Peter FoxFamilien-Entertainer wider Willen

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Peter Fox stürmte in den vergangenen Monaten solo die Charts. (Bild: PR)

Peter Fox stürmte in den vergangenen Monaten solo die Charts. (Bild: PR)

Düstere Stimmung auf Schulhöfen und in Kinderzimmern, MP3-Player stehen still. Die Fangemeinde trauert: Der Sommer mit Peter Fox ist vorbei. Die letzten Konzerte sind gespielt, die restlichen TV-Auftritte fast alle absolviert - jetzt taucht er ab, der Solokünstler, will für die nächsten zwei Jahre wieder ganz der dritte Frontmann seiner Ursprungsband Seeed sein, und „Peter Fox“ nur noch so nebenbei.

Und das stinkt eben nicht nur Fox „normalen“ Fans, Leuten, die sich mit seinen düsteren Texten über Berlin bei Nacht identifizieren können, den Reggae-Anhängern oder HipHop-Hörern. Vorbei ist die Party auch für unendlich viele Kinder, für ganze Familien mit Tanten und Onkels, Schulklassen und ihre Lehrer. Peter Fox hat nicht nur in Sachen Solokarriere innerhalb eines Jahres einen Raketenstart hingelegt. Irgendwie ist er auch zu einer Art Familien-Entertainer geworden.

Musik für alle

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Ein Open-Air-Konzert des 38 Jahre alten Berliners sieht deshalb schon mal so ähnlich aus wie ein riesengroßes Picknick: Bunt karierte Decken auf staubigem Boden, Plastikbecher drauf mit Fanta drin, Pommes mit Gummibärchen und ringsherum eine ganze Familie im Schneidersitz. Wenn bloß die wummernden Bässe nicht wären, der süße Geruch von verbotenem Gras, tausend herumfliegende leere Bierbecher und die vielen tanzenden Leute. Das macht das Picknick dann doch zum Pop-Konzert.

Auf der Bühne singt Fox vom Haus am See, wo er mit weißem Bart im Garten sitzt und seine 100 Enkel Cricket spielen. Oder von seinem alten Leben, das geschmeckt hat wie ein „labberiger Toast“. „Brat mir ein Pracht-Steak, Peter kocht jetzt feinstes Fleisch.“ Es geht um Sehnsucht, entweder nach Veränderung oder danach, irgendwo anzukommen. Musik für Kinder? Musik für alle. Als Fox davon singt, wie sich der Berliner Nachthimmel von schwarz zu blau färbt, „Schnapsleichen auf dem Weg verwesen“, wie „benebelte Junks“ zwischen „toten Tauben pennen“, hält niemand im Publikum seinen Kindern die Ohren zu. Peter Fox schickt nicht nur seine Bässe, sondern auch eine ordentliche Portion ganz neue Entspanntheit ins Publikum. Familien kommen nicht nur als Eltern mit Kindern zum Konzert, sondern als Leute mit dem gleichen Musikgeschmack, sie feiern zusammen, tanzen zur gleichen Musik.

Texte berühren Generationen

Was ist es, das Peter Fox zum Liebling ganzer Sippen macht, dass seine Musik im Haus aus allen Boxen schallen lässt, im Kinderzimmer, beim Teenie oder beim Vater im Arbeitszimmer? „Ich glaube, es sind eben die Texte“, sagt die Dürenerin Gaby Hünerbein. „Die berühren alle Generationen, mit vielem kann sich einfach jeder identifizieren.“ Die Mutter von zwei Kindern ist mit der ganzen Familie zum Festival „Ein Tag am See“ in ihrer Stadt gekommen, Fox tritt auf, vielleicht zum letzten Mal in der Gegend für lange Zeit. Lebensgefährte Lothar Muckel steht am Stamm eines Baums gelehnt, den sich Tochter Lili erobert hat. Ganz oben hängt die Zehnjährige mit den langen blonden Haaren im Geäst, das verspricht gute Sicht auf die Bühne. Schließlich ist Lili ein paar Köpfe kleiner als die meisten anderen im Publikum. Lili hat gerade ihr erstes Band-T-Shirt bekommen - „Peter Fox“ prangt da in grünen Buchstaben, unter einem aufgedruckten Schimpansengesicht: „Das ziehe ich jetzt immer in der Schule an.“ Lilis Bruder Jonte hängt auch im Baum - er ist größer, schon 12 Jahre alt. Was gefällt ihm an Fox' Musik so gut? „Alles irgendwie“, sagt der Sechstklässler.

Kein Teenie-Typ

Die Melodien, die keiner so macht wie Fox, die Begleitung durch die Trommler der Begleittruppe „Cold Steel“, die mit Affenmasken auf der Bühne stehen, die Streicherriffs und die Bässe, die noch hoch auf dem Baum im Bauch kribbeln. „Das war Lilis Idee, hierherzukommen“, sagt Gaby Hünerbein. Allerdings: „Ich bin durch meine Tochter voll auf den Peter-Fox-Geschmack gekommen. Mittlerweile höre ich das auch zu Hause, wenn Lili gar nicht da ist.“

Peter Fox ist mit seinem Vollbart kein Teenie-Typ zum Verlieben wie Bill von Tokio Hotel und mit seiner Affenmaske auch kein knallhartes Gangster-Vorbild wie Rapper Bushido. Manche seiner Texte sind so ausgefeilt, dass Musiker Thees Ullmann sie mal als Deutschstunden-Kinderzimmerwand schafft es Peter Fox, der allein in diesem Jahr drei Echos gewann, trotzdem. Den elfjährigen Finn aus Bergisch Gladbach wundert das nicht: „Weil der einfach total cool ist.“ Finn hat sich am Merchandise-Stand bei „Ein Tag am See“ eingedeckt. T-Shirts in Kindergrößen gehen dort besonders gut. Finn hat seins schon an. Wieder der grüne Schimpanse auf schwarzem Grund. „Und außerdem kann ich die Texte auswendig.“ Mitgekommen zu Finns erstem Konzert ist Patentante Beate Seliger, ihr T-Shirt mit dem Affen drauf klemmt noch gefaltet unterm Arm. „Alles kann ich mir von Peter Fox nicht anhören, aber vieles gefällt mir gut. Auf ein Techno-Event hätte ich Finn bestimmt nicht begleitet.“ Jetzt ist bei Peter Fox wieder Seeed-Zeit angesagt. Gerüche gingen rum, der Rummel sei ihm dann doch zu viel des Guten geworden. Keine Deutschstunden-Texte mehr, keine Pommes mehr zu Gummibärchen. Die große Familienparty ist jedenfalls erstmal vorbei.

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