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Reul legt Bericht vorRüder Tonfall, Zwist bei Kontrolle – Zahl der Beschwerden über die Polizei steigt

Lesezeit 4 Minuten
Klimaaktivisten blockierten die Kreuzung am Kölner Ebertplatz im März 2024. Die Räumungen verlaufen in solchen Fällen nicht immer ohne Zwischenfälle.

Klimaaktivisten blockierten die Kreuzung am Kölner Ebertplatz im März 2024. Die Räumungen verlaufen in solchen Fällen nicht immer ohne Zwischenfälle.  

Auch Polizeibeamte verhalten sich im Dienst nicht immer korrekt. Gemessen an der hohen Zahl der Einsätze sind Beschwerden über sie aber gering. Das geht aus einer aktuellen Auswertung hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

In den Polizeibehörden des Landes NRW sind im Jahr 2024 insgesamt 3 438 Beschwerden über Polizeieinsätze eingegangen – dies ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um rund drei Prozent. Das geht aus einem Bericht von NRW-Innenminister Herbert Reul an den Düsseldorfer Landtag hervor, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Insgesamt wurden in NRW im vergangenen Jahr 5.247.898 Einsätze durchgeführt.

Der CDU-Politiker Reul zeigte sich mit den Ergebnissen des Berichts zufrieden. Von den bereits 2 376 abgeschlossenen Beschwerden des Jahres 2024 hätten sich 1 824 als unbegründet erwiesen, von den restlichen waren 233 „nicht aufklärbar“, 195 waren nur „teilweise begründet“. „Dass bei über fünf Millionen Einsätzen nur 0,07 Prozent zu einer Beschwerde führen und nur ein Bruchteil dieser Beschwerden überhaupt begründet ist, zeigt das hohe Verantwortungsbewusstsein in der Polizei“, sagte der Politiker aus Leichlingen unserer Zeitung. Die Polizei genieße „großes Vertrauen bei den Menschen in Nordrhein-Westfalen durch Offenheit und Dialog“, sagte Reul. Der Anteil begründeter Beschwerden, der bei rund fünf Prozent liegt, hat sich zum Jahr 2024 kaum geändert.

Experten gehen von einem hohen Dunkelfeld aus

Seit Januar 2021 werden landesweit alle Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über die Beschäftigten der Polizei des Landes NRW in einem Modul für Beschwerdemanagement zentral erfasst. Experten gehen davon aus, dass es ein hohes Dunkelfeld gibt. Nicht jeder Betroffene, der sich über Polizisten ärgert, hat die Zeit und Energie, die Beschwerde offiziell zu melden. Der Hauptbeschwerdegrund bei den registrierten Vorgängen lag in nahezu zwei Drittel der Fälle im persönlichen Fehlverhalten beziehungsweise das Auftreten von Beschäftigten der Polizei, heißt es in dem Bericht. Ob die Beschwerden berechtigt sind, entscheiden die zuständigen Landesoberbehörden - wie das Landeskriminalamt oder das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste.

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Dem Bericht zufolge bezogen sich 1337 Beschwerdefälle auf Vorgänge, die sich im täglichen Dienst ereigneten. Dazu zählen Fälle, in denen sich Bürger unangemessen behandelt fühlten oder sich über einen rüden Tonfall beschwerten. In zwölf Prozent der Fälle ereigneten sich  der Zwist im Zusammenhang mit Verkehrskontrollen. Autofahrer haben zum Teil kein Verständnis dafür, dass ausgerechnet sie aus dem Verkehr gezogen werden. 

28 Meldungen über Gewalteinsatz zum Beispiel bei Demonstrationen

Diskriminierendes Verhalten wurde in 79 Fällen von Betroffenen als Vorwurf geäußert. Durch polizeiinterne Prüfungen wurde in den bislang davon 52 abgeschlossenen Fällen allerdings keiner der Vorwürfe bestätigt.

Zu den schwerwiegendsten Beschwerden zählt naturgemäß die Kritik an einem gewalttätigen Einschreiten von Polizeibeamten. Diese werden ohne Ausnahme an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet, die Ermittlungen führen aus Neutralitätsgründen meist benachbarte Polizeibehörden.

Insgesamt gab es 28 Meldungen über Einsätze, in denen Gewalt angewendet worden sein soll. Viele Beschwerden stehen im Zusammenhang mit Einsätzen bei Demonstrationen. Auch Klimaschutzaktivisten kritisieren ein aus ihrer Sicht überhartes Vorgehen zum Beispiel bei der Beseitigung von Straßenblockaden. 2024 wurden bislang sechs Verdachtsfälle von Körperverletzung abschließend bearbeitet. In keinem der Fälle wurde der geäußerte Vorwurf durch die jeweilige Staatsanwaltschaft bestätigt.

16.03.2024, Köln: Die „Letzte Generation“ hat die Kreuzung am Ebertplatz blockiert. Foto: Arton Krasniqi

Klimaschutzaktivisten beschwerten sich zuweilen über ein überhartes Vorgehen der Polizei.

Auch die Zahl der Dankschreiben nimmt zu

Den eingegangenen Beschwerden stehen jedes Jahr auch Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, in denen der Polizei Lob und Dank zum Ausdruck gebracht wird. Auch diese Zahlen werden erfasst. Im letzten Jahr gingen 585 Dankschreiben bei den Behörden ein. 2023 waren es 486.

NRW-Innenminister Reul betonte, die Polizei nehme jede Rückmeldung ernst. Gegenüber dem Vorjahr nahm der Anteil der Fälle zu, in denen nach der Beschwerde mit den Bürgern ein Gespräch geführt wurde, der Wert stieg von 38,5 Prozent auf 42 Prozent. Reul zufolge unterstreiche das „den Anspruch, transparent und bürgernah zu handeln“.  Die Polizei nehme sich Zeit, die Maßnahmen bei Einsätzen zu erklären.

NRW bekommt unabhängigen Polizeibeauftragen

Die schwarz-grüne Landesregierung hatte sich auf Drängen der Grünen in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, in NRW einen unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag anzusiedeln. Die Stelle wird derzeit eingerichtet, über die personelle Besetzung ist noch nicht entschieden. Sowohl Bürger als auch Polizisten selbst sollen sich an den Polizeibeauftragten wenden können. Somit wird es künftig neben der internen Aufarbeitung auch eine unabhängige Kontrollinstanz geben. Damit soll ausgeschlossen werden, dass ein falsch verstandener Korpsgeist interne Ermittlungen möglicherweise behindert.

Marc Lürbke, Innenexperte der FDP, hält die bisherigen Instrumente für ausreichend: „Natürlich muss polizeiliches Handeln überprüfbar sein – das war auch bisher durch unabhängige Gerichte und bestehende Mechanismen längst gewährleistet“, sagte der Liberale. Wenn das neue Amt zur Bühne für politische Kampagnen werde, sei der Schaden für das Vertrauen in die Polizei enorm: „Der geplante Polizeibeauftragte droht zum grünen Misstrauensinstrument zu werden."