Gastbeitrag von Lamya KaddorDas richtige und überfällige Zeichen gegen Muslim-Hetze

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Björn Höcke

Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag

  • Der Verfassungsschutz stellt fest: Wer pauschal gegen Muslime hetzt, steht nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes.
  • Ein Gastbeitrag von Lamya Kaddor, die die Entscheidung als deutliche Botschaft des Inlandsgeheimdienstes sieht.

Köln – Agitation gegen den Islam als Religion und damit gegen Musliminnen und Muslime als Menschen ist ein Eckpfeiler der AfD – seit ihrer Gründung. Verstärkt wurde er durch den später gegründeten „Flügel“ um Björn Höcke, Andreas Kalbitz und Hans-Thomas Tillschneider, der übrigens ein promovierter Islamwissenschaftler ist. Heute gibt es kein prominentes Mitglied dieser Partei, das sich nicht diffamierend gegenüber Muslimen geäußert und damit den Boden konstruktiver Religionskritik verlassen hätte. Jahrelang herrschte die Überzeugung, so lasse sich eine Form von Ausgrenzung schüren, die aufgrund des islamistischem Terrors und gewaltbereiten islamischen Fundamentalismus nicht sogleich als rechtsextremistisch erkannt, sondern vielmehr in weiten Kreisen auf offene Ohren stoßen würde.

Mit dieser Überzeugung ist es jetzt vorbei, zumindest auf offizieller Ebene. Die jüngsten Ausführungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Einstufung des „Flügels“ als Verdachtsfall und künftiges Beobachtungsobjekt im rechtsextremistischen Spektrum lassen daran wenig Zweifel. Zur Begründung für ihre Entscheidung verweist die Behördenleitung explizit auf eben jene Islamfeindlichkeit der AfD-Politiker.

Deutliche Botschaft des Inlandsgeheimdienstes

So deutlich war die Botschaft vom deutschen Inlandsgeheimdienst noch nie: Wer pauschal gegen Muslime hetzt, steht nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Das ist ein Novum in der deutschen Geschichte. Und es war überfällig. Die Behördenentscheidung trägt endlich einer Entwicklung Rechnung, vor der seit Langem gewarnt wurde, die sich aber dennoch über fast zwei Dekaden – teils ungehemmt – entfalten und schließlich in neuem Rechtsterrorismus mit Todesopfern münden konnte.

Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt die Islam-wissenschaftlerin über Interkulturalität und Integration

Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt die Islam-wissenschaftlerin über Interkulturalität und Integration

Björn Höcke möchte dem Islam als Okkupationsmacht den Zutritt nach Europa und Deutschland verwehren. So zitierte ihn der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bei der Bekanntgabe der Entscheidung. Zudem wolle Höcke nicht ausschließen, dass „wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“. Haldenwang benannte zudem Höckes Kontakt zum Gründer der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann, als Beleg für Rechtsextremismus.

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Noch deutlicher wird es in der Einstufungs-Begründung des zuständigen Abteilungsleiters Joachim Seeger: „Insbesondere Zuwanderern mit muslimischem Hintergrund werden in pauschaler Weise negative Eigenschaften wie kulturelle Rückständigkeit und ein überproportional stark ausgeprägter Hang zu Kriminalität und Gewalt allein aufgrund ihrer Herkunft und Religion angelastet. Migranten und vor allem Muslimen wird als Folge der Zuschreibung negativer Attribute vielfach ein minderwertiger und/oder untergeordneter Status zugesprochen und somit die Menschenwürde des Einzelne beeinträchtigt.“

AfD-Funktionäre merken, dass ungehemmte Hetze gegen eine Minderheit für sie zum Problem werden kann

Für Seeger und Haldenwang ist Islamfeindlichkeit eine traurige, aber unzweifelhafte Realität. Beide führen das Wort selbstverständlich im Mund. Ganz anders etwa als Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der einst erklärte, er sehe diese wachsende Islamfeindlichkeit nicht, von der allenthalben die Rede sei. Der frühere UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt notierte einmal, vor einiger Zeit „konnte man Begriffe wie Islamophobie oder Islamfeindlichkeit nicht verwenden, ohne sich sofort Vorwürfe von Überempfindlichkeit, Naivität oder 'Gutmenschentum' einzuhandeln“. Und Aktivistinnen wie Ayaan Hirsi Ali nannten Islamophobie gar den „größten Schwachsinn unserer Zeit“.

Wenn wir bedenken, woher wir in puncto Islamfeindlichkeit kommen, erleben wir gerade einen historischen Wendepunkt. Mit Haldenwang steht jemand an der Spitze des Verfassungsschutzes, dem man im Kampf gegen Rechtsextremismus vertrauen kann – auch als Mensch mit nicht-deutscher Herkunft. Das ist eine Wohltat, wenn man etwa an Haldenwangs Vorgänger Hans-Georg Maaßen denkt, der bezeichnenderweise auf Hans-Peter Friedrichs Vorschlag ins Amt gekommen war und heute – nach seiner Beamtenlaufbahn – rechten Gedanken freien Lauf lässt.

Dabei spüren inzwischen sogar AfD-Funktionäre, dass ungehemmte Hetze gegen eine Minderheit für sie zum Problem werden kann. Relativierungsbemühungen kurz vor der Bundesamts-Entscheidung sind ein Beleg dafür. Höcke selbst versuchte klarzustellen, er meine mit „De-Islamisierung“ natürlich „nicht die kollektive Ausweisung von in Deutschland lebenden Muslimen“. Das wirkt einerseits positiv, andererseits zwingt es zu noch mehr Aufmerksamkeit, weil die AfD ihre Islamfeindlichkeit künftig stärker verklausulieren dürfte. Denn etwas nicht zu verachten, was viele ihre Wählerinnen und Wähler verachten, kann sich eine Partei am äußeren Rand nicht leisten. Daher wird die AfD ihre Islamfeindlichkeit nicht gänzlich ad acta legen können.

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