Der Entfesselungskünstler und Weltstar Harry Houdini wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe. „True Crime Köln “über einen spektakulären Fall der Kölner Justizgeschichte.
Alles nur fauler Zauber?Weltstar Harry Houdini unter Betrugsverdacht

„Ehrenerkläung im Namen von Wilhelm II.“: Mit dieser Postkarte nutzt Harry Houdini den Prozess um die Betrugsvorwürfe für die Selbstvermarktung. In Handschellen steht er vor dem Richtertisch.
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Wenn die Kölner Justiz im nächsten Jahr den 200. Geburtstag ihres schmucken Gerichts am Appellhofplatz feiert, wird der Prozess wohl in keinem Rückblick fehlen: Im Jahr 1901 stand ein angehender Weltstar vor Gericht. Der Entfesselungskünstler Harry Houdini wehrte sich gegen Betrugsvorwürfe. Um die Vorwürfe zu überprüfen, verabredeten die Richter und der Zauberer eine äußerst ungewöhnliche Beweisaufnahme: Houdini ließ sich mit preußischen Polizeihandschellen fesseln. Dann verschwand er hinter dem Pult der Richter, die ihm zuschauen durften, und befreite sich in Sekundenschnelle von den Fesseln. Es war der erste Akt einer Auseinandersetzung, die Houdini später werbewirksam vermarktete. Weil ein Polizist als Kronzeuge gegen ihn ausgesagt hatte, machte er aus dem Streit nachträglich ein Kräftemessen mit dem deutschen Staat. Sogar Kaiser Wilhelm II wurde für Marketing missbraucht.
Erster Show-Star im Appellhof
„Houdini war der erste Show-Star im Appellhof“, sagt der ehemalige Richter, Norbert Klein. Er ist zu Gast bei „True Crime Köln“, der Podcastreihe des Kölner Stadt-Anzeiger über wahre Verbrechen in Köln und der Region. Klein recherchiert bemerkenswerte Fälle der Kölner Gerichtsgeschichte, von denen er in seinen Büchern erzählt. Für ihn ist klar, dass Houdini nicht nur ein Meister der Entfesselungskunst, sondern auch ein absoluter Profi in Sachen Selbstvermarktung war. Da gehöre die Übertreibung dazu. Als Houdini später über den Kölner Gerichtsstreit in seinen Memoiren schreibt, erzählt er zum Beispiel, dass er im Richterzimmer einen Tresor geknackt habe. Das sei frei erfunden, sagt Klein im Podcastinterview.
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Als Houdini mit dem Zirkus Corty Althoff in Köln gastierte, war er noch nicht der große Weltstar. Seine Karriere in Amerika begann erst nach den umjubelten Gastspielen in Europa. Sein Leben ist mehrfach verfilmt worden, zuletzt als Streaming-Serie mit Adrian Brody. Nicht nur seine Entfesselungstricks sorgten für Aufsehen. Der in Ungarn geborene Sohn einer jüdischen Familie nutzte seine Popularität auch, um gegen spiritistische Blender und Verführer vorzugehen. Er selbst hat sich nie als Zauberer bezeichnet.

Drei Männer fesseln Harry Houdini. Das undatierte Foto zeigt den Zauberer in Fesseln und Ketten.
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Bei seinen Kölner Auftritten kurz nach der Jahrhundertwende berichteten die Zeitungen mit Superlativen über seine verblüffende Show. Der Kölner Lokal-Anzeiger nannte ihn das „Rätsel aller Kriminalisten“ und das „Tagesgespräch der ganzen Welt“. Nur die „Rheinische Zeitung“ wollte offensichtlich nicht in die Begeisterungsstürme einstimmen. Sie glaubte, die Kunststücke des „als faulen Zauber“ entlarven zu können. Ein Polizist bezichtigte Houdini in einer Show vor Publikum des Betrugs. Der Mann habe Bestechungsgeld angeboten, um von der Polizei den Schlüssel für die Handschellen zu bekommen, die er sich vor der Entfesselung anlegen ließ. Der Beschuldigte wehrte sich. Die Zeitung und ihr Kronzeuge blieben auch nach dem spektakulären ersten Prozess bei ihrer Meinung. Der Konflikt ging durch alle Instanzen.
Büttenrede ist keine Kunst
In der neuen Folge von „True Crime Köln“ erfährt man nicht nur, wie Houdini ein weiteres Mal das Gericht überzeugen konnte. Studiogast Norbert Klein erzählt auch von Fällen mit Prominenz aus neuerer Zeit. Neben der Aufarbeitung eines großen Steuerbetrugs mit mehreren Spielern und dem damaligen Trainer des 1.FC Köln Anfang der 1990er Jahre ist ihm vor allem der Streit um die Steuerschuld eines Gewinners der TV-Show „Big Brother“ in Erinnerung geblieben. Nach vier Staffeln der Serie, bei denen der Gewinner mit einer steuerfreien Belohnung den Wohn-Container verlassen hatte, entschied die Finanzverwaltung, den Gewinn doch besteuern zu wollen – zur Überraschung und zum Leidwesen des neuen Siegers. Denn der hatte in kürzester Zeit schon so viel von seiner Million ausgegeben, dass er die eingeforderten Steuern nicht mehr zahlen konnte. Er zog vors Finanzgericht und verlor.
Auch der Kölner Karneval war bereits Thema im Gerichtssaal. Ein Büttenredner protestierte gegen die Gewerbesteuer, weil er sich als freischaffender Künstler sah. Wie bei Houdini entschieden sich die Richter auch in diesem Fall zu einer ungewöhnlichen Beweisaufnahme. Der Karnevalist stieg vor Gericht in die Bütt. Die Richter hätten viel Spaß gehabt, so Norbert Klein. Doch das reichte nicht, um den Redner von der Gewerbesteuerpflicht zu befreien. Die Witze hätten zu wenig Tiefgang gehabt. Seit dem gilt: Eine Büttenrede ist aus Sicht der Steuerbehörden keine Kunst.

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