Angela Merkel sieht Zurückweisungen an den deutschen Grenzen kritisch. Zehn Jahre nach ihrem Satz „Wir schaffen das“ sprach sie über Migrationspolitik.
Zurückweisungen an Grenze„Müssen unsere Werte vertreten“ – Merkel weiter auf Gegenkurs zu Merz

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich im September 2015 in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Geflüchteten fotografieren.
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Angela Merkel hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie in vielen Politikbereichen nicht mit ihrem Nachfolger Friedrich Merz übereinstimmt. Vor allem in der Migrationspolitik verfolgte die CDU-Politikerin als Bundeskanzlerin einen anderen Kurs als ihr Parteikollege Friedrich Merz, der seit Anfang Mai im Amt ist. Dies wurde aktuell auch im Rahmen einer WDR-Veranstaltung erneut deutlich.
Bereits während des Wahlkampfes, als die Union auf einen härteren Kurs bei der Migration einschwenkte, hatte die Altkanzlerin gesagt, es sei eine „Illusion anzunehmen, alles wird gut, wenn wir Flüchtlinge an den deutschen Grenzen zurückweisen“. Sie meldete sich dann mit ungewöhnlicher Schärfe zu Wort, als die Union unter Führung von Merz im Januar die Stimmen der AfD in Kauf nahm, um ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik durchzusetzen. Merkel veröffentlichte eine eigene Erklärung und distanzierte sich von dem Vorgehen der Unionsführung. Sie halte die De-Facto-Zusammenarbeit mit der als inzwischen als gesichert rechtsextrem geltenden Partei für falsch, so die Altkanzlerin.
Dobrindt lässt Asylsuchende an der Grenze abweisen
Generell äußert sich Merkel kaum zu tagespolitischen Themen, aber nun machte sie erneut beim Thema Grenzkontrollen eine Ausnahme. So wie sie bereits in der Vergangenheit die Zurückweisungen kritisiert hatte, distanzierte sie sich im Rahmen einer WDR-Veranstaltung erneut von der Praxis der Schwarz-Roten-Regierung. Unter Führung von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) werden derzeit auch Asylsuchende an den Grenzen abgewiesen. Dies wird von den Nachbarstaaten kritisiert, und viele Experten halten die Praxis nicht mit EU-Recht vereinbar.
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So sieht es auch Merkel, die während der Geflüchtetenwelle 2015/16 den Spruch prägte „Wir schaffen das“. Merkel zeigte sich 2015 mehrfach öffentlich mit Geflüchteten. Ihre Selfie-Aktion in einer Berliner Erstaufnahmeeinrichtung erregte auch international Aufmerksamkeit. Zehn Jahre nach „Wir schaffen das“ sprach Merkel jetzt zum ersten Mal öffentlich mit Geflüchteten über 2015. Im einstündigen Gespräch schilderten die Teilnehmer ihre Erlebnisse, dabei nahm Angela Merkel auch Stellung zu ihrer damaligen Flüchtlingspolitik.
Angela Merkel: Asylsuchende müssen ein Verfahren bekommen
In einem syrischen Restaurant in Berlin sagte die 70-Jährige im persönlichen Gespräch mit fünf Geflüchteten: „Wenn jemand an der deutschen Grenze ‚Asyl‘ sagt, dann muss er erst mal ein Verfahren bekommen – meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren.“ So habe sie das europäische Recht verstanden. Merkel setzt nach wie vor auf die europäische Zusammenarbeit in dieser Frage.
Allerdings sei es notwendig, die Zuwanderung zu begrenzen und abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben, räumte Merkel aber auch ein. Es seien damals sicher Fehler gemacht worden, da es „für uns auch eine unerwartete Situation“ war.
Sie warnte aber wie bereits im Januar davor, sich von der AfD treiben zu lassen. „Ich kann nicht immer nur über die AfD sprechen und deren Tagesordnung aufnehmen. Sondern ich muss auch die Tagesordnung aufnehmen von all denen, die sagen: Ja, wir müssen die Zahl der illegalen Migration reduzieren, aber wir müssen trotzdem auch unsere Werte weiter vertreten.“
Zuletzt hatte ein Berliner Gericht im konkreten Fall dreier aus Polen eingereister Somalier im Sinne von Merkels Auffassung geurteilt. Ihre Zurückweisung bei einer Kontrolle am ersten Bahnhof hinter der Grenze sei rechtswidrig gewesen. Dobrindt wertet das jedoch als Einzelfallentscheidung und hält an der Praxis fest. (mit dpa)