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WeihnachtsfigurenKleine „Scheißerchen“ in der Krippe

Lesezeit 3 Minuten

Die Gips-Männchen hocken da, mit heruntergelassener Hose. Es ist der denkbar intimste Moment. Irgendwie sind sie dabei alle gleich.

Köln – Wer sich die katalanische Krippe ansieht, bemerkt zunächst nichts Auffälliges. Im Stall sitzen Maria und Josef und freuen sich über ihr Kind. Ein Engel verkündet die Geburt des Messias. Die Könige bringen ihre Gaben. Alles ist fromm und friedlich, wie gehabt. Doch die Idylle trügt. Denn abseits der heiligen Szenerie hockt verschämt eine kleine Figur, die so gar nicht biblischen Ursprungs ist. Das Gips-Männchen trägt katalanische Bauerntracht, hat die Hosen runtergelassen und verrichtet seine Notdurft - unter dem blanken Hintern einen gewaltigen Haufen. Heilige Scheiße, gibt’s das?

Manch ein gläubiger Christ in unseren Breiten würde das kackende Männlein in der Krippe schlicht für eine Sauerei halten. Doch handelt es sich bei dem sogenannten Caganer, zu Deutsch „Scheißerchen“, keinesfalls um Blasphemie, sondern um eine Jahrhunderte alte Tradition. Selbst die katholische Kirche in Spanien hat den Mini-Bauern als Glücksbringer angenommen. Er fällt ja auch nicht sofort ins Auge, sondern hält sich in der Krippenlandschaft versteckt. Man muss schon nach ihm suchen.

Doch woher kommt die eigenwillige Figur? Darüber gibt es verschiedene Theorien. Nach Ansicht des katalanischen Folkloristen Joan Amades steht der Caganer als Sinnbild für den Kreislauf des Lebens. Mit seiner Ausscheidung düngt er die Erde - und das garantiert eine gute Ernte.

Realismus setzte sich durch

Historikern zufolge tauchten die Figuren erstmals im 17. oder 18. Jahrhundert in katalanischen Krippen auf. Zuvor waren es vornehmlich die Mitglieder der oberen Gesellschaftsschicht, Könige oder Fürsten, die in der Geburtsszene Christi dominierten. Als sich der Realismus durchsetzte, spielte der Alltag bei der künstlerischen Darstellung eine immer stärkere Rolle - und somit feierte der kleine Bauer seinen Einzug in die Krippen. Die Gips-Männchen hocken da, mit heruntergelassener Hose. Es ist der denkbar intimste Moment. Irgendwie sind sie dabei alle gleich. Ist die Gleichheit aller Menschen vor Gott nicht DIE zentrale christliche Aussage?

Es gibt aber noch eine einfachere Erklärung für die Existenz des „Scheißerchens“: Es soll schlicht Freude bringen. Kindern macht es Spaß, nach den hockenden Figuren zu suchen – mal hinter einem Baum, dann wieder in einem Gebüsch oder unter einer Brücke.

Doch tritt der Caganer längst nicht mehr als Bauer auf, sondern es gibt ihn mittlerweile in vielen Varianten. Zum Bespiel als Barack Obama, Angela Merkel oder auch Papst Franziskus. In der Regel sagen die Prominenten nichts zu ihren Mini-Abbildern - sind sie doch ein Ausdruck von Popularität. Der Caganer ist aus kaum einer katalanischen Weihnachtskrippe wegzudenken. Eine Figur kostet 12 bis 19 Euro.

Welche Promis haben als „Scheißerchen“ die Hosen runtergelassen? ksta.de hat ein paar Beispiele gesammelt.