Das Anstrengendste für Wolfgang Schuhmacher war es, sich von den Schuldgefühlen frei zu machen, sich zu emanzipieren, von den Traditionen zu lösen. Mehr als 20 Jahre lang war er katholischer Priester einer Pfarreiengemeinschaft in Rheinland-Pfalz, als er beschloss: So geht es nicht mehr. „Auf Dauer gesehen kann man nicht gegen die innere Überzeugung predigen“, sagt Schuhmacher und klingt, als habe er diesen Satz schon häufiger gesagt. Oder zumindest gedacht. Im Februar schließlich gab Schuhmacher sein Priesteramt in der römisch-katholischen Kirche auf, um Pfarrer einer evangelisch-lutherischen Gemeinde im bayerischen Uehlfeld zu werden. Am Sonntag feierte er dort seinen Einführungsgottesdienst – zusammen mit seinem langjährigen Lebensgefährten, mit dem Schuhmacher mittlerweile standesamtlich verpartnert ist. Auch der ist Pfarrer, die beiden kennen sich seit Studienzeiten.
Fragt man den Geistlichen Wolfgang Schuhmacher nach den Beweggründen für seinen Wechsel von der katholischen in die evangelische Kirche, spielt seine Homosexualität zunächst keine Rolle. Stattdessen spricht er von theologischer Grundüberzeugung, beklagt, dass seine Gemeindearbeit in den letzten Jahren zu Verwaltungsarbeit geworden sei, der Kontakt zu den Menschen zu kurz kam. Für Wolfgang Schuhmacher ist das Gewissen die oberste moralische Instanz, „nicht das Lehramt“.
Von der Kirche entfremdet
Er kritisiert den Zölibat und dass Frauen keine Priester werden dürfen, außerdem teile er das Amtsverständnis der römisch-katholischen Kirche nicht. All das habe über die Jahre dafür gesorgt, dass sich der 1958 im Saarland geborene Schuhmacher von seiner Kirche entfremdet hat. „Ich konnte diese Theologie nicht mehr authentisch vertreten“, sagt er. Authentisch – dieses Wort benutzt der Pfarrer immer wieder. „Das Wichtigste ist, Glauben und Leben authentisch zusammenzubringen.“ Mit solchen Sätzen begründet Schuhmacher seine Entscheidungen. Die evangelische Kirche wählte er dabei nicht aus Mangel an Alternativen: Schon während des Studiums in Trier und München besuchte er Kurse der evangelischen Theologen, setzte sich auch in seiner Dissertation mit evangelischer Theologie auseinander.
Sein Übertritt stoße in den Medien auf großes Interesse, dessen sei er sich bewusst. In den Nachrichten des Bayerischen Rundfunk habe er schon von sich gehört, auch von den vielen Artikeln in den Lokalzeitungen hat er mitbekommen. „Allerdings wäre es gut, wenn ich so langsam in den Alltag übergehen könnte. Ich möchte nicht zum Medienpfarrer werden, sondern für die Menschen da sein“, sagt Schuhmacher.
Sein Einführungsgottesdienst in seiner neuen Gemeinde sei „wunderschön“ gewesen, der Empfang sehr freundlich. Viele Menschen hätten ihm gesagt, wie sehr sie sich über ihn als neuen Pfarrer freuen. In seiner alten Gemeinde dagegen sehen ihn einige als Verräter, sagt er, andere waren betroffen, viele Menschen drückten Schuhmacher aber auch ihren Respekt aus. Der wird ihm auch aus den eigenen Reihen gezollt. Ein Priester hatte von Schuhmachers Fall gelesen, rief ihn an und fragte, wie er diesen Schritt gegangen sei – er überlege auch die Konfession zu wechseln.