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BundesregierungWaffenexporte in die Türkei nach Beginn der Militäroffensive genehmigt

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Maas Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas

Berlin – Die Bundesregierung hat auch nach Beginn der türkischen Militäroffensive in den Kurdengebieten Nordsyriens noch Waffenexporte in die Türkei genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Das Papier liegt dieser Zeitung vor.

Demnach wurde zwischen dem 20. Januar dieses Jahres, an dem die Offensive gegen Afrin begann, und dem 27. März die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von knapp 4,4 Millionen Euro erlaubt – und das obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt hatte, bei „allen berechtigten Sicherheitsinteressen ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert“. Die Linke sprach von einem „Riesenskandal“ und forderte einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen in die Türkei.

Ausfuhr von Feuerleitanlagen, Munition, militärische Elektronik und Software

Zu den aktuell für die Ausfuhr genehmigten Rüstungsgütern gehören zwei Feuerleitanlagen, Munition, militärische Elektronik sowie Software. Zwischen Mitte Dezember 2017 und Ende Januar 2018 hatte die Bundesregierung bereits die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von knapp zehn Millionen Euro in die Türkei erlaubt.

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Unklar ist, ob diese Waffen und Waffenteile von der türkischen Armee auch bei ihrer Offensive im Raum Afrin eingesetzt werden. Der Schluss liegt allerdings nahe, denn die türkischen Truppen setzen dort offenbar auch Leopard-II-Panzer aus deutscher Produktion ein, die bereits vor Jahren in Deutschland eingekauft wurden.

„Das ist der helle Wahnsinn“

Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Sevim Dagdelen, übte harsche Kritik an den neuen Exportgenehmigungen. Die Bundesregierung nicke „wie am Fließband immer neue Waffenlieferungen für die Völkerrechtsverbrecher in Ankara ab“, sagte Dagdelen: „Das heißt, dass die Bundesregierung jenseits von Recht und Gesetz Waffen in ein Spannungsgebiet, ja Kriegsgebiet, liefert. Das ist der helle Wahnsinn.“

Die Einschätzung, dass die Türkei mit ihrer Offensive im Norden Syriens Völkerrecht bricht, wird allerdings vom Auswärtigen Amt in der Antwort auf die Anfrage der Linke nicht geteilt. In dem Schreiben heißt es im Zusammenhang mit der Behauptung der Türkei, sie übe in Afrin das Recht zur Selbstverteidigung aus: „Zur Selbstverteidigungslage, in der die Türkei sich nach ihrer Auffassung befand, liegen der Bundesregierung keine vollständigen Tatsacheninformationen vor, die eine eigene völkerrechtliche Bewertung erlauben würden.“

Maas und Merkel halten sich bedeckt

Das ist in etwa die Formulierung, die auch die Mitglieder der Bundesregierung verwenden, wenn sie nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der türkischen Offensive gefragt werden. Außenminister Heiko Maas (SPD) wollte die Militäroperation zuletzt ebenso wie Bundeskanzlerin Merkel nicht eindeutig bewerten.

Maas sagte lediglich, dass eine dauerhafte Besetzung Afrins durch die Türkei sicher nicht im Einklang mit dem Völkerrecht wäre. Der SPD-Politiker ließ sich allerdings nicht näher auf die Frage ein, ab wann eine Besetzung dauerhaft sei.

Bundesregierung rechtfertigt sich

Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD sind in ihrer Bewertung einen Schritt weitergegangen. Dort wird der türkische Armeeeinsatz als völkerrechtswidrig bezeichnet. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zweifelt daran, dass die Türkei verhältnismäßig handelt.

Noch lässt sich nicht absehen, wie die restriktivere Rüstungsexportpolitik, auf die sich neue große Koalition verständigt hat, konkret gestaltet wird. Saudi-Arabien etwa, das laut Koalitionsvertrag wegen seiner Beteiligung am Krieg im Jemen keine Rüstungsgüter mehr aus Deutschland erhalten dürfte, soll seine acht bestellten Patrouillenboote dennoch bekommen.

Die Bundesregierung rechtfertigte die Exportgenehmigung mit der Erklärung, es gebe einen Bestandsschutz für bereits erteilte Vorgenehmigungen. Das könnte in manchen Fällen auch für die Türkei gelten. Das Land ist zudem Nato-Mitglied, was die Ablehnung von Waffenexporten noch erschwert. (dpa)

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