Wer Bürgergeld bekommt, wird zusätzlich bei Miete und Heizung unterstützt. Vor allem bei Familien reicht das oft nicht.
Sozialverbände üben KritikJeder neunte Bürgergeld-Haushalt zahlt für Wohnkosten drauf

Vor allem in Großstädten wie hier in Berlin rutscht man leicht über die im Bürgergeld gestattete Miethöhe. (Archivbild)
Copyright: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
Hunderttausende Bürgergeld-Empfänger müssen bei Miete und Heizkosten draufzahlen, weil ihre Wohnung nicht als angemessen gilt. Im vergangenen Jahr betraf das rund jeden neunten Haushalt mit Bürgergeld, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervorgeht. Im Schnitt mussten sie jeden Monat 103 Euro aus der eigenen Tasche finanzieren.
Eigentlich sollen Wohnkosten, also Miete und Heizkosten, bei Bürgergeld-Empfängern vom Staat übernommen werden. Das gilt aber nur, wenn sie als angemessen bewertet werden. Dafür dürfen Miete und Wohnungsgröße bestimmte regional festgelegte Richtwerte nicht überschreiten. Wer in einer zu großen Wohnung lebt, wird aufgefordert, umzuziehen oder zum Beispiel ein Zimmer unterzuvermieten.
Sozialverbände kritisieren Mietgrenzen als unrealistisch
Sozialverbände kritisieren seit langem, dass die festgelegten Mietgrenzen vielerorts unrealistisch seien. Oft hätten Betroffene überhaupt keine Chance, eine günstigere Wohnung zu finden. Sie müssten dadurch immer höhere Beträge zuzahlen - und das Geld fehle dann für Lebensmittel, Kleidung und Bildung. „Wer im Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf und spart sie sich vom Munde ab“, sagte die Linken-Abgeordnete Caren Lay der Deutschen Presse-Agentur.
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- Wirtschaft, Migration, Verteidigung Merz zieht nach Holperstart erste Bilanz und nennt wichtigste Regierungsvorhaben
- Kritik an Haushaltsplan Lauterbach fordert mehr Mittel für Forschung zum Fatigue-Syndrom
- Cannabis-Gesetz Warken will Legalisierung zurückzudrehen
- Antrag an Bundesregierung Linke fordert neuen europaweiten Feiertag für mehr Frieden
- „Würde die Wirtschaft ins Mark treffen“ Merz stellt sich hinter Spahn und sorgt sich vor Trumps Strafzöllen
- „Koalition hat sich selbst beschädigt“ Steinmeier drängt auf schnelle Entscheidung über Verfassungsrichter
- Zerwürfnis nach Turbostart Schwarz-roter Regierungsstart – In 70 Tagen in die erste Krise
Im vergangenen Jahr bekamen laut Arbeitsministerium fast 320.000 Bürgergeld-Haushalte nicht die kompletten Wohnkosten erstattet. Bei der Miete mussten sie im Schnitt rund 111 Euro monatlich selbst tragen - mehr als ein Fünftel der Kosten. Wer bei den Heizkosten zuzahlen musste, zahlte im Monat rund 55 Euro aus der eigenen Tasche. Besonders viel mussten Haushalte mit Kindern drauflegen - im Schnitt rund 124 Euro jeden Monat.
Höchste Zuzahlungen bekommen Bürgergeld-Empfänger in Berlin
Regional gibt es dabei große Unterschiede. Am größten war der Anteil der Bürgergeld-Haushalte mit Zuzahlung zuletzt in Rheinland-Pfalz (17 Prozent), gefolgt von Baden-Württemberg (15 Prozent), dem Saarland (14,5 Prozent) und Niedersachsen (14 Prozent). Am seltensten draufzahlen mussten Bürgergeld-Empfänger in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, wo es noch vergleichsweise viele günstige Wohnungen gibt.
Die höchsten Zuzahlungen mussten Bürgergeld-Haushalte in Berlin stemmen. Sie mussten jeden Monat im Schnitt fast 160 Euro aus der eigenen Tasche stemmen und blieben so auf mehr als einem Fünftel ihrer Wohnkosten sitzen.
Trotz der Einführung einer Karenzzeit sei die Wohnkostenlücke im letzten Jahr noch einmal größer geworden, beklagte die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek. Seit dem Start des Bürgergelds wird die Kaltmiete neuer Empfänger ein Jahr lang nicht auf Angemessenheit überprüft, sondern immer voll übernommen.
Langzeit-Bezieher dagegen, darunter viele Alleinerziehende, pflegende Angehörige und Aufstocker, würden allein gelassen, sagte Reichinnek. „Sie müssen den Fehlbetrag weiterhin aus dem Regelsatz ausgleichen, der eigentlich für Essen und Kleidung gedacht ist. Das finde ich unerträglich.“ Die Kostengrenzen müssten so weit erhöht werden, dass davon eine Wohnung gemietet und geheizt werden könne. (dpa)