen wir niemanden von außerhalb. Dies besorgt schon die Opposition unter Herrn Merz, die ja wohl auch 16 Jahre in der Regierungsverantwortung war, und unsere neue grüne Kriegspartei mit Anton Hofreiter an der Spitze. Ein bisschen mehr Zurückhaltung von Seiten des Botschafters wäre hier schon angebracht oder bestimmt er in Zukunft die Politik unseres Landes ? Hans Peter Zilliken Kerpen

Wahrheitsliebe statt Selbstgerechtigkeit

Ich bin kein Freund von Angela Merkel. Vielleicht hätte sie zugeben sollen, dass sich ihre Russlandpolitik im Nachhinein als Fehler erweist. Allerdings täte es dem ukrainischen Botschafter Melnyk gut, endlich damit aufzuhören, selbstgerecht in seinem Berliner Büro zu sitzen und deutsche Politiker zu beschimpfen. Es ist schon erstaunlich, dass es von ihm keinerlei Selbstkritik – die er von anderen so gerne einfordert – gibt.

Wo bleibt denn seine Antwort auf die Klarstellung der Kanzlerin a. D., warum sich Frankreich und Deutschland damals weigerten, die Ukraine in die Staatengemeinschaft aufzunehmen? Wo ist sein Eingeständnis, dass die Ukraine noch weit von einem demokratischen Rechtsstaat entfernt war? Ein von Korruption geschütteltes Land, das von Oligarchen gesteuert wurde und in dem unterschiedliche Clans um die Macht kämpften.

Warum verschweigt er, dass es seine ehemalige Regierung war, die die Vereinbarung mit der EU auf Eis legte, um sich Russland zuzuwenden? Es ist nicht denjenigen, die früher für die damalige korrupte Regierung arbeiteten, sondern ausschließlich dem ukrainischen Volk zu verdanken, dass die Hinwendung Richtung Moskau misslang. Im Nachhinein war die zu starke Bindung Deutschlands an Russland ein Fehler, doch nur wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Herr Melnyk sollte sich dabei ganz hinten anstellen. Statt Selbstgerechtigkeit wäre Wahrheitsliebe angesagt. Wilhelm Georg Hanss Köln

Merkel hatte gute Gründe für ihre Russland-Politik

Ich habe das Interview mit Frau Merkel im Fernsehen gesehen und stimme mit der vorherrschenden Kritik in keiner Weise überein. Frau Merkel hat gute Gründe genannt, warum sie gegen eine Aufnahme der Ukraine in die EU war. Wir erinnern uns doch wohl alle daran, welch ein korrupter Oligarchen-Staat die Ukraine gewesen ist – nur der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk scheint das vergessen zu haben.

Ich fand es sehr enttäuschend, dass die Überschrift im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Interview mit Frau Merkel „Kein Hauch von Selbstkritik“ lautete und der Artikel ausführlich die Meinung des ukrainischen Botschafters dazu wiedergibt. Die klingt, als ob Putin den Krieg gegen die Ukraine nur beginnen konnte, weil Merkel so nett zu ihm gewesen ist. Ich hoffe, dass diesen Blödsinn niemand glaubt. Dr. Christiane Aschoff-Ghyczy Köln 

Exkanzlerin muss sich nicht entschuldigen

Herr Melnyk kann es wieder einmal nicht lassen, sich darin zu gefallen, Kritik an der Politik unseres Landes zu üben. Dieses Mal an Frau Merkel. Für was soll sie sich denn entschuldigen? In ihrer Amtszeit wurde sie zu Recht für ihren guten diplomatischen Umgang mit den schwierigen Herren in der Politik gelobt und hat dabei oft im Sinne von Deeskalation kluge Zurückhaltung geübt. Das würde Herrn Melnyk auch mal gut stehen, sich diplomatisch zurückzuhalten. Das wäre schließlich seine Aufgabe.

Wann hat er sich denn entschuldigt, etwa dafür, unseren Kanzler eine Leberwurst genannt zu haben? Im Gegensatz zu ihm hat Frau Merkel die Größe, sich entschuldigen zu können, wenn es einen Grund dafür gibt; das hat sie bewiesen. An dem unsäglich schrecklichen Krieg ist allein Putin schuld, niemand sonst. Helma Reifers Sankt Augustin

Merkel wäscht ihre Hände in Unschuld

Es fällt auf, dass sich Frau Merkel im Gespräch mit Alexander Osang nicht zur Energiewende geäußert hat. Das hat seinen Grund. Der von ihr betriebene schnelle Ausstieg aus der Kernenergie ist nicht vom Ende her gedacht. Die Kernenergie kann nicht nur durch Wind- und Sonnenenergie ersetzt werden, Stichwort „Dunkelflaute“. Das hätte gerade Frau Merkel als Naturwissenschaftlerin wissen müssen. Deshalb hat sich die Bundesregierung unter ihrer Führung für russisches Gas als Ersatz entschieden.

Das hat nicht nur zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, sondern offenbar auch zu einem politischen Wohlverhalten gegenüber Putins Russland geführt. Obwohl Frau Merkel nach eigenen Angaben vom Prinzip „Wandel durch Handel“ nichts hielt und die Feindseligkeit von Putin gegenüber der EU erkannte, hat sie sogar den Bau von Nord Stream 2 lange Zeit befürwortet. Trotzdem sieht sie im Unterschied zum Bundespräsidenten keinen Grund zu einer Entschuldigung, sondern wäscht selbstgerecht ihre Hände in Unschuld. Heinz-Jürgen Wurm Siegburg  

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