Leserbriefe zum Woelki-InterviewWarten auf Entscheidung wird unerträglich

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Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, wartet auf das ausstehende Urteil des Papstes über sein Rücktrittsgesuch. 

Interview mit dem Kölner Kardinal Rainer Woelki über die Missbrauchsaufarbeitung, die Austrittswelle im Erzbistum Köln und sein Rücktrittsgesuch (3.9.)

„Geduld und Hoffnung sind am Ende“

Nach 59 Jahren Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, allzeit gläubig und aktiv, bis Corona noch Kommunionhelfer in meiner Gemeinde, habe ich mir soeben einen Termin beim Amtsgericht zum – vorübergehenden? – Kirchenaustritt reserviert. Seit nun schon einem dreiviertel Jahr warte ich auf den freiwilligen oder unfreiwilligen Rücktritt des Kardinal Woelki. Doch mit dem Interview im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sind meine Geduld und Hoffnung am Ende.

Ich bin nicht mehr bereit, Mitglied in einem Erzbistum zu sein, wo die Leitung so undiplomatisch, wenig sensibel, oft überheblich das Sagen hat. Ganz zu schweigen von der Verschwendung von Steuergeldern für weitere Gutachten, PR-Berater und die Gründung einer eigenen erzkatholischen Hochschule. Ich bin davon überzeugt, dass wir die christlichen Kirchen für unsere ethische Prägung und unseren gesellschaftlichen Umgang untereinander, auch mit anderen Religionen, dringend brauchen.

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Der Ortsbischof muss doch den Wunsch, das Bedürfnis und den Anspruch haben, ein Seelsorger für alle, auch für Nichtchristen zu sein und nicht nur für eine konservativ geprägte Gruppe innerhalb des Erzbistums. Die Enthüllungen über sexuellen Missbrauch haben meine Frau und mich tief enttäuscht und traurig gemacht. Trotzdem kann ich mir eine Zukunft in der katholischen Kirche wieder vorstellen, wenn der „Synodale Weg“ in gegenseitiger Achtung und auf Augenhöhe weitergegangen wird. Dr. Georg Bauer Overath

Rücktritt des Erzbischofs sollte jederzeit möglich sein

Wenn es nicht den tiefernsten, abgründigen Hintergrund der Missbrauchsgeschichte und das autoritäre Führungsgebaren gäbe, könnte man das würdelose Gezerre der Kölner Bistumsleitung fast als Vorlage für ein neues Stück im Kölner Hänneschen-Theater nehmen. Darüber hinaus kann kein männerbündischer vatikanischer Machtapparat, kein – hilfloser? – Papst einen Bischof hindern, für einen Neuanfang zurückzutreten, wenn er es – notfalls gegen jedes Kirchenstatut – denn wirklich will! Dr. Ulrich Mennicken Leverkusen

Durch sein Zögern in der Causa Woelki leidet das Ansehen des Papstes 

Die Affäre Woelki weitet sich inzwischen zu einer Affäre Franziskus aus. Der Papst hat bezüglich des Limburger Bischofs Tebartz van Elst relativ rasch gehandelt und ihn wegen Geldverschwendung entlassen. Kardinal Woelki hat bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle erhebliche Fehler gemacht, er hat Millionen Euro für unnötige Gutachten und Beratungen verschwendet und nicht nur das Vertrauen unzähliger Gläubiger, sondern vor allem auch mehrerer kirchlicher Institutionen verloren.

Der Papst hat ihn wegen seiner Fehler gerügt, er hat ihm eine mehrmonatige Auszeit verordnet und er hat ihm nahegelegt, sein Rücktrittsangebot einzureichen. Jetzt nach mehreren Monaten immer noch zu argumentieren, er brauche Zeit und wolle nicht unter Druck entscheiden, ist völlig unverständlich. Das Bistum Köln und auch der Kardinal selbst müssen doch nun endlich wissen, ob Woelki entlassen wird oder im Amt bleiben soll. Je länger man auf diese Entscheidung warten muss, desto größer wird die Verunsicherung in den Gemeinden und desto mehr leidet das Ansehen des Papstes. Prof. Dr. Claus Werning Frechen

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„Ich bin dankbar, dass Woeki Erzbischof in Köln ist“

Es ist dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu danken, dass er dieses Interview geführt hat. In der Tat hat Kardinal Woelki weit mehr getan als viele andere deutsche Bischöfe, um den ungeheuren Skandal des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch kirchliches Personal aufzuklären. Dass hier insbesondere bei der Mandatierung der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl und dem Umgang mit dem Betroffenenbeirat Fehler geschehen sind, ist unbestritten.

Kardinal Woelki entzieht sich dem aber nicht, vielmehr spricht er davon, dass er Fehler gemacht hat und macht. Ich meine: Mir ist ein Bischof näher und lieber, der sich seines Nichtperfektseins bewusst ist und dennoch zu seinem Dienst als Bischof steht, als die Arroganz mancher seiner Mitbrüder anderswo. Ich oute mich gern als einer derjenigen, die dankbar dafür sind, dass Rainer Maria Woelki Erzbischof in Köln ist. Dr. Andreas Reimann Köln

Für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche

„Ich muss mich zuerst und vor allem vor Gott verantworten. Zum zweiten vor meinem Gewissen. Das sind für mich die entscheidenden Instanzen.“ (Zitat Woelki) Es ist für mich als katholische Christin, die zeit ihres Lebens nach den Quellen unseres Glaubens forscht, Theologie studiert hat und mit Kindern – den eigenen und Schülern und Schülerinnen – suchend und fragend gemeinsam Sinn und Halt sucht, geradezu schmerzhaft, die Äußerungen von Herrn Woelki zu lesen. Mein erster Impuls war, mich sofort mit einem Plakat vor sein Haus zu stellen. „Wem gehört die Kirche?“ – diese Frage der Maria 2.0-Bewegung lässt sich noch erweitern: Wer missbraucht Gott? Wer führt die oft grausame Geschichte der Christenheit an ihr bitteres Ende?

Gerade in der heutigen Zeit suchen so viele Menschen nach Glück, Gesehen-Werden, Sinn und Halt. Schon lange bietet die katholische Kirche kaum mehr heilende Segensräume, in denen jeder Mensch in seiner Zerrissenheit und mit seinen Nöten und Sorgen aufgehoben und getröstet wird. Herr Woelki scheint kein Interesse an den Menschen seines Bistums zu haben, er umgibt sich ausschließlich mit den wenigen Menschen, die ihm huldigen.

Die kalte und rein machterhaltende Sicht des Kardinals auf die derzeitige Situation im Erzbistum Köln und vor allem seine ignorante und verachtende Einstellung zu den Opfern des geistigen und körperlichen Missbrauchs innerhalb der Kirche tut mir körperlich und seelisch weh. Wenn er den Missbrauch als Krake sieht, die alles und jedes in den Würgegriff nimmt, objektiviert er seine Verantwortung und tritt die Menschenwürde der Betroffenen mit Füßen. Herr Woelki schreckt nicht einmal davor zurück, seine „Mitbrüder“ zu diffamieren, Tatsachen zu verdrehen und nun auch noch mit dem „Projekt“ der Kölner Hochschule für Katholische Theologie zukünftige Priester in einem geschlossenen System fundamentalistisch und rückwärtsgewandt zu manipulieren und gefügig zu machen.

Was tun? Gemeinsam mit vielen mitwirkenden Organisationen, wie Wir sind Kirche, Maria 2.0, Ordensfrauen für Menschenwürde und viele andere, an der „KirchenVolksKonferenz“ im September teilnehmen. Wir sind die Mehrheit der katholischen Christen und Christinnen, die mit Wut, Widerstand und Liebe gemeinsam die Kirche erneuern wollen. Ulla Potthast Köln

Vertrauen in die Kirche verspielt

Den Entschluss des Erzbischofs, die Westpfahl-Spilker-Wastl-Studie durch die Gercke-Studie zu ersetzen, finde ich weiterhin von der Sache her richtig. Schockierend aber ist die ersichtliche Motivation bei all seinem Vorgehen. Schon die aufgesetzte Empörung bei der Pressekonferenz sprach Bände – jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Es ging für Woelki vor allem darum, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu überleben.

Und die Kosten für seine Imagepflege belaufen sich nicht nur auf unverschämte 820.000 Euro. Der Preis ist viel höher. Da wurden die Kollegen – Offizial und Weihbischöfe – als Sündenböcke verkauft, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Da wurde Vertrauen in unsere Kirche verspielt. Und da wird noch immer die Entzweiung unseres Erzbistums eingepreist, um im Amt zu bleiben. Einen persönlichen Obulus – Ehrlichkeit, Reue, Demut – verweigert der Kardinal. Dr. Petra Janke Odenthal

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Kardinal Rainer Woelki (links) im Gespräch mit KStA-Chefredakteur Carsten Fiedler (Mitte) und Joachim Frank (rechts)

„Wie lange muss das Erzbistum Köln das noch alles ertragen?“

Im Beitrag „Woelki verzichtet auf Klage gegen Schüller“ von Joachim Frank wird wieder einmal deutlich, dass die Enthüllungen um dubiose Praktiken im Erzbistum Köln noch lange nicht enden. Neben der Rücknahme der Klage gegen Professor Thomas Schüller kommen jetzt auch Details zur Vernichtung von Namenslisten von straffällig gewordenen Priestern im Missbrauchskomplex ans Licht. Mit der Vernichtung wurde eklatant gegen Kirchenrecht verstoßen und Kardinal Woelki beruft sich darauf, sich auf seine verantwortlichen Mitarbeiter verlassen zu haben. Auch kann er sich nicht mehr an die Namen der übergriffig gewordenen Priester erinnern.

An alles, was Kardinal Woelki aus seiner Sicht richtig gemacht hat, kann er sich erinnern; nur an das, was er versäumt oder vielleicht auch vertuscht hat, fehlt ihm die Erinnerung. Seit dem Rückzug des ersten Gutachtens werden Heerscharen von Juristen beschäftigt, um den Machterhalt von Kardinal Woelki zu retten. Wie weit er seinen originären Aufgaben als Priester und Seelsorger noch nachkommen kann, mögen andere beurteilen.

Bezeichnend war auch sein Verhalten zum 700-jährigen Domjubiläum. An diesem so wichtigen Tag für den Dom begibt er sich in einen süddeutschen Wallfahrtsort und lässt als Ortsbischof seine Hohe Domkirche von Stellvertretern feiern. Wie lange muss das Erzbistum Köln das noch alles ertragen? Karl-Heinz Welteroth Köln

Hoffnung auf staatliche Aufklärung des Missbrauchskomplexes

Lieber „Kölner Stadt-Anzeiger“, höre doch bitte endlich auf, Kardinal Woelki und seiner Kirche immer wieder auf der Titelseite umfangreich und prominent Platz einzuräumen. Das Missbrauchsthema ist unerträglich, auch für Nichtkatholiken, die kirchenrechtlichen Belange und Verfehlungen sind es aber auch. Immerhin gehören laut Wikipedia 52,8 Prozent der Kölner Bürger nicht einer christlichen Kirche an, römisch-katholisch sind weniger als ein Drittel. Die objektive Aufklärung der Missbrauchsfälle kann die katholische Kirche ohnehin nicht liefern. Hier sind Bock und Gärtner eins.

Nur weil aus historischen Gründen die Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigenem Kirchenrecht ist, hält sich die Staatsanwaltschaft unverantwortlich höflich zurück. In jedem Verein würde bei bekanntgewordenen Straftaten sofort ein Staatsanwalt aktiv werden. Darum müsste grundsätzlich auch für alle Religionsgemeinschaften gelten: Sie sollten keine Körperschaft des öffentlichen Rechts mehr mit eigenem, überstaatlichem Rechtssystem sein und stattdessen nur noch Vereinsstatus haben. Dies brächte endlich die grundgesetzlich verbriefte Trennung von Kirche und Staat voran. Peter Küsters Köln

Ist die Kirche dabei, sich selbst abzuschaffen?

Mir ist aufgefallen, dass heute „Coaches“ wie Pilze aus dem Boden schießen. Für jedes menschliche Problem gibt es einen Coach, der tröstet und hilft, das Problem zu lösen. Wer hat das eigentlich früher gemacht? Ich meine, das Coachen war eine der Hauptaufgaben der Kirchen. Heute findet es kaum noch statt. Manche Leute gehen zwar sonntags in die Kirche und hören sich dort eine Predigt an. Aber schon das Beichten ist weitgehend abgeschafft. Die heutigen Mitglieder der katholischen Kirche sehen sich nicht mehr als arme Sünder, die dringend der Buße bedürfen, obwohl ihnen das manchmal vielleicht guttäte.

Aber die Kirche tut auch nichts dafür, ihnen dabei zu helfen. Sicher gibt es noch einige Priester, die damit in gutem Sinne und hoffentlich auch erfolgreich arbeiten, aber sie leiden darunter, dass die obersten Repräsentanten der Kirche dabei nicht mitziehen. Im Gegenteil: Sie haben mit Buße oder Reue nicht viel zu tun. Sie fordern für sich selbst, dass sie das nicht nötig haben und gehen – gerade hier in Köln – mit schlechtem Beispiel voran. 

Der Papst selbst ist dabei vielleicht eine Ausnahme oder wird wenigstens oft dafür gehalten. Er kann sich jedenfalls gegen seine Umgebung, die Kardinäle, nicht durchsetzen. Sie beharren mehrheitlich auf ihren alten Vorrechten und stellen sich jeder Reform der Kirche entgegen. Die „Gläubigen“, die natürlich längst nicht mehr gläubig sind und sich drastische Reformen herbeiwünschen, verlassen in Scharen eine Kirche, die ihren Anliegen und Bedürfnissen nichts mehr bietet.

Das scheint die „hohen Herren“ nicht zu stören. Ein Schwund gut zahlender Mitglieder ist inzwischen normal und im wahrsten Sinn des Wortes „eingepreist“. Geld aus früheren Zeiten ist in der deutschen katholischen Kirche genügend vorhanden und auch nicht in Gefahr verloren zu gehen, solange im Bundestag „christliche“ Parteien die Mehrheit stellen. Was wäre wohl, wenn, wie in den meisten europäischen Ländern, die Trennung von Kirche und Staat ernsthaft durchgeführt würde? Dann würde nicht mehr das Finanzamt für die Kirche die Steuer eintreiben.

Aber solange es der katholischen Kirche in Deutschland so gut geht wie bisher, wird es keine Reformen geben und damit der eigentliche Auftrag der Kirche, auf die Menschen hilfreich zuzugehen, ein frommer Wunsch bleiben. Die Coaches brauchen also nicht um ihre Daseinsberechtigung fürchten. Dr. Jörg Schwager Bergisch Gladbach  

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