Von Kramp-Karrenbauer über Laschet zu MerzDie CDU nach Merkel – Verzwergung einer Volkspartei

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Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, bei der Eröffnungsveranstaltung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung in Berlin (Archivbild).

Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, bei der Eröffnungsveranstaltung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung in Berlin (Archivbild).

Seit dem Abgang von Angela Merkel hat die CDU noch nicht zu sich selbst gefunden. Friedrich Merz verkörpert keine Politik der Mitte und patzt im Umgang mit der AfD.

Wäre da doch nur noch einmal so ein Bierdeckel. Mit einer populären Idee zur Lösung eines komplexen Problems. Eine einfache Rechnung von Friedrich Merz wie 2003, als er ein dreistufiges System für eine Reform der hochkomplizierten Einkommensteuer vorschlug und zur Demonstration nur den Platz eines Bierdeckels benötigte. Auch wenn das am Ende gar nicht aufging.

Entscheidend war das Gefühl, da weiß jemand Bescheid. Seit 20 Jahren regt Merz mit diesem einen Vorschlag die Fantasie der Menschen an, dass er auch auf schwierigste Fragen eine einfache Antwort parat hat. Die Sehnsucht nach klaren Vorgaben in diesen unruhigen Zeiten ist groß.

Merz präsentiert keinen Plan, beklagen Kritiker

Die, die die Hoffnungen auf den heute 67-Jährigen Merz so beschreiben sind Christdemokraten, die noch Helmut Kohl erlebten und nach Angela Merkels Verzicht auf den Parteivorsitz 2018 erst Annegret Kramp-Karrenbauer, dann Armin Laschet scheitern sahen und nun Merz als CDU-Chef haben. Und sich nun um die Zukunft der großen Volkspartei sorgen. Denn heute präsentiere Merz keinen Plan, beklagen sie.

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Sein legendärer Bierdeckel sei im Haus der Geschichte gelandet und ein neuer nicht in Sicht. Das gehöre zu den Enttäuschungen über den Mann, der so lange gegen Merkel gekämpft und nun die Geschicke der CDU in der Hand hat.

Ruhige Analysen statt neuer Polarisierung

Diese langjährigen Parteimitglieder wollen reden, aber nicht namentlich erscheinen. Statt neuer Polarisierung brauche es eine ruhige Analyse, sagen sie. Denn wenn die Partei beim Umgang mit der rechtsradikalen AfD patze, beschwöre das nicht nur eine Schwächung der Christdemokraten herauf, sondern auch der Demokratie. Die CDU sei aber vor allem mit sich selbst beschäftigt und seit Merkels Abgang auf der Suche nach einer großen neuen Klammer. Danach, wie die verschiedenen Strömungen der Volkspartei zusammengeführt werden können.

Die Merkelianer setzten sich noch zweimal - allerdings äußerst knapp - durch, 2018 mit der früheren saarländischen Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer als direkte Nachfolgerin und 2021 mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Aber die Fehleinschätzungen der beiden, wie der liberale und der konservative Teil der Partei vereint werden kann, und persönliche Schnitzer mangels Nervenstärke oder Konzentration bescherten ihnen ein nur kurzes Gastspiel.

Kramp-Karrenbauer verlor Unterstützer aus der Mitte

Kramp-Karrenbauer verlor im Bemühen, den rechten Flügel einzubinden, viele ihrer Unterstützer aus der Mitte. Und dann hielt sie dem Druck nicht stand, dass jede Äußerung auf ihre Tauglichkeit als mögliche Kanzlerkandidatin überprüft wurde. Und Laschet wurde nach einem erbitterten Machtkampf gegen CSU-Chef Markus Söder zwar Kanzlerkandidat, machte im Wahlkampf aber den folgenschweren Fehler, im überschwemmten Ahrtal in einem unbeobachtet geglaubten Moment zu lachen.

In der Opposition aufgeschlagen, kam Merz´ große Stunde. Zurück zu seinen Anfängen als Bundestagsfraktionschef und nach vorn als neuer Parteichef. Selbst Merkel-Anhänger fanden, jetzt ist Merz dran, er hat so lange darum gerungen. Dann soll die Partei ihn haben. Aber die Probleme blieben, nur andersherum. Denn bei allen guten Vorsätzen, politische Merkel-Erben einzubinden, fährt Merz inzwischen zunehmend seinen eigenen, den anderen Kurs. Nun mit Hilfe von Carsten Linnemann als Generalsekretär, der wie Merz ist, nur jünger.

Die Partei kann das vielleicht eine Weile aushalten, aber was werden die Wählerinnen und Wähler in zwei Jahren machen, wenn die Union immer weniger Merkels Politik der Mitte verkörpert, mit der sie vier Mal Bundeskanzlerin wurde?

Merkels Wirkung war groß – auch im Ausland

Wie groß ihre Wirkung bis ins ferne Ausland war und immer noch ist, erfuhr jüngst der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban: „Als ich jetzt mit Wirtschaftsminister Robert Habeck in Indien war, hat der indische Handelsminister den Großteil des Gespräches darauf verwandt von Angela Merkel zu schwärmen. Das zeigt ihr großes Standing in der Welt.“

Der frühere Chef der Jungen Union betont aber: „Friedrich Merz hat die CDU nach dem Machtverlust und Wechsel in die Opposition zusammengehalten. Das muss man als Leistung auch einfach mal anerkennen.“ 2021 hätten alle von der Ampel als Fortschrittskoalition und vom Untergang der Christdemokratie gesprochen. Aber er habe die Bundesregierung zu richtigen Entscheidungen getrieben wie den Waffenlieferungen an die Ukraine und den Verzicht auf eine Gasumlage und Änderungen bei Bürgergeld oder Heizungsgesetz. „Die Oppositionspolitik wirkt“, sagt Kuban dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

CDU soll sich um ihre Themen kümmern

Aber auch er mahnt: „Jede Debatte über die AfD nutzt nur dieser Partei selbst, die keiner will.“ Die CDU solle sich um ihre Themen wie „keine Steuern mehr für Überstunden“, „Wohneigentum für alle“ oder die „Begrenzung der illegalen Migration“ kümmern.

Selbst Merkelianer halten es für abwegig, dass Merz auf dem rechten Augen blind ist. Aber: „Er legt die rechte Hand auf die Herdplatte und spürt den Schmerz nicht“, sagt ein Christdemokrat, der Merz lange kennt. Dieser habe keine Sensoren dafür. Er nehme nicht wahr, wenn sich Widerstand dagegen regt, dass er immer wieder den Stöpsel aus der Badewanne ziehe und die Abgrenzung zur AfD aufweiche.

Jüngste Beispiele: Das Grummeln in der Partei über den Begriff „Agenda für Deutschland“ für CDU-Grundsatzpositionen. Das Entsetzen als er die Union die „Alternative für Deutschland - mit Substanz“ nannte. Anleihen beim Namen des Feindes zu nehmen, bedeute die „Verzwergung“ der großen Volkspartei. Und jetzt noch die Irritation um eine Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene. „Er kennt die kommunale Ebene überhaupt nicht“, sagt einer.

Warum dem CDU-Vorsitzenden es unterlaufen ist, statt eine kritische Diskussion über den Bundeskanzler und seine Ampel zu entfachen, eine Debatte um die Schwäche der CDU im Umgang der AfD loszutreten? 2018 hatte er behauptet, er könne die AfD halbieren. Das hätte auf einen Bierdeckel gepasst. Das hat aber nicht geklappt. Er müsse ein richtiges Konzept vorlegen. Zum Klimaschutz etwa. Zeigen, wo die CDU besser wäre. Und nicht mehr über die AfD sprechen, sagt ein Kritiker. Diese Flughöhe habe er aber noch nicht.

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