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Interview

Voßkuhle und de Maizière
„Wenn unser Staat nicht funktionsfähiger wird, werden sich Leute abwenden“

11 min
Andreas Voßkuhle, langjähriger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und Thomas de Maizière, ehemaliger Minister, in Köln

Andreas Voßkuhle, langjähriger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und Thomas de Maizière, ehemaliger Minister, beim Interview in der Kölner Fritz-Thyssen-Stiftung 

Der Verfassungsrechtler Andreas Voßkuhle und Ex-Bundesminister Thomas de Maizière über ihre „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“.

Herr de Maizière, Herr Professor Voßkuhle, was war der Moment, an dem Sie sich mit Blick auf die Handlungsfähigkeit des Staates gesagt haben: So geht es nicht weiter, wir müssen was tun?

Thomas de Maizière: Der russische Angriff auf die Ukraine hat uns die Dringlichkeit noch einmal klar vor Augen geführt – nicht nur zum Erhalt der äußeren Sicherheit. Bei mir kam sozusagen ein anekdotisches Moment hinzu: Ich sprach mit einem Regierungsmitglied der Ampel und schlug diese Initiative vor. Die Antwort lautete: „Völlig richtig! Wie gerne würde ich das mit anschieben, allein, das Tagesgeschäft frisst mich auf, ich schaffe das nicht. Also wenn Sie das machen könnten – bitte!“

Andreas Voßkuhle: Noch ein Punkt: Wir sind nicht von dieser klassischen Entbürokratisierungsdiskussion ausgegangen, sondern unser Impuls war die Sorge um die Demokratie: Wenn unser Staat nicht funktionsfähiger wird, dann werden sich die Leute weiter abwenden, die rechtspopulistischen Strömungen werden stärker werden. Das war für uns beide, glaube ich, ein starker Grund, uns zu engagieren.

Das heißt, Ihre Vorschläge sind letztlich ein Extremismusbekämpfungsprogramm?

De Maizière: In der Wirkung, nicht im Ziel. Die Handlungsfähigkeit des Staates ist ein Wert an und für sich. Demokratie besteht eben nicht nur aus Prozessen und Debatten und Beteiligung, sondern auch aus Ergebnissen. Dass die Demokratie mit Streit und Kompromiss zu besseren Ergebnissen führt als ein autoritärer Staat, das ist bis heute meine tiefe Überzeugung. Aber dafür muss man eben auch Ergebnisse zeigen und nicht nur debattieren.

Sie hätten vieles schon in ihrer Zeit als aktiver Politiker oder Richter angehen können.

De Maizière: Mit diesem Vorwurf müssen wir leben. Aber wir haben auch bewusst nicht nach hinten geguckt, keine Noten verteilt für das, was in der Vergangenheit getan oder versäumt worden ist. Vielleicht auch ein Grund, warum unsere Vorschläge auf viel Zustimmung gestoßen sind.

Voßkuhle: Sie werden in dem Papier keinen Vorwurf an irgendjemanden finden.

De Maizière: Zumal wir ja wissen, wie es ist, wenn man selbst im operativen Geschäft ist, und dann kommen die guten Ratschläge von der Seitenlinie. Wir haben deshalb darauf geachtet, nicht konfrontativ oder oberlehrerhaft daherzukommen.

Voßkuhle: Und wir haben immer gesagt: Das ist eine rein private Initiative, ein Angebot, das man annehmen kann, aber nicht muss. Mit dem Bundespräsidenten und vier Stiftungen haben wir das Ganze dann schon etwas abgesichert – und durch begleitende Gespräche mit der damaligen Bundesregierung, mit der Opposition, mit den Ländern, parteiübergreifend, so dass alle wussten, was wir tun – unabhängig davon, wer regiert.

Sie sagen in Ihrem Papier, dass es entscheidend auf „gute Gesetze“ ankomme. Das Verfassungsgericht überprüft Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, nicht auf ihre Qualität. Trotzdem die Frage: Wo sehen Sie die Mängel in der Gesetzgebung?

Voßkuhle: Wir haben in den letzten Jahren eine starke Beschleunigung der Gesetzgebungsverfahren erlebt. Das hat zu vielen unabgestimmten Regelungen geführt, bei denen oft auch nicht hinreichend gefragt wurde, ob sie auch praktikabel sind. Deshalb sagen wir: Wir müssen Gesetze sehr früh integrativ denken. Lassen Sie sich digital oder mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) umsetzen? Wenn nein, ist das schlecht, weil die Verwaltungen dann ein neues, zusätzliches Vollzugsproblem bekommen. Wichtig ist auch der Praxistest: Man muss vor dem Beschluss eines Gesetzes mit denen sprechen, die es anzuwenden hätten.

Das kostet Zeit…

Voßkuhle: Ist aber sinnvoll, weil am Ende bessere Regelungen stehen, die im Vollzug weniger kosten. Unser Vorschlag, das schon stimmt, läuft gegen den Trend „möglichst schnell und effizient“. Manches muss auch schneller und effizienter werden, aber in den Gesetzgebungsverfahren sollten wir uns die Zeit nehmen.

De Maizière: Um Praktikabilität, das muss ich zugeben, hat man sich auf Bundesebene auch oft nicht so gekümmert. Umsetzung – das ist für die mittlere Ministerialbürokratie und für die Länder. So ist unsere Verfassungssystematik: Für den Bundestag und die Bundesministerien ist die Arbeit erledigt, wenn ein Gesetz beschlossen ist. Die Ausführung liegt ja bei den Ländern. Das ist ein Problem. Wir reden eigentlich zu oft über das Ziel von Gesetzen und zu wenig über die Wirkung.

Thomas de Maizière

Thomas de Maizière

Haben Sie ein Beispiel?

De Maizière: Als Innenminister habe ich mit meinen Kollegen oft diskutiert, was wir gegen die empörenden Angriffe auf Rettungskräfte tun. Der Reflex war oft: Wir verschärfen die Strafen. Und das finden dann alle irgendwie richtig. Aber wie ist die Wirkung? Zu wie viele Prozesse führt das? Nehmen Sie die Angriffe wirklich ab? Solche Fragen geraten schnell ins Hintertreffen.

Voßkuhle: Das Strafrecht ist auch insofern ein gutes Beispiel, weil Strafrecht erstmal nichts kostet. Der Bund kann ohne weiteres das Strafgesetzbuch ändern. Was danach passiert, ist nicht mehr seine Sache, denn die Justiz ist – bis auf die Bundesgerichte – Ländersache. Auch deshalb stellen wir in unseren Empfehlungen die Frage der Wirkung in den Vordergrund. Wir machen auch keine inhaltlichen Vorschläge, etwa wie eine gute Rettungsreform oder ein gutes Strafrecht aussieht oder wie man die sozialen Medien besser regulieren kann.

Ihr Leitbegriff „Handlungsfähigkeit des Staates“ hat eine große Fallhöhe. Wenn man das ganz große Rad dreht, geht es auch darum, dass sich das Land äußerer Bedrohungen erwehren kann. Stichwort: Verteidigung. Da schlagen Sie eine allgemeine Dienstpflicht vor, die dann den Wehrdienst einschließt. Gut, dass hier ein Verfassungsrichter sitzt: Ist ein solches Pflichtjahr – eine Lieblingsidee auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – überhaupt grundgesetzkonform?

Voßkuhle: Bevor ich das beantworte, schnell noch ein Wort zur „Handlungsfähigkeit“. In ersten Reaktionen auf die Ergebnisse unserer Initiative hieß es, wir hätten Vorschläge zur Entbürokratisierung gemacht. Sie werden diesen Begriff bei uns aber kaum finden. Das Gegenteil einer bürokratischen Verwaltung ist eine willkürliche Verwaltung. Sterben wird auch keiner. Richtig ist aber die Beobachtung, dass zu viel geredet und zu wenig gehandelt wird. Aus diesem Grund haben wir das Handeln ins Zentrum gestellt. Aber jetzt zu Ihrer Frage…

… nach der allgemeinen Dienstpflicht.

Voßkuhle: Begründbar wäre sie nach meiner Überzeugung. Aber dafür bräuchte es in der Tat eine Verfassungsänderung.

Danach sieht es derzeit nicht aus.

Voßkuhle: Das muss man nüchtern so sehen, ja. Auch wir kennen die politischen Mehrheiten im Bundestag.

Halten Sie die „neue Wehrpflicht“, die jetzt kommen soll mit verbindlicher Musterung und freiwilliger Entscheidung für den Dienst in der Bundeswehr für eine richtige Entwicklung. Zitat Unionsfraktionschef Jens Spahn: „Wir werden mehr preiswert haben in der Freiwilligkeit.“

De Maizière: Vor allem als ehemaliger Verteidigungsminister will ich mich zu aktuellen Fragen dieser Art nicht äußern. Ich habe es als Minister selbst gehasst, wenn Vorgänger mit „guten Ratschlägen“ von der Seitenlinie kamen.

„Wir brauchen wir eine neue Wehrverfassung“

Wir reden lange über den grassierenden Fachkräftemangel. Jetzt wollen Sie mit einer Dienstpflicht den produktivsten Jahrgang aus dem Arbeitsmarkt nehmen. Ist das klug?

Voßkuhle: Ja, ich glaube, das ist eine kluge Entscheidung, weil eine Dienstpflicht nicht nur eine ganz andere Identifikation mit dem Staat schafft, sondern junge Menschen auch nochmal anders an einen künftigen Beruf heranführt. Es ist ja nicht so, als drängten junge Leute derzeit massenhaft in den Arbeitsmarkt. Wenn Sie mal schauen: Fast alle, die das Abitur machen, absolvieren danach ein freiwilliges soziales Jahr oder gehen ein Jahr auf Reisen. Es ist ein Problem vieler junger Menschen, dass ich als Hochschullehrer sage, dass sie nicht genau wissen, was sie machen wollen. Das Dienstjahr hilft bei der Orientierung.

Aber in diesem einen Jahr bleiben die jungen Menschen weitgehend Laien oder bestenfalls Angelernte.

De Maizière: Aber sie tun etwas. Etwas, was an dem Platz, an dem sie sind, sinnvoll ist und hilft. Und wer sagt, dass nach einem Jahr alles aus und vorbei ist? Andere Staaten kennen modulare Modelle, bei denen man einen Teil der Dienstpflicht an einem Stück absolviert – und danach in zeitlichen Blöcken. Das gibt es übrigens sogar für den Militärdienst, zum Beispiel in Österreich und in der Schweiz.

Und Sie glauben, dass man in Deutschland das Problem der mangelnden Rekrutenzahl lösen könnte? Das fällt ja auch unter das Stichwort „Handlungsfähigkeit des Staates.“

Voßkuhle: Wir hatten jetzt nicht sofort ein verteidigungsstarkes Land mit unzähligen jungen Leuten, die begeistert zur Bundeswehr gehen. Aber wir hätten die Chance, unsere bisherige Kultur zu verändern und so den neuen geopolitischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Schauen Sie nach Finnland: Da können Sie ohne Weiteres den Wehrdienst verweigern. Aber das Zitat ist deutlich unter zehn Prozent, weil die jungen Finnen sich mit ihrem Land identifizieren und den Wehrdienst als – ja – Dienst an ihrem Land sehen, quer durch alle politischen Lager übrigens. Bei uns in Deutschland war Verteidigungsfähigkeit lange Zeit kein Thema. Vor fünf Jahren hätte niemand es ernsthaft auf die politische Agenda gesetzt. Schon eine moderate Erhöhung des Verteidigungsetats war politisch nicht durchsetzbar.

Ihr Abschlussbericht moniert weitere „bedeutende Leerstellen“ im Bereich der Sicherheit. Welche sind das?

De Maizière: Unsere üblichen Regeln im Grundgesetz zum Einsatz der Bundeswehr sind ziemlich unverständlich. Da brauchen wir eine neue Wehrverfassung.

„Das Grundgesetz kennt den ‚Verteidigungsfall‘“

Wollen Sie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren erleichtern oder erweitern?

De Maizière: Das ist eine alte Diskussion. Wenn ich das jetzt bejahe, gibt es sofort bestimmte Reiz-Reaktions-Schemata. Ich nehme mal etwas, wofür man nicht das Grundgesetz ändern muss: Wer sein Land verteidigen will, muss das Land kennen. Der Tiefflug der Bundeswehr wird im Wesentlichen in Texas geübt. Das können die Piloten gern tun, um sich mit der Flugzeugtechnik vertraut zu machen. Aber wenn sie Deutschland verteidigen sollen, müssen sie sich hier auskennen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nur: Das macht Lärm, das ist lästig. Genau wie Manöver, die nicht bloß auf dem Truppenübungsplatz stattfinden. Daran sind wir nicht mehr gewöhnt. Aber es müsste sein – und dafür bräuchte es die Unterstützung der Bevölkerung. Fast noch wichtiger allerdings sind Regeln zu dem, was man „Gesamtverteidigung“ nennt.

Das bedeutet?

De Maizière: Das Grundgesetz kennt den „Verteidigungsfall“. Dafür gibt der Bund jetzt sehr viel Geld und bemüht sich um mehr Soldaten. Wenn ein Land angegriffen wird, braucht es aber sehr viel mehr. Man braucht Menschen, die Lkw von A nach B fahren. Man braucht Regelungen für Straßensperrungen. Für die Belegung von Krankenhäusern. Für die Sicherstellung der Stromversorgung. Wie lange muss ein Krankenhaus im Fall eines Cyberangriffs mit Notstromaggregaten arbeitsfähig sein können? Wir haben in Deutschland eine fein-säuberliche Trennung zwischen Katastrophen- und Zivilschutz mit sehr unterschiedlichen Zuständigkeiten. Das entspricht nicht mehr den neuen Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind. Und zwar nicht erst im Kriegsfall.

Sie sagen, viele Ihrer Vorschläge seien im Koalitionsvertrag von Union und SPD bereits berücksichtigt. Was hat Sie besonders gefreut?

Voßkuhle: Es ist so viel, dass ich im Einzelnen gar keine Favoriten nennen könnte. Ich würde überschlägig sagen, 70 Prozent unserer Empfehlungen finden sich an der einen oder anderen Stelle wieder. Ein ganz wichtiger Schritt für eine Modernisierungsagenda der Regierung war die Einrichtung des neuen Ministeriums für Digitales und Staatsreform. Darin sehe ich ein deutliches Zeichen, dass man mit den Vorschlägen auch tatsächlich ernst machen möchte.

„Ein reines Digitalministerium hätten wir nicht befürwortet“

Staat und Verwaltung sollen – auch – effizienter werden. Die Union wollte unbedingt eine Reihe von „Beauftragten“ der Bundesregierung abschaffen. Aber Sie empfehlen ein neues Digital-Ministerium, und schwupps, da haben wir‘s. Schon paradox, oder?

De Maizière: Das wirkt auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich. Es ist nur so: Ein reines Digitalministerium hätten wir nicht befürwortet. Wir waren für die Kombination Digitales und Staatsmodernisierung. Ich war zwölf Jahre Mitglied der Bundesregierung. In dieser Zeit war niemand – niemand! - federführend für Modernisierung verantwortlich, sondern jeder für seinen Bereich. Das ist jetzt endlich anders. Außerdem sind in Karsten Wildbergers neuem Ministerium gar nicht so viele neue entstanden, sondern es wurden die verstreuten Bereiche aus verschiedenen Ressorts unter einer Führung gebündelt. Und das ist gut.

Wo sehen Sie denn konkret, dass es inzwischen ins Handeln geht?

Voßkuhle: Die Modernisierungsagenda steckt noch in den Anfängen. Ich persönlich glaube, dass ihr Erfolg vor allem von zwei Faktoren abhängt. Das eine ist der politische Druck von oben Konkret: Beide Spitzen der Bundesregierung, Kanzler und Vizekanzler, müssen ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen und sagen: Das muss jetzt gemacht werden, das brauchen wir. Dasselbe gilt dann auch für die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten auf der Landesebene. Die müssen die Staatsreform zur Chefsache erklären.

Das zweite Erfolgsmoment?

Voßkuhle: Wir brauchen eine Erfolgserzählung als treibende Kraft. Etwas, was die Menschen motiviert, nach vorne weist und Aufbruchstimmung erzeugt.

Davon ist – ehrlich gesagt – wenig erkennbar.

Voßkuhle: Ja, das ist schade – und könnte zu einem richtigen Problem werden. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass man so ein Programm nicht allein auf der technisch-administrativen Ebene realisieren kann. Technik ist ganz wichtig, keine Frage, damit haben wir uns ja viel beschäftigt. Aber wir brauchen auch eine Vision.

De Maizière: An Baustellen auf der Autobahn oder an Bahnstrecken steht ein Schild: „Hier baut die Bundesrepublik Deutschland.“ Und dann kommt das Vorhaben. Wir brauchen überall im Land solche Schilder – imübertragenen Sinne: „Hier passiert ein Stück Erneuerung. Hier wird Deutschland wieder handlungsfähig gemacht.“ Aus vielen kleinen Mosaiksteinen könnte dann durch das, was Andreas Voßkuhle „Erzählung“ genannt hat, ein großes gemeinsames Ganzes entstehen.

Aber zeigen Sie uns doch bitte auch einmal einen von den kleinen Mosaiksteinen!

De Maizière: Gern, auch zwei, wenn Sie erlauben! Wir könnten erstens sehr schnell eine große Vereinfachung für die Bürgerinnen und Bürger erreichen, indem die Kfz-Verwaltung vereinheitlicht wird. Das würde zum Beispiel die Ummeldung nach einem Umzug – sagen wir von Köln nach Stuttgart oder von Schwerin nach Köln – drastisch erleichtern. Die Schnittstellen für die IT bei den einzelnen Ländern ließen sich technisch einrichten, aber für die Entscheidung der Länder fehlt noch die Rechtsgrundlage. Die brauchen wir, und zwar schnell. Zweites Beispiel: Wir haben keinen funktionierenden nationalen Katastrophenschutz: kein Lagezentrum, keine Notfallregelungen, keine Übungen, gar nichts. Angesichts der Risiken, vor denen wir stehen, ist das nicht zukunftsfähig.

Und was schlagen Sie da vor?

Voßkuhle: Wir nehmen die sehr guten Regelungen der Länder und wenden Sie koordiniert im Bedarfsfall an. Dadurch würden die Länder nichts weggenommen, sie können und sollen auf regionale Katastrophenfälle wie die Flut im Ahrtal weiter mit ihrer Kompetenz reagieren. Aber ein gleichzeitiger Cyberangriff auf die Infrastruktur der Flughäfen Berlin, Frankfurt und München – der würde als nationaler Katastrophenfall zählen. Und dafür bedarf es umfassender gemeinsamer Anstrengungen.


Zu den Personen und zum Buch

Thomas de Maizière, geb. 1954, war in der Regierungszeit von Angela Merkel Verteidigungsminister (2009 bis 2011) und Innenminister (2009 bis 2011 sowie 2013 bis 2018). Von 2005 bis 2009 war de Maizière Chef des Bundeskanzleramts.

Andreas Voßkuhle, geb. 1963, war von 2008 bis 2020 Richter am Bundesverfassungsgericht und ab 2010 dessen Präsident. Seit 1999 ist der Juraprofessor Direktor des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Zusammen mit Julia Jäkel und Peer Steinbrück waren de Maizière und Voßkuhle federführend verantwortlich für die 2024 von ihnen gestartete „Iniatiative für einen handlungsfähigen Staat“ unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Innerhalb von acht Monaten erarbeiteten sie gemeinsam mit zahlreichen Fachleuten 35 Vorschläge, wie Staat und Verwaltung einfacher, effizienter und bürgernäher arbeiten können. Ihren Abschlussbericht übergaben die Initiatoren im Juli an den Bundespräsidenten. Unterstützt wurde die Initiative von der Kölner Fritz Thyssen Stiftung, der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Stiftung Mercator und der Zeit Stiftung Bucerius. (jf)

Der Abschlussbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ ist unter dem gleichnamigen Titel im Verlag Herder als Buch erschienen (160 Seiten, 12 Euro).