Corona nach GottesdienstReul ermahnt Kirchen: „Sind Präsenzmessen wirklich nötig?“

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Herbert Reul, Gymnasiallehrer, geb. 31. August 1952 in Langenfeld

Köln – Ein Corona-Ausbruch im Kreis Euskirchen hat eine Diskussion über das Infektionsrisiko durch Gottesdienste in der aktuellen Phase der Pandemie ausgelöst. Auslöser ist der Bericht des Kreises Euskirchen über Corona-Infektionen nach einer Gottesdienstfeier der Freien Christengemeinde Blankenheim. An der Veranstaltung hätten „mindestens 300 Gemeindemitglieder teilgenommen“, heißt es in der Mitteilung. Alle seien in „häusliche Absonderung“ geschickt worden, da das „Infektionsgeschehen aktuell noch nicht komplett zu übersehen sei“. Der Inzidenzwert des Kreises war am Wochenende auf 210 gestiegen.

Der Kreis Euskirchen sieht einen Zusammenhang zwischen dem Gottesdienst und dem Ausbruch in der Erwachsenen-Wohngemeinschaft „Neues Leben e.V.“ in Hellenthal, in der Suchtkranke betreut werden. Dort war es zu mindestens 29 Infektionen gekommen. Die Mitarbeiter der WG gehören fast alle der Freien Christlichen Gemeinde an.

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In NRW sind Gottesdienste nur unter strengen Auflagen erlaubt. So ist der Gemeindegesang verboten – auch im Freien. Die Gottesdienstbesucher müssen eine medizinische Maske tragen. Die Höchstzahl der Besucher von Gottesdiensten innerhalb von Kirchen ist auf 250 begrenzt.

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„Religionsfreiheit ist hohes Gut“

Angesichts der insgesamt zugespitzten Corona-Situation will die schwarz-gelbe Landesregierung den Kirchen weiterhin Präsenzgottesdienste im Grundsatz erlauben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) appelliert aber an das Verantwortungsgefühl der Glaubensgemeinschaften. „Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn Präsenzmessen stattfinden, geht das nur mit einem Höchstmaß an Infektionsschutz. Dennoch muss man sich immer fragen: Ist das jetzt in diesem Umfang wirklich nötig?“, so der NRW-Innenminister. „Wir leben in einer Zeit, in der wir alle Einschränkungen hinnehmen müssen. Daher appelliere ich an die Verantwortlichen der Gemeinde, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und an das Allgemeinwohl zu denken“, fügte Reul hinzu.

„Gottesdienste sollen digital stattfinden“

Mona Neubaur, Landesvorsitzende der NRW-Grünen erklärte, angesichts steigender Infektionszahlen Zahlen und neuer Mutationen müssten die Menschen besonders wachsam sein. „Der Fall in Blankenheim zeigt sehr deutlich, wie allgegenwärtig die Gefahr einer Covid-Infektion ist“, sagte die Politikerin aus Düsseldorf. „Größere Präsenztreffen, bei denen die Einhaltung strenger Schutz- und Hygienemaßnahmen nicht sichergestellt werden kann, sollten zum Wohle Aller ins Digitale verlegt werden“, forderte Neubaur. Josef Neumann, Gesundheitsexperte der SPD im Landtag, sieht das ähnlich: „Auch bei Gottesdiensten muss gerade das gelten, was überall gilt: Gesundheit geht vor.“ Der Schutz der Schwächeren sei „ein zutiefst christlicher Ansatz“. Die Durchführung digitaler Gottesdienste „scheint mir in der derzeitigen Situation ein notwendiger Weg zu sein“, so der gesundheitspolitischer Sprecher.

Johannes Neufeld, Junior-Pastor von der Freien Christlichen Gemeinde in Blankenheim, weist den Vorwurf zurück, die Gemeinde habe fahrlässig gehandelt. Wegen des Hygienekonzepts sei der Besuch des Gottesdienstes nicht gefährlicher „als ein Einkauf im Supermarkt“. Die Meldung des Kreises habe jetzt „eine gefährliche Pogromstimmung“ ausgelöst: „Die Gemeinde hat seit Ihrer Gründung einen schweren Stand, weil die Mitglieder nicht aus der Eifel, sondern aus Osteuropa kommen“, so der Junior-Pastor. An dem Gottesdienst hätten maximal 100 Personen teilgenommen.

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