Lügde-SkandalSPD fordert Soforthilfefonds und Ombudsmann für missbrauchte Kinder

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Auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde hängt vor dem versiegelten Campingwagen eine Banderole mit der Aufschrift: «Polizeiabsperrung».

Auf dem Campingplatz in Lügde wurden die Kinder missbraucht.

Vier Jahre nach der Enttarnung der Täter ist noch kein einziges Opfer in NRW entschädigt worden. Die Sozialdemokraten wollen Bearbeitungszeiten überprüfen lassen.

Der nordrhein-westfälische Landtag soll die Landesregierung auf Antrag der SPD-Fraktion kommende Woche dazu auffordern, einen Soforthilfefonds für die Opfer des Missbrauchs im ostwestfälischen Lügde einzurichten. Zudem soll eine noch einzusetzende Ombudsperson als Ansprechpartner für die betroffenen Kinder und deren Familien bei ihren Entschädigungs-Anträgen nach dem Opferentschädigungsgesetz NRW fungieren.

Die Sozialdemokraten reagieren mit ihren Forderungen auf einen Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vier Jahre nachdem der tausendfache und jahrzehntelange Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz bei Lügde enttarnt wurde, ist noch keines der 30 nordrhein-westfälischen Opfer entschädigt worden. Dies bestätigte der für die Angelegenheit zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) auf Anfrage. Bei gut einem Drittel der Fälle scheitere es noch an Rückmeldungen der Antragsteller, die weiteren Fälle seien noch in der „Sachverhaltsaufklärung“.

NRW-Behörden: „Es muss sorgfältig geprüft werden.“

Das Opferentschädigungsgesetz (OEG) schreibe vor, dass sorgfältig geprüft werden müsse, dass die Tat einen dauerhaften Gesundheitsschaden verursacht hat, rechtfertigte ein LWL-Sprecher die lange Bearbeitungsdauer: „Also länger als ein halbes Jahr.“ Um die Opfer „nicht durch spezielle Untersuchungen zu belasten“, werde zunächst versucht, „eine Entscheidung aufgrund von vorliegenden Befundunterlagen zu treffen“, erläuterte der Sprecher.

Dies sei jedoch extrem zeitintensiv und kompliziert und erfordere zudem „die Mitarbeit von Behandlern, Antragstellern und gegebenenfalls Erziehungsberechtigten“ der missbrauchten Kinder.

Eine Erklärung, mit der sich auch das NRW-Sozialministerium zufriedengegeben hat. „Nach Kenntnis“ des Ministeriums stünden die zuständigen LWL-Mitarbeitenden „seit längerem in einem sehr engen persönlichen Kontakt mit den Familien der betroffenen Kinder und Jugendlichen und stimmen die notwendigen Ermittlungsschritte sowie unter anderem Untersuchungstermine eng ab“, heißt es auf Anfrage.

SPD: „Ein unhaltbarer Zustand, den wir zutiefst bedauern.“

Das aber überzeugt die SPD-Fraktion im Landtag nicht. Die Landesregierung müsse jetzt prüfen, „ob die gesetzlichen Vorgaben tatsächlich so zeitaufwendig sind, dass zwischen Antragstellung und Bescheidung mehr als drei Jahre vergehen müssen“, fordern die Sozialdemokraten. Falls sich bewahrheiten sollte, dass die Gesetzesvorgaben wirklich derart zeitaufwendig sind, solle die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Vorschriften starten, „um den Opfern ihre Hilfen auszahlen zu können und zukünftig lange Zeiten zu vermeiden“.

Grund zur Skepsis gegenüber der bisherigen Praxis in NRW jedenfalls gibt es genug. Während bei den hiesigen Behörden, von denen einige den Missbrauch schon lange vor der Verhaftung des Haupttäters hätten erkennen und beenden können, noch emsig geprüft wird, sind die niedersächsischen Ämter jedenfalls schon deutlich weiter.

Für sechs der 13 dort lebenden Lügde-Opfer sei bereits eine Entschädigung bewilligt worden, heißt es beim niedersächsischen Landesamt für Soziales auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und bei der noch nicht entschiedenen Hälfte der Anträge seien längst Gutachten in Auftrag gegeben worden, die zwar noch nicht abgeschlossen seien, womöglich aber schon in den kommenden Wochen vorliegen könnten.

Behörden-Mitarbeiter sollen langwierige Prüfung in Sondersitzung des Untersuchungsausschusses erklären

Dass in NRW jedoch noch kein einziger Antrag beschieden wurde, sei „ein unhaltbarer Zustand, den wir zutiefst bedauern“, betonte Andreas Bialas, SPD-Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Kindesmissbrauch“ des Landtags. „Durch die Benennung einer Ombudsperson und die Einrichtung eines Sonderhilfefonds“ müsse die Landesregierung die Betroffenen jetzt umgehend unterstützen.

„Was in Niedersachsen geht, muss doch auch bei uns möglich sein“, so Bialas. Um die genauen Hintergründe zu hinterfragen, werde die SPD „die Vertreter des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und des zuständigen Niedersächsischen Landesamtes“ demnächst als Zeugen in einer Sondersitzung des U-Ausschusses laden.

Die drei ermittelten Haupttäter aus Lügde sind bereits vor drei Jahren zu langen Freiheitsstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden.

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