Großes Gedenken an PogromeScholz fordert Deutschland auf, das Versprechen „Nie wieder“ einzulösen

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Unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen wurde in Berlin den jüdischen Opfern gedacht. Der Kanzler schickte eine klare Botschaft.

Zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jede Form von Antisemitismus in Deutschland verurteilt. Es sei eine „Schande“, wenn „2023 wieder Türen und Wände mit Davidsternen beschmiert werden“ und die radikalislamische Hamas für die Ermordung von Juden „auf unseren Straßen und Plätzen gefeiert“ werde, sagte Scholz am Donnerstag bei der zentralen Gedenkveranstaltung in Berlin.

Deutschland müsse sein Versprechen des „Nie wieder“ nach dem Holocaust im Nationalsozialismus „gerade jetzt einlösen“, betonte der Kanzler in der Synagoge Beth Zion. „Nichts, rein gar nichts - keine Herkunft, keine politische Überzeugung, kein kultureller Hintergrund, kein angeblich postkolonialer Blick auf die Geschichte“ könne „als Begründung herhalten, die Ermordung, das grausame Abschlachten Unschuldiger zu feiern“.

Olaf Scholz bei Pogrom-Gedenkfeier in Berlin: Angriff der Hamas eine „schreckliche Zäsur“

Deshalb regele die Bundesregierung mit dem im August vom Kabinett beschlossenen neuen Staatsangehörigkeitsrecht „ganz klar, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht“, sagte Scholz. Die Verantwortung, „die sich aus unserer Geschichte ergibt, müssen alle, die hier in unserem Land leben und alle, die in diesem Land leben wollen, annehmen und als ihre eigene begreifen“.

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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, spricht bei der Gedenkfeier in der Berliner Synagoge.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, spricht bei der Gedenkfeier in der Berliner Synagoge.

Die Einsicht in Deutschlands geschichtliche Verantwortung müsse weitergegeben werden, „in Schulen, Universitäten, in der Ausbildung, in Integrationskursen, im tagtäglichen Leben“ - damit im Einwanderungsland Deutschland auch jene erreicht würden, „in deren Herkunftsländern über die Shoah nicht oder vollkommen anders gesprochen wird“.

„Und zugleich dürfen wir denen nicht auf den Leim gehen, die jetzt ihre Chance wittern, über fünf Millionen muslimische Bürgerinnen und Bürgern pauschal den Platz in unserer Gesellschaft abzusprechen“, warnte Scholz. „Alle, die hier leben, müssen sich an demselben Maßstab messen lassen: Und das ist unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Vielfalt und Respekt gegenüber anderen einfordert und garantiert.“

Über die Kanäle des Bundeskanzlers in sozialen Netzwerken wurden Fotos geteilt, die Scholz beim Reinigen von sogenannten Stolpersteinen zeigen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, stand dazu bei den Beiträgen. Die goldenen Straßensteine sollen an im Holocaust getötete Jüdinnen und Juden erinnern, in zahlreichen deutschen Städten gibt es die Steine, auch in Köln erzählten die Stolpersteine Geschichten.

Gedenken an Pogrome in Berlin unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen

Der Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober sei eine „schreckliche Zäsur“, sagte Scholz. Für Deutschland lasse er nur einen Schluss zu: „Deutschlands Platz ist an der Seite Israels.“ Das Land habe „das Recht, sich gegen den barbarischen Terror der Hamas zur Wehr zu setzen.“ Deutschland werde sich weiter für einen stabilen und dauerhaften Frieden im Nahen Osten einsetzen.

Spezialkräfte der Polizei sichern die Gedenkveranstaltung der Novemberpogrome in Berlin-Mitte.

Spezialkräfte der Polizei sichern die Gedenkveranstaltung der Novemberpogrome in Berlin-Mitte.

Auch wegen der angespannten Lage nach dem Hamas-Terrorangriff in Israel und folgender Solidarisierungen mit Palästina, die teilweise auch zu Polizeieinsätzen führten, herrschten in Berlin massive Sicherheitsvorkehrungen. Die „Jüdische Allgemeine“ berichtete etwa am Donnerstag, dass die Gedenkveranstaltung von Spezialkräften und auch Scharfschützen geschützt wurde. Die Gedenkfeier fand in Berlin-Mitte in der Synagoge in der Brunnenstraße statt. Offenbar kein zufällig gewählter Ort: Erst vor elf Tagen gab es einen Brandanschlag auf das jüdische Gotteshaus in Berlin-Mitte. Auch dieser Hintergrund verschärfte die Sicherheitsvorkehrungen.

Hamas-Kämpfer waren am 7. Oktober vom Gazastreifen aus nach Südisrael eingedrungen und hatten Gräueltaten an Zivilisten verübt. 1400 Menschen wurden nach israelischen Angaben getötet und 240 in den Gazastreifen verschleppt. Israel erklärte daraufhin der Hamas den Krieg und griff seitdem hunderte Ziele im Gazastreifen an. Nach Angaben der Hamas wurden über 10.000 Menschen getötet. (mab/dpa/afp)

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