Unmenschliche ZuständeBeckers Gefängnis ist von Ungeziefer durchseucht

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Boris Becker vor dem Wandsworth-Gefängnis in London.

Boris Becker vor dem Wandsworth-Gefängnis in London. (Bildkombo ksta)

London/Köln – Boris Becker sitzt seit Freitag im Londoner Wandsworth-Gefängnis. Die Haftanstalt im Süden der britischen Metropole genießt nicht gerade den besten Ruf – ganz im Gegenteil.

Das viktorianische Wandsworth-Gefängnis, in das der verurteilte Ex-Tennisprofi am Freitag per Sicherheitstransport gebracht wurde, nachdem er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, liegt im Süden von London – ganz in der Nähe seiner sportlichen Geburtsstätte, dem Centre Court von Wimbledon.

Wandsworth-Gefängnis genießt einen üblen Ruf

Während neben dem heiligen Rasen von Wimbledon Erdbeeren mit edler Crème double gereicht wird, ist in Wandsworth eher schlichtere Kost angesagt. Geht es um „Wanno“, wie das Gefängnis der hohen Sicherheitskategorie B von seinen Insassen genannt wird, fallen schnell die Worte Drogen, Gewalt und Ratten.

Seit einigen Tagen ist der 54-Jährige nun vorläufig dort untergebracht, wie sein Anwalt Giles Bark-Jones der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Das Gefängnis selbst verwies auf dpa-Anfrage auf das Justizministerium, das zu Becker und den Haftumständen aber nichts sagt.

Charles Taylor, der Oberinspektor für britische Gefängnisse, schrieb in einem im Januar veröffentlichten Bericht nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme der Zustände von einem „bröckelnden, überfüllten, von Ungeziefer verseuchten Gefängnis“.

Wandsworth Knast dpa

Außenansicht auf das viktorianische Wandsworth-Gefängnis.

Boris Becker erhält zwölf Euro Taschengeld pro Woche

Es wimmele von Mäusen und Ratten. Essensreste würden achtlos aus den Zellen geworfen, Gewalt sei an der Tagesordnung - mit steigender Tendenz.

Taschengeld bekommt Becker ebenfalls. Pro Woche stehen ihm zehn Pfund (umgerechnet knapp zwölf Euro) zur Verfügung. Auch eine Telefonkarte steht ihm zu. Auch das Duschen ist streng geregelt. Nur zweimal in der Woche darf er die Gemeinschaftsdusche für knapp zehn Minuten benutzen.

Gefängnis von Boris Becker hoffnungslos überfüllt

Mehr als die Hälfte der befragten Insassen gab an, sich während ihrer Haft unsicher gefühlt zu haben. Weil das Gefängnis so überfüllt sei, müssten sich die Häftlinge immer wieder entscheiden, ob sie sich lieber bewegen, duschen oder eine Bestellung am Kiosk aufgeben, hielt Taylor fest. Oft verbrächten sie 22 Stunden am Tag in ihrer Zelle, manchmal wochenlang ohne Zugang zu frischer Luft und Tageslicht.

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Boris Becker (r.), seine Lebensgefährtin Lilian De Carvalho Monteiro (l.) und sein Sohn Noah verlassen den Southwark Crown Court (Archivbild)

Mit 1364 Insassen galt Wandsworth, das einst den aufgrund seiner Homosexualität eingesperrten Schriftsteller Oscar Wilde beherbergte, im vergangenen September als eines der überfülltesten Gefängnisse Englands. Drei Viertel der Insassen sollen zu zweit Zellen bewohnen, die eigentlich nur für eine Person vorgesehen sind.

Der Journalist und Ex-Häftling Chris Atkins, der mehrere Jahre in dem gefürchteten Gefängnis verbracht hat, erinnert sich in seinem Buch, aus dem die „Mail on Sunday“ Auszüge veröffentlichte, an die Geräuschkulisse, die sich in seinem Gedächtnis eingebrannt habe. „Rufen, hämmern, schreien, grunzen, bellen, drohen, schimpfen, lachen, jammern, streiten, kämpfen, heulen, weinen“, zählt Atkins auf. „Es klingt, als hätte jemand jeden einzelnen Soundeffekt heruntergeladen und würde sie alle auf einmal abspielen.“

Boris Becker winkt rasche Versetzung

Es gibt aber Hoffnung für den verurteilten Becker: „Ich rechne nicht damit, dass er lange in Wandsworth bleiben wird“, sagte Anwalt Bark-Jones der dpa. Nach einigen Wochen werde er voraussichtlich in ein Gefängnis mit einer niedrigeren Sicherheitsstufe verlegt.

Insgesamt soll die Tennis-Ikone mindestens die Hälfte seiner zweieinhalbjährigen Haft absitzen müssen. Theoretisch kann der 54-Jährige noch Einspruch gegen das Urteil einlegen. Die Erfolgsaussichten gelten jedoch als eher gering. Anschließend droht ihm die Abschiebung nach Deutschland.

In Wandsworth sei es selbst für ihn als Anwalt schwierig, Zugang zu seinem Mandanten zu bekommen, berichtete Bark-Jones. „Das kann mehrere Tage dauern.“ Für Angehörige dürften die Möglichkeiten noch begrenzter sein. Telefonieren aus der Zelle sei möglich.

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Aber: „Wärter können sich jederzeit in die Anrufe schalten - um Kriminalität vorzubeugen und Menschen zu schützen“, wie es auf der offiziellen Seite von Her Majesty's Prison Wandsworth geschrieben steht. (mbr/dpa) 

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