GastbeitragWarum der Generalbundesanwalt für Putins Kriegsverbrechen zuständig ist

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Gerhart Baum Archiv 080322

Gerhart Baum (Archivbild)

Köln – Der russische Überfall auf die Ukraine, ohne förmliche Kriegserklärung als „Spezialmaßnahme“ bezeichnet, ist ein eklatanter Völkerrechtsbruch. Es handelt sich zum einen um einen im internationalen Strafrecht geächteten Angriffskrieg, zu dessen Verfolgung aber noch einige rechtliche Hürden überwunden werden müssen. Der Angriff ist zum anderen verbunden mit massiven Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Auf diese Tatbestände stützt sich eine Anzeige beim Generalbundesanwalt, die die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ich zurzeit vorbereiten und in der nächsten Woche einreichen wollen.

Oberster Ankläger leitet Ermittlungen ein

Wir begrüßen es sehr, dass die oberste deutsche Anklagebehörde auch von sich aus mit sogenannten Strukturermittlungen begonnen hat. Hier geht es darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte systematisch Informationen über russische Kriegsverbrechen zu sammeln. Berichte über Angriffe auf Wohngebäude, Krankenhäuser und zivile Infrastruktur geben dazu Anlass, aber auch der mögliche Einsatz der in einer internationalen Konvention geächteten Streubomben.

Mit unserer Anzeige zielen wir auf die Einleitung von Strafverfahren nach dem Völkerstrafrecht wegen der Begehung von Kriegsverbrechen in der Ukraine. Um die Anzeige zu untermauern, haben wir Kontakte zu Menschen aus der ukrainischen Kulturszene genutzt, die uns aus erster Hand hinaus schildern konnten, was in ihrer Heimat vor sich geht.

Anzeige benennt politisch und militärisch Verantwortliche

Als Verantwortliche für Kriegsverbrechen benennen wir zum einen die politischen Entscheidungsträger in Moskau: neben Staatspräsident Wladimir Putin auch die Mitglieder des sogenannten Sicherheitsrates, unter ihnen Außenminister Sergej Lawrow, sowie Entscheidungsträger der Duma, des russischen Parlaments. Von der Anzeige umfasst sind aber auch die ausführenden Organe, also die militärischen Kommandeure, in deren Bereich Kriegsverbrechen begangen wurden.

Mit einer eigenen Anzeige werden wir zu Verfahrensbeteiligten, können damit das weitere Vorgehen der Bundesanwaltschaft begleiten und den Ermittlungsdruck von unserer Seite hochhalten. Als sachverständige Bürger nutzen wir gezielt deutsches Recht: das Völkerstrafgesetzbuch, welches das nationale Strafrecht an die Regelungen des Völkerstrafrechts angepasst hat. Es ist in der jüngsten Zeit häufiger angewandt worden, unter anderem gegen syrische Täter, und es ist eine wichtige Ergänzung des internationalen Rechts. Seit 2015 gibt es in Karlsruhe übrigens bereits ein Strukturermittlungsverfahren nur zur Ostukraine.

Flüchtlinge als mögliche Zeugen

Die Aufnahme eines solchen Verfahrens führt dazu, dass der Generalbundesanwalt – wie erwähnt – Beweismittel für diese Verbrechen sammelt, unter anderem durch die Vernehmung von Zeugen. Dafür kommen die vielen Tausenden Ukrainerinnen und Ukrainer in Frage, die vor Putins Armee aus ihrer Heimat fliehen.

Für die Opfer ist es schon einmal wichtig, die Verbrechen dokumentiert und die Verantwortlichen benannt zu wissen. Nichts darf vergessen werden. Im besten Fall dienen diese Informationen später dazu, Strafermittlungen gegen Einzelne einzuleiten. Auch Haftbefehle müssen in Erwägung gezogen werden. Letztlich sollen die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und bei erwiesener Schuld verurteilt werden. Kein Angeklagter könnte sich dabei nach neuester Rechtsprechung auf Befehlsnotstand berufen.

Auch die Gerichtshöfe in Den Haag sind aktiv

Auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat in der vorigen Woche offizielle Ermittlungen zur russischen Invasion und möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine eingeleitet. Außerdem hat die Ukraine Russland beim höchsten Gericht der Vereinten Nationen, dem Internationalen Gerichtshof (IGH), wegen Verletzung der Völkermord-Konvention von 1948 verklagt.

Alle diese Schritte im Rahmen der völkerrechtlichen Ordnung begrüßen wir. Das schließt aber den Einsatz der Möglichkeiten nicht aus, die uns zur Verfügung stehen nicht aus. Im Gegenteil: Der Ermittlungsdruck wird so noch verstärkt. Kein Kriegsverbrecher soll sich irgendwo auf der Welt vor strafrechtlicher Verfolgung sicher fühlen dürfen.

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