Zynische Kommentare nach Abhöraktion„Letzte Generation“ verhöhnt Staatsanwaltschaft mit Aktion in München

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Mitglieder der „Letzten Generation“ haben am Donnerstagmorgen am Eingang der Generalstaatsanwaltschaft München in der Karlstraße 66 Plakate angebracht.

Mitglieder der „Letzten Generation“ haben am Donnerstagmorgen am Eingang der Generalstaatsanwaltschaft München in der Karlstraße 66 Plakate angebracht.

Die Letzte Generation hilft der Staatsanwaltschaft bei deren Ermittlungen gegen sie selbst. Was bezweckt die Gruppe damit?

Mitglieder der Gruppe Letzte Generation haben am Donnerstagmorgen mit einer Aktion vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft München die ermittelnde Staatsanwaltschaft dabei vorgeführt. Insgesamt zehn Personen der Letzten Generation klebten Plakate an die Wand, außerdem wandte sich Lars Werner von der Letzten Generation vor Pressevertretern in einer Ansprache direkt an die Staatsanwaltschaft.

Hintergrund der Aktion: Bayerische Ermittler hatten Telefone der Klimaaktivisten abgehört – ein wichtiges Ziel war dabei, die Strukturen der Organisation aufzuklären. Mit dem Auftritt in München wollte die Gruppe den Ermittlern der eigenen Aussage nach unter die Arme greifen.

Letzte Generation will Staatsanwaltschaft in München bei Ermittlungen unterstützen

„Unter anderem soll laut Akte eine Gruppe noch nicht identifizierter Hintermänner ermittelt werden, welche strategische Entscheidungen trifft – die sogenannte ‚Kerngruppe‘“, heißt es in einer Pressemitteilung der Letzten Generation mit Bezug auf die Abhöraktion.

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Ihre Plakate zeigten, „dass durch eine Google Suche mit den Begriffen ‚Kerngruppe‘ und ‚Letzte Generation‘ die Identitäten in wenigen Sekunden festgestellt werden konnten. Sie führt zu einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 09. März, in dem alle Mitglieder der Kerngruppe mit vollem Namen genannt werden. Diese Informationen hatte die Letzte Generation auf SZ-Anfrage mitgeteilt“.

Letzte Generation nach Bekanntwerden der Abhöraktion mit zynischen Kommentaren in Richtung Staatsanwaltschaft

Außerdem brachten Lars Werner und weitere Mitglieder der Gruppe „entlarvende Selfies“ mit, „um eine Verwechslung auszuschließen.“ Werner wolle mit den Plakaten dazu beitragen, dass die Ermittlungen eingestellt werden könnten, „da alles Wissenswerte bereits der Öffentlichkeit zugänglich ist“, heißt es in einer Mitteilung der Letzten Generation.

„Ich bin mir nicht sicher, ob die Staatsanwaltschaft in München die Süddeutsche vielleicht nicht bekommt, aber dort steht drin, wer diese ominösen Strippenzieher der Letzten Generation sind. Wir helfen gerne!”, so Werner vor Ort zynisch. Auch in einem Video auf Twitter verhöhnt die Gruppe die Ermittler.

Was die Gruppe andeutet: Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München seien entweder nicht ernst zu nehmen, oder aber die Identifizierung des „Kernteams“ sei als Grund für die Abhöraktion nur vorgeschoben. In jedem Fall kritisiert die Gruppe das Vorgehen der Justiz.

Letzte Generation: Abhöraktion bekannt geworden

Bayerische Ermittler hatten einen als Pressekontakt genutzten Telefonanschluss der Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation abgehört, wie die Generalstaatsanwaltschaft einräumte. Die Überwachung sei zum 26. April eingestellt worden, „nachdem auf der Grundlage der bis dahin ermittelten Erkenntnisse die weitere Überwachung nicht mehr verhältnismäßig gewesen wäre“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft München am Dienstag mit. Zuvor sei die Verhältnismäßigkeit auch mit Blick auf den Verfassungsrang der Pressefreiheit ständig geprüft worden.

Dabei seien Generalstaatsanwaltschaft wie Amtsgericht München zu der Auffassung gelangt, dass die Maßnahme vor dem Hintergrund des Tatvorwurfes der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung als Straftat von erheblicher Bedeutung verhältnismäßig sei, um die Strukturen der Organisation aufzuklären. „Dabei sind die Organisation und Verantwortlichkeiten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wichtige Gesichtspunkte“, hieß es.

Kritik an Abhöraktion, da auch Journalisten betroffen

Laut „Süddeutscher Zeitung“ hatten bayerische Ermittler seit Oktober 2022 einen Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl überwacht, den die Letzte Generation als ihr offizielles Pressetelefon angab. 

Die Tatsache, dass bei der Überwachung auch Journalisten als sogenannte Berufsgeheimnisträger abgehört wurden, hatte für breite Kritik gesorgt. „Die überwachten Anschlüsse wurden nach den bisherigen Erkenntnissen nicht nur für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch für verfahrensrelevante weitere Kommunikation genutzt“, betonte nun die Generalstaatsanwaltschaft. „Insbesondere stellte das auf der Homepage der „Letzten Generation“ öffentlich als „Pressekontakt“ bezeichnete Festnetztelefon in organisatorischer Hinsicht einen wesentlichen Kommunikationskanal der ‚Letzten Generation‘ dar.“

Generalstaatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen Letzte Generation

Den Angaben zufolge gibt es ein Ermittlungsverfahren der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) gegen sieben Mitglieder der Letzten Generation. Im Rahmen dieses Verfahrens habe das Amtsgericht München gegen sechs der Beschuldigten auch Beschlüsse zur Überwachung der Telekommunikation erlassen. Sie wurden vom Bayerischen Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft München vollzogen. Die Anschlüsse wurden laut Staatsanwaltschaft teils als Pressekontakt genutzt.

Mit Gesetzestexten in der Hand demonstrierten zu Beginn der Woche Mitglieder der Partei „Die Linke“ vor dem Justizministerium in der Innenstadt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte bestätigt, dass Ermittler Telefonate von Mitgliedern der Klimagruppe „Letzte Generation“ in ihrem Auftrag abgehört haben.

Mit Gesetzestexten in der Hand demonstrierten zu Beginn der Woche Mitglieder der Partei „Die Linke“ vor dem Justizministerium in der Innenstadt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte bestätigt, dass Ermittler Telefonate von Mitgliedern der Klimagruppe „Letzte Generation“ in ihrem Auftrag abgehört haben.

„Hervorzuheben ist, dass die Beschlüsse sich nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten“, hob die Generalstaatsanwaltschaft hervor. Allerdings seien Journalistinnen und Journalisten von den Maßnahmen mitbetroffen gewesen.

Gemäß den Vorgaben würden Gespräche mit Pressevertretern, sofern sie als solche erkennbar seien, grundsätzlich als „nicht relevant“ in der Bearbeitungssoftware markiert und damit nicht Teil der Verfahrensakte. „Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn dem Inhalt eines Gesprächs Verfahrensrelevanz zukommt.“ Die Auswertung der überwachten Gespräche dauere derzeit noch an, hieß es. (mit dpa)

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