Im Interview mit dem Nachrichtensender Phoenix hat Angela Merkel die demokratischen Parteien vor einer Zusammenarbeit mit der AfD gewarnt. Den Begriff der „Brandmauer“ vermied die Bundeskanzlerin a.D. Stattdessen riet sie, nicht wie das „Kaninchen vor der Schlange“ zu sitzen.
Angela Merkel mahnt in TV-Talk„Mehrheiten mit der AfD zu suchen, verbietet sich aus der eigenen Definition“

Angela Merkel sprach beim Sender Phoenix über Versäumnisse ihrer Regierungszeit und warnte vor einer Annäherung an die AfD. (Bild: phoenix)
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Keine politische Zusammenarbeit mit der AfD - diese Losung wird in Teilen der CDU immer stärker in Zweifel gezogen. Zuletzt hatte Peter Tauber angeregt, „über eine neue Politik der roten Linie nachzudenken“, die es erlaube, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt.
Tauber war von 2013 bis 2018 Generalsekretär im Kabinett Merkel. Seine einstige Chefin warnte in einem TV-Talk des von ARD und ZDF betriebenen Spartensenders Phoenix nun deutlich vor einer Annäherung an die Rechtsaußenpartei. Auch wenn Angela Merkel den „Brandmauer“-Begriff offenbar nicht sehr schätzt.
„Wenn es um die Frage des Umgangs mit der AfD geht, ist erst mal ganz wichtig, dass wir nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange sitzen“, sagte die frühere Bundeskanzlerin in der Sendung „phoenix persönlich“: Man dürfe sich von der Partei „nicht in der Manege herumführen lassen“, sondern müsse „noch stärker als sonst unsere eigene Politik erläutern“.
Angela Merkel über die Brandmauer-Debatte: „Ich muss es einfach tun“
Wegen der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag hatte Merkel vor der letzten Bundestagswahl den damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz öffentlich kritisiert. Zu ihrer breit rezipierten Wortmeldung steht sie noch heute. „Mit Parteien, die die Europäische Union nicht richtig finden, die ein völlig anderes Verhältnis zu Russland haben, die die liberale Demokratie nicht verteidigen, kann ich nicht zusammenarbeiten“, bekräftigte Merkel im Gespräch mit Moderatorin Eva Lindenau. „Das ergibt sich von selbst, weil das die Kernpunkte meiner Politik sind.“

Angela Merkel (rechts) stellte sich bei „phoenix persönlich“ den Fragen von Eva Lindenau. (Bild: phoenix)
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Die frühere CDU-Chefin führte aus: „Mehrheiten mit der AfD zu suchen, verbietet sich aus der eigenen Definition. Da muss ich gar nicht von solchen Abgrenzungsbegriffen reden, sondern ich muss es einfach tun. Und vor allem den Menschen eine positive Botschaft sagen. Denn Wählerinnen und Wähler wollen ja, dass die Probleme, die ihnen auf der Seele brennen, gelöst werden.“
Merkel gestand ein, dass Versäumnisse bei der Eindämmung illegaler Migration zu einem Erstarken der AfD auch schon in ihrer Amtszeit geführt hätten. Gleichwohl betonte sie, dass die Würde des Menschen auch dann bindend sei, wenn ein Mensch keinen Aufenthaltstitel besitzt. Solche „Grundüberzeugungen“ dürfe man als politischer Entscheidungsträger nicht aufgeben.
Bestimmte Probleme gerade in den Kommunen hätten besser gelöst werden müssen, räumte sie bei Phoenix ein. Aber: „Ich darf meine Grundüberzeugungen nicht aufgeben, um Populisten recht zu geben.“ Kritisch bewertet sie, dass CDU und CSU im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise 2015/16 öffentlich über den richtigen Weg bei der Migrationspolitik gestritten hätten: „Streit überzeugt die Menschen eigentlich nicht, sie wollen, dass die Probleme gelöst werden.“
„Ich habe die SPD nicht überzeugen können, dass wir uns eine bewaffnete Drohne anschaffen“
Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist Thema des rund 45-minütigen Talk-Formats. In Bezug auf den Vorwurf, sie hätte die baltischen Staaten und Polen für den Ausbruch des Ukraine-Krieges mitverantwortlich gemacht, da diese 2021 ein von ihr vorgeschlagenes Dialogformat mit Russland blockiert hätten, sprach Merkel von einer „falschen Auslegung“ ihrer Aussage,
Sie habe nie Schuldzuweisungen gegenüber diesen Ländern erhoben, bekräftigte die Ex-Kanzlerin. „Dieser Krieg ist ausgebrochen, er hat unsere Welt verändert, es ist eine Aggression der russischen Föderation“, stellte sie klar und sagte weiter: „Wir alle haben nicht vermocht, alle, ich, alle anderen haben nicht vermocht, diesen Krieg zu verhindern.“ Angesprochen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin betonte sie: „Dass da eine ernsthafte Gefahr ist, das war mir seit vielen, vielen Jahren klar.“
Umso schwerer wiegen heute die jahrelangen Versäumnisse bei der Ausstattung der Bundeswehr. Merkel äußerte sich auch in diesem Punkt eingeschränkt selbstkritisch: „Wir sind zwar langsam vorangegangen, aber sehr langsam und auch so, dass wir nicht bis 2024 das erreicht hätten, was in Wales verabredet war, nämlich zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts für Verteidigung auszugeben“, erklärte sie im Phoenix-Talk.
Es habe darüber „viele Diskussionen“ in ihrer Regierungszeit gegeben. Sie selbst habe es letztlich „auch nicht vermocht, dass wir da schneller vorangegangen sind“. Merkel sieht hierfür den damaligen Regierungspartner hauptverantwortlich: „Ich habe die SPD nicht überzeugen können, dass wir uns eine bewaffnete Drohne anschaffen.“ (tsch)

