Bundesvorsitzender der Tafel„Es kann nicht sein, dass Arme jetzt vergessen werden“

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Jochen Brühl 2016 Querformat_Foto Wolfgang Borrs

Jochen Brühl

Herr Brühl, immer mehr Tafeln in Deutschland müssen wegen des Corona-Virus schließen. Wie ist der Status Quo?

Von 950 Tafeln sind rund 200 geschlossen. Jede einzelne Ausgabestelle macht sich Gedanken, wie die Menschen, die es schon im normalen Leben besonders schwer haben, jetzt weiterhin unterstützt werden können.

Zählen die Tafeln nicht zur Grundversorgung und können damit weiter geöffnet bleiben?

Rechtlich werden wir behandelt wie Lebensmittelhändler. Aber wir sind auch Vereine, in denen sich Menschen versammeln – das ist künftig untersagt. Es herrscht da momentan Unsicherheit.

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Es zählen auch viele unserer Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler zur Risikogruppe. Einige Ausgaben müssen wegen Personalmangels schließen, andere auch, weil unser im Frühjahr ohnehin schon eher überschaubares Sortiment aufgrund der Hamsterkäufe nicht ausreicht.

Die Menschen, die es ohnehin schon schwer haben, erhalten jetzt noch weniger Hilfe. Gibt es Überlegungen, wie der Staat die Arbeit der Tafeln auffangen kann?

Bislang weiß ich davon noch nichts, appelliere aber an die staatlichen Stellen, auch unsere Arbeit zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass 1,65 Millionen Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, Rentnerinnen und Rentner, Alleinstehende, Arme, jetzt vergessen werden.

Ist es unsolidarisch, jetzt aus Sorge um das Wohl der eigenen Familie zu hamstern?

Jeder ist jetzt in einer Stresssituation, und jeder geht anders damit um. Aber es ist wichtig, dass der Mensch mit einem gesicherten Einkommen jetzt auch an die denkt, die allein sind und sehr, sehr wenig haben.

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Ärzte, Krankenpfleger und Staat sind jetzt unglaublich wichtig, aber eben auch zum Beispiel unsere 60 000 Ehrenamtler. Ich appelliere an den Staat, aber auch den Einzelnen: Ruft bei den Tafeln an, fragt, wie ihr sie unterstützen könnt, spendet.

Weil viele Tafeln durch die Krise in ihrer Existenz bedroht sind?

Genau – wenn Tafeln schließen, laufen die Betriebskosten wie Miete und Versicherung der Fahrzeuge weiter. Tafeln brauchen jetzt Spenden. Die Nachfrage nach unseren Leistungen könnte durch die Wirtschaftskrise, die das Corona Virus verursacht, enorm steigen. Wenn aber viele jetzt den NGOs helfen, die sich um die Kranken, Armen, Vergessenen kümmern, können wir die Probleme, die noch auf uns warten, besser meistern. Es ist jetzt von jedem Solidarität gefragt.

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