Neue Recherchen zeigen: Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek lebt in Russland mit falscher Identität und soll enge Kontakte zum FSB haben.
Wirecard-SkandalFlüchtiger Jan Marsalek soll Putins Truppen im Ukrainekrieg unterstützt haben

Jan Marsalek auf Fahndungsfotos der Münchner Polizei aus den Jahren 2017 und 2019. (Archivbild)
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Der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek lebt nach Recherchen von „Der Standard“ gemeinsam mit „Spiegel“, ZDF, PBS Frontline und „The Insider“ seit Jahren unter falschen Identitäten in Russland. Demnach nutzt er aktuell vor allem den Namen „Alexander Nelidow“, einen angeblich in Lettland geborenen Russen, der in Wirklichkeit nie existiert hat. Bereits zuvor hatte Marsalek Identitäten von Priestern oder eines angeblichen Belgiers angenommen.
Enge Kontakte zu russischen Geheimdiensten und Reisen in die Ukraine
Auf diese Weise soll es ihm gelungen sein, sich frei in Moskau zu bewegen, Firmen zu gründen und auch Reisen in annektierte ukrainische Gebiete zu unternehmen. Zwischen Januar und November 2024 wurde eine Marsalek zugeordnete Handynummer mehr als 300 Mal in unmittelbarer Nähe der Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB am Moskauer Lubjanka-Platz geortet. Fotos, die dem Rechercheteam vorliegen, zeigen den Gesuchten mehrfach in der Umgebung dieses Gebäudes.
Die Recherchen zeichnen das Bild eines Mannes, der fest in russische Geheimdienststrukturen eingebunden ist. Unter dem Alias „Alexander Nelidow“ ließ Marsalek zwei Firmen eintragen, die offiziell Autoteile und Agrarprodukte handeln. Standortdaten belegen außerdem, dass er mindestens fünfmal die von Russland annektierte Krim besucht haben soll. Auch Aufenthalte im Grenzort Mitrofanowka und ein Übertritt von Mariupol auf die Krim im November 2023 sind dokumentiert.
Fotos zeigen Marsalek in Moskau und in Kampfmontur mit „Z“-Symbol
„Dem ‚Standard‘ vorliegende Fotos zeigen Marsalek zudem mehrfach nahe der FSB-Zentrale – wohl auf dem Weg zur Arbeit“, heißt es in der Berichterstattung. Weitere Bilder sollen ihn in Kampfmontur mit dem russischen Kriegssymbol „Z“ zeigen, was auf eine direkte Beteiligung am Kriegsgeschehen hindeuten könnte. Offiziell bestreiten die russischen Stellen, seinen Aufenthaltsort zu kennen, die deutschen Behörden haben ihn weiterhin zur Fahndung ausgeschrieben.

Ein Fahndungsaufruf nach Jan Marsalek. (Archivbild)
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Nach Informationen von „Der Standard“ ist Marsalek inzwischen mit der russischen Agentin Tatiana Spiridonowa liiert. Standortdaten seines Handys wurden auch in ihrer Wohnumgebung erfasst. Spiridonowa soll drei Smartphones österreichischer Spitzenbeamter – darunter das des Bundespolizeidirektors – in Istanbul übernommen und zum FSB nach Moskau gebracht haben.
Österreichische Verbindungen: Egisto Ott im Visier der Justiz
Die Geräte sollen zuvor über ein Netzwerk um den früheren österreichischen Verfassungsschützer Egisto Ott gelaufen sein, gegen den die Staatsanwaltschaft Wien inzwischen Anklage erhoben hat. Ott weist die Vorwürfe zurück. Ermittler gehen davon aus, dass Marsalek seit seiner Flucht im Juni 2020 über Belarus nach Moskau vom FSB geschützt wird.

Ein Ordner mit Fahndungsplakat zu Jan Marsalek im Wirecard-Untersuchungsausschuss in Berlin. (Archivbild)
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Während sein früherer Chef Markus Braun sich in München vor Gericht verantworten muss, bleibt Marsalek in Russland für internationale Ermittler unerreichbar – zuletzt wurde er sogar von Moskauer Behörden wegen eines Verkehrsdelikts erfasst, als er mit einem E-Scooter unterwegs war.
Jan Marsalek war bis Juni 2020 Vorstand des Dax-Konzerns Wirecard und dort für das operative Geschäft zuständig. Nachdem bekannt geworden war, dass in der Bilanz Milliarden fehlten, wurde ein internationales Ermittlungsverfahren eingeleitet. Marsalek setzte sich kurz vor seiner geplanten Vernehmung nach Belarus und weiter nach Russland ab.
Seitdem gilt er als einer der meistgesuchten Männer Europas. Gegen ihn bestehen ein internationaler Haftbefehl sowie eine Ausschreibung bei Interpol. Ermittler werfen ihm unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Marktmanipulation und Verstöße gegen das Kreditwesengesetz vor. (jag)