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Essener Bischof im InterviewOverbeck sieht „Basta-Kommunikation“ Roms gescheitert

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Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck.

Nach scharfer Kritik des Vatikans am Reformprozess Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland gibt sich Essens Bischof Franz-Josef Overbeck gelassen. Versuche, den Synodalen Weg auszubremsen, seien zum Scheitern verurteilt, sagt Overbeck im Interview. Er äußert sich auch zur Zukunft von Kardinal Rainer Woelki in Köln und einem möglichen Kalkül für die Nicht-Entscheidung des Papstes über Woelkis Rücktrittsangebot.

Bischof Overbeck, vor dem Rom-Besuch der deutschen Bischöfe gab es die Hoffnung auf ein Zeichen der Wertschätzung für den Reformprozess „Synodaler Weg“. Tatsächlich haben Sie sich eine Klatsche eingefangen. Mit welchem Gefühl sind Sie aus Rom zurückgekehrt?

Franz-Josef Overbeck: Mir war aus vielen Gesprächen in Rom schon vor unserem Besuch klar, dass es mit der Freude am Synodalen Weg der Kirche in Deutschland nicht weit her ist. Im Kern ist die ungeklärte Frage, wie eine „synodale Kirche“ sich zu der in Jahrhunderten gewachsenen hierarchischen Kirche verhält, der Grund für die anhaltenden Widerstände. Synodalität ist für viele Kuriale immer noch ein herausforderndes Thema. Sicherlich hoffen manche, dass es unter einem neuen Papst wieder von der Tagesordnung verschwinden wird.

Besteht die Aussicht, dass das so eintritt?

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Ich erlebe schon die Tendenz eines neuen Antimodernismus, der die Schuld für alle Probleme der Kirche stets bei den „Anpassungen an den Zeitgeist“ zu finden glaubt. Aber ich glaube, was unter Papst Franziskus aufgebrochen ist, ist trotz aller Widerstände unumkehrbar, weil die Welt auch in der Kirche nicht stillsteht.

Aber wie erklären Sie denen, die sich auf dem Synodalen Weg engagieren oder die auf Veränderungen hoffen, die Klatsche, die Sie als Bischöfe in Rom kassiert haben?

Wer glaubt, es gäbe in so hochkomplexen Fragen nur den einen gemeinsamen Weg nach vorn, ist naiv. Das gibt es nirgends – nicht in Parteien oder Verbänden, nicht zwischen Staaten, auch nicht in der Kirche. Deswegen bin ich auch nicht enttäuscht aus Rom zurückgekommen. Ich war im Gegenteil erfreut, dass sich in manchen Dikasterien (Vatikan-Behörden, d.Red.) schon eine gute Gesprächskultur entwickelt hat. Daneben aber gibt es, zugegeben, schon noch ein eher altmodisches Auftreten mancher Spitzenvertreter der Kurie, die nicht sonderlich am Austausch interessiert sind oder die nicht einen Deut an althergebrachten Mustern rütteln lassen wollen.

Warum lassen Sie sich als Bischofskonferenz so etwas bieten – dazusitzen wie die Schuljungen und vom Papst gleich ganz versetzt zu werden, die zu einem anberaumten Treffen dann einfach nicht mehr erschienen ist?

Wir haben nicht „wie die Schuljungen“ dagesessen. Ich weiß, die Fotos mit dem Stuhlkreisaus im vatikanischen Palast oder den Sitzreihen in einem Hörsaal vermitteln diesen Eindruck. Aber der ist falsch. Wir haben sehr offen und sehr kontrovers diskutiert.

Und die römischen Vertreter haben zu den heißen Eisen – Sexualmoral, Frauenweihe, Gewaltenteilung – immer wieder erklärt „nicht verhandelbar“.

Das ist richtig. Aber diese Basta-Kommunikation hatte ja keinen Erfolg. Wir haben den Plan eines „Moratoriums“ verhindert, den der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, verfolgt hat – ganz nach altem Muster. Früher wäre er wahrscheinlich damit durchgekommen, aber nicht mehr heute. Einige wenige aus unserem Kreis sind ihm bereitwillig gefolgt, aber die große Mehrheit hat sehr klar gesagt, das machen wir nicht mit.

Aber lohnt es sich denn jetzt überhaupt noch, auf dem Synodalen Weg weiterzugehen, wenn doch klar ist, dass er in Rom zur Sackgasse wird?

Was für eine Frage! Selbstverständlich lohnt es sich, weil die Themen es erfordern. Kardinalstaatssekretär Piero Parolin, den ich sehr nachdenklich erlebt habe, und andere wissen das auch. Eine Totalverweigerung würde nicht nur in Deutschland zu einem Aufstand der Gläubigen führen, sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt Proteste hervorrufen. Es soll aber doch keiner glauben, wir könnten alle unsere Reformanliegen auf einen Streich umsetzen und hätten dann auf einen Schlag eine lebendigere Kirche. Das ist ein mühevoller Prozess, der auch eine spirituelle Begleitung und Erneuerung braucht.

Die „Evangelisierung“, die von den Kritikern des Synodalen Wegs dort vermisst wird?

Evangelisierung ja, aber bitte nicht mit einer Wende in frühere Zeiten, sondern mit dem Blick nach vorn.

Halten Sie Konflikte wie über die Frauenweihe oder die Revision der katholischen Sexualmoral überhaupt noch für vermittelbar? Oder geht es am Ende um Sieg oder Niederlage, also um eine Machtprobe?

Dazu kann es verkommen. Man wird im Hinblick auf Reformen aber doch ganz nüchtern die Mehrheitsverhältnisse zur Kenntnis nehmen müssen. Allerdings brauchen wir auch noch eine andere Kultur, mit Minderheitenpositionen umzugehen. Einfach abbügeln ist keine gute Methode. Genauso verfehlt ist allerdings die Vorstellung, man müsse als Minderheit nur lange genug in Rom intervenieren, und dann würden irgendwann schon alle zur Ordnung gerufen oder auf Linie gebracht. Damit ist es vorbei. Und sollte sich auf diesem Weg doch noch der eine andere vermeintliche Erfolg einstellen, etwa in Form weiterer römischer Dekrete, dann werden das Pyrrhus-Siege sein.

Zu einer Entscheidung über das Rücktrittsangebot von Kardinal Rainer Woelki konnte auch die versammelte Bischofskonferenz den Papst nicht bringen. Was schließen Sie daraus?

Der Papst geht hier als Jesuit strikt nach den geistlichen Regeln seines Ordensgründers Ignatius von Loyola vor: Niemals unter Druck entscheiden! Ganz gleich, wie man dazu steht: Wir müssen die Entscheidung des Papstes jetzt abwarten.

Sie vermuten ein geistliches Motiv für das Nicht-Handeln des Papstes. Könnte nicht auch das Kalkül dahinterstecken, auf dem Synodalen Weg jetzt nicht den stärksten Konservativen zu Fall zu bringen?

Ich weiß nicht, ob ein Kalkül dahintersteckt. Ja, es gibt auf dem Synodalen Weg Stimmen, die alle Textvorlagen ablehnen – nicht nur unter uns Bischöfen, sondern auch bei den anderen Synodalen. Ob das konservativ ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Zeiten, da sich über Personalfragen noch kirchenpolitische Richtungsentscheidungen forcieren ließen, sind ziemlich vorbei.

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