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„frank & frei“ zu Friedrich Merz„Dadurch verschärfe ich doch das Integrationsproblem“

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„frank&frei“-Talk mit Andreas Püttmann, Volker Resing und Moderator Joachim Frank (v.l.n.r.) in der Karl-Rahner-Akademie.

„frank&frei“-Talk mit Andreas Püttmann, Volker Resing und Moderator Joachim Frank (v.l.n.r.) in der Karl-Rahner-Akademie.

Andreas Püttmann wirft dem neuen Kanzler vor, den Rechtsruck angeheizt zu haben. Merz-Biograf Volker Resing sieht darin eine bewusste Abkehr vom Politikstil Angela Merkels.

Zwei Wochen ist es her, da wurde Friedrich Merz zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt. Die Art und Weise war sinnbildlich für die bisherige politische Karriere des gebürtigen Sauerländers: Selbst auf der Zielgeraden musste der 69-Jährige noch einen Rückschlag hinnehmen, weil er die vorgegebene Mehrheit im ersten Wahlgang verfehlte.

Dieser einmalige Vorgang in der bundesrepublikanischen Geschichte verdeutlichte ein weiteres Mal: Die Personalie Merz sorgt für Uneinigkeit. Das zeigte sich auch am Montagabend in der Karl-Rahner-Akademie, als in der Talkreihe „frank&frei“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Volker Resing, Innenpolitik-Chef der Zeitschrift „Cicero“, und der Bonner Politikwissenschaftler Andreas Püttmann darüber stritten, was von der bevorstehenden Kanzlerschaft zu erwarten ist.

Püttmann: Merz übernimmt AfD-Kampfbegriffe

„Einen wie Merz wählen die Deutschen bei schönem Wetter nicht zum Kanzler“, schreibt Journalist Resing unter Bezug auf einen nicht genannten Informanten in seiner Biografie „Friedrich Merz: Sein Weg zur Macht“. Damit liegt der Schluss nahe, dass es sich aktuell um politisch stürmische Zeiten handelt.

Dennoch führt der Autor die erfolgreiche Kandidatur von Merz nicht zuletzt auf dessen „verblüffende Fähigkeit“ zurück, aus Misserfolgen wie der Niederlage gegen Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 im Kampf um den CDU-Sitz zu lernen. Danach habe Merz einen gewissen Pragmatismus gezeigt, mit dem Ziel, auch bei parteiinternen Kritikern „Zusammenhalt zu stiften“, so Resing.

In den Merkel-Jahren waren wir gewohnt, dass Zuspitzungen vermieden werden.
Volker Resing, Innenpolitik-Chef der Zeitschrift „Cicero“

Für CDU-Kenner Püttmann zeige sich diese „Pragmatik“ eher darin, „AfD-Kampfbegriffe zu übernehmen und das Stinktier überstinken zu wollen“. Damit forciere er noch den zunehmenden Rechtsruck. „Immer wieder bediente Merz das zentrale Propaganda-Narrativ der Rechtsradikalen von angeblich diktatorischen Tendenzen unserer Demokratie.“ Als Beleg zitiert der Politologe einen Tweet, in dem Merz unter Berufung auf den neoliberalen Ökonomen Friedrich August von Hayek (1899 bis 1992) schrieb: „Was wir in Berlin mit SPD und Grünen erleben, ist das Gegenteil dessen, was Freiheit und Innovation ermöglicht. Es ist der Weg in die Knechtschaft.“

Andreas Püttmann (links) und Volker Resing lieferten sich in der Karl-Rahner-Akademie eine kontroverse Debatte zu Friedrich Merz.

Andreas Püttmann (links) und Volker Resing lieferten sich in der Karl-Rahner-Akademie eine kontroverse Debatte zu Friedrich Merz.

„Natürlich ist Merz ein Gegenausschlag nach Merkel“, räumt der Merz-Biograf ein. „In den Merkel-Jahren waren wir gewohnt, dass Zuspitzungen vermieden werden. Friedrich Merz steht in der Tat für einen anderen Stil.“ Die „kleinen Paschas“ - Merz' umstrittene Bezeichnung für Migranten-Jungs - seien „natürlich eine Zuspitzung, aber Merz glaubt, dass wir in der demokratischen Gesellschaft Zuspitzungen brauchen, um in der Mitte über gesellschaftliche Probleme zu diskutieren und das nicht den Rändern zu überlassen“.

Resing: Anderer Friedrich Merz als Kanzler

Seine Kritik an Merz rühre nicht daher, dass real existierende Probleme bei der Migration angesprochen würden, erwidert Püttmann. „Solche Zuspitzungen haben aber auch Opfer. Für die hier mit Migrationshintergrund lebenden Familien, klingt es doch ganz anders, wenn Hendrik Wüst sagt: ‚Das sind unsere Kinder. Diese Kinder sind unsere Zukunft. Eine andere haben wir nicht.‘ Der ist doch auch Christdemokrat und ich möchte, dass in dem Ton diese Migrationsdebatte geführt wird“, fordert er weiter.

In der von KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank moderierten Diskussion ist das ein Moment, an dem sich das aufmerksame Publikum zu einem kurzen Zwischenapplaus veranlasst sieht. Püttmann legt nach: „Dadurch verschärfe ich doch das Integrationsproblem und löse es nicht.“

Volker Resing, der dem CDU-Chef eine ansteigende Lernkurve attestiert, ist sich hingegen sicher, „dass wir einen anderen Friedrich Merz als Kanzler erleben werden - einfach, weil es eine andere Rolle ist.“ Auch Angela Merkel sei nicht von Beginn die beliebte Kanzlerin gewesen, die sie später war, erinnert Resing. „Das hat sie sich erarbeitet.“ Für ihn müsse ein Kanzler in erster Linie nicht sympathisch, sondern kompetent sein, fügt er hinzu.